Wie weiter nach der Schule?
04.05.2021 Bildung|SchuleDie Corona-Krise macht es Teenagern nicht leicht, eine Lehrstelle zu finden. Hilfe erhalten sie unter anderem bei der Berufsberatung. Damit möglichst niemand leer ausgeht, gibt es diverse Überbrückungsangebote.
KATHARINA WITTWER
Früh eingeschult zu werden, kann ...
Die Corona-Krise macht es Teenagern nicht leicht, eine Lehrstelle zu finden. Hilfe erhalten sie unter anderem bei der Berufsberatung. Damit möglichst niemand leer ausgeht, gibt es diverse Überbrückungsangebote.
KATHARINA WITTWER
Früh eingeschult zu werden, kann sich bei der Lehrstellensuche unter Umständen nachteilig auswirken. Die SchulabgängerInnen sind oft erst 15 Jahre alt, die Ausbildner bevorzugen teilweise 16oder gar 17-Jährige. In einigen Lehrberufen werden sehr gute Kenntnisse mindestens einer Fremdsprache verlangt. Oder die junge Person weiss schlichtweg nicht, welchen Beruf sie erlernen möchte. Manchmal stellt ein sogenanntes Zwischenjahr die ideale Lösung dar.
BIZ beobachten wachsende Unsicherheit
Mindestens einmal monatlich hält sich Berufsberater Terence Graf vom BIZ Thun (Berufsberatungs- und Informationszentren des Kantons Bern) in den Oberstufenschulhäusern Adelboden, Frutigen und Reichenbach auf. In der Regel melden sich Achtklässler – aktuell auch Ältere – für ein erstes Gespräch. «Diese Kurzberatungen dauern 20 bis 25 Minuten. Merke ich, dass der Teenager Unterstützung braucht, folgt ein ausführliches Beratungsgespräch mit Einbezug eines Elternteils.» Seit Corona berät Graf vor allem telefonisch und per Video.
Die BIZ beobachten seit einem Jahr eine wachsende Unsicherheit bei den jungen Leuten. Von Panik zu sprechen sei jedoch übertrieben, ist von der Medienstelle zu vernehmen. Dass viele Lehrbetriebe während rund eines Jahres keine Schnupperlehren anboten, erschwerte die Einblicknahme in den «richtigen» oder «falschen» Beruf. «Ich ermuntere alle, auf Berufsbildungsplattformen nach Videos zu suchen und sich ein Bild zu machen. Inzwischen haben viele Betriebe selbst Filme und Schnupperlehr-Videos erstellt», sagt Graf. Auch rät er, Augen und Ohren offen zu halten. Auf Brückenangebote weist er erst «in letzter Minute» hin. Für viele ist eine kurzfristige Anmeldung möglich.
«Zehntes Schuljahr» oder Vorlehre
«Unser Auftrag besteht darin, Jugendliche, die noch Zeit für die Berufswahl benötigen, während eines kantonalen berufsvorbereitenden Schuljahres BVS («10. Schuljahr») individuell und mit einem massgeschneiderten Angebot (berufsbezogene Fächer, Projekte, Wochenplatz, individuelles Coaching) zu begleiten und zu fördern», erklärt Jürg Frei vom Berufsbildungszentrum IDM. Er ist Mitglied der Schulleitung des BBZ IDM (Industrie, Dienstleistung und Modegestaltung) und unter anderem zuständig für die verschiedenen Brückenangebote.
Aktuell bietet das BBZ IDM mit seinen Standorten in Spiez, Interlaken und Zweisimmen zwei «Hauptmodelle» des berufsvorbereitenden Schuljahres an, wobei es weitere Unterteilungen gibt. In der Regel erfolgt die Einschreibung via Klassenlehrer der Volksschule zwischen den Kalenderwochen 13 und 18. Alternativ gehen auch Anmeldungen von der Berufsberatung nach Abklärungsgesprächen ein. Im kommenden Schuljahr werden in Spiez sechs, in Interlaken zwei und in Zweisimmen eine BVS-Klasse à durchschnittlich 18 Lernende geführt. Zusätzliche Klassen werden im Bereich Integration und im BVS Plus geführt.
Eine weitere Möglichkeit für Unschlüssige oder für solche, die in ihrem Traumberuf noch keine Lehrstelle gefunden haben, bietet die Vorlehre. Während eines Jahres arbeiten die Jugendlichen drei Tage pro Woche in einem Betrieb und besuchen an zwei Tagen die Schule. In Spiez werden für dieses Angebot vier bis fünf Klassen geführt. «In den letzten Jahren hat der Abbruch von Lehren stetig zugenommen. Mit unseren Angeboten und denen anderer, ähnlicher Schulen möchten wir Gegensteuer zu dieser Entwicklung geben, indem wir die Jugendlichen gezielt auf die Berufswelt vorbereiten», so Jürg Frei.
Das «gute alte Welschlandjahr»
Lisa Zeller vermittelt Au-pair-Stellen in der Westschweiz, im Tessin und theoretisch in Frankreich, Spanien oder Irland. «Nach Grossbritannien vermitteln wir erst wieder, sobald es nach dem Brexit eine neue Lösung gibt. Momentan können wir eine Sprachschule empfehlen», so die Stellenvermittlerin. Obwohl «aupair.ch» eine Non-Profit-Organisation der reformierten Landeskirche des Kantons Bern ist, werden bis zu 27-Jährige jeden Glaubens und aus der ganzen Deutschschweiz vermittelt. Gleichzeitig findet eine enge Zusammenarbeit mit der katholischen Organisation «Pro Filia» statt. Vornehmlich junge Mädchen verrichten in einer Gastfamilie allgemeine Hausarbeiten, kochen oder hüten Kinder. Oft ist fürs Putzen zusätzlich jemand angestellt. Der Schwerpunkt bei Au-pair-Aufenthalten liegt im Erlernen der Sprache. Wer sich für ein (bäuerliches) Haushaltslehrjahr entscheidet, besucht einmal wöchentlich die Berufsschule. «Wir haben auch Anfragen von jungen Männern», sagt Lisa Zeller. Eine derartige Zwischenlösung sei nicht nur für Frauen eine gute Voraussetzung, sondern auch für angehende Köche oder Personen, die ihre Zukunkt in einem erzieherischen Beruf sehen. Zeller beobachtet, dass sich dieses Jahr vermehrt MaturandInnen melden, die unter normalen Umständen vor Beginn ihres Studiums ins Ausland gegangen wären. Sie rechnet damit, dass sich bis zu den Sommerferien noch viele junge Leute melden, die auf der Suche nach einer Stelle als «jeune fille» sind.
Fremdsprachen in einer Schule vertiefen
«Das Interesse an einem 10. Schuljahr am Genfersee, im Tessin oder in England ist aktuell gross», weiss «Didac»-Geschäftsleitungsmitglied Gabriella Günther. Ausbildner, zum Beispiel im Tourismus, verlangen von ihren Lernenden das Beherrschen mindestens einer Fremdsprache. Ein Zwischenjahr – Schule kombiniert mit Arbeit in einer Gastfamilie gegen Lohn oder aber im Vollzeitmodell – ist eine von verschiedenen Möglichkeiten.
Auch in Südengland betreibt «Didac» eine Schule. Die Jugendlichen weilen aktuell in Eastbourne und bereiten sich auf die internationalen Sprachexamen vor. «Wer auf der anderen Seite des Kanals weilte, durfte an Weihnachten nach Hause reisen, wegen Corona jedoch nicht in den Herbst- und Frühjahrsferien», sagt Günther. Die Organisation erweiterte in dieser Zeit das Unterrichtsund Freizeitangebot. Nach mehreren Wochen Fernunterricht findet inzwischen wieder Präsenzunterricht statt.
Mehr zu den vorgestellten Brückenangeboten finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html