Das Defizit bleibt aus
01.06.2021 Kandergrund, Blausee, Mitholz, PolitikDie Gemeinde geschäftete besser als erwartet, im letzten Jahr ergab die Rechnung ein leichtes Plus. Zudem möchte der Rat den kostenlosen öV für Touristen einführen. Dafür müsste er die Gäste aber erheblich stärker zur Kasse bitten und benötigt erst die Zustimmung der ...
Die Gemeinde geschäftete besser als erwartet, im letzten Jahr ergab die Rechnung ein leichtes Plus. Zudem möchte der Rat den kostenlosen öV für Touristen einführen. Dafür müsste er die Gäste aber erheblich stärker zur Kasse bitten und benötigt erst die Zustimmung der Gemeindeversammlung.
JULIAN ZAHND
Wie auch andere Gemeinden budgetierte Kandergrund für das Jahr 2020 defensiv – zu defensiv, wie sich nun herausstellt. War man ursprünglich von einem Defizit von rund 150 000 Franken ausgegangen, resultiert im Gesamthaushalt nun ein Plus von knapp 40 000 Franken. Dieser Betrag fliesst in die Spezialfinanzierungen Abwasser und Abfall. Hinzu kommt ein Gewinn von 70 000 Franken, der den finanzpolitischen Reserven zugewiesen wurde, weshalb der allgemeine Haushalt (Gesamthaushalt abzüglich Spezialfinanzierungen) mit einer Null abschliesst.
Die Rechnung 2020, die der Gemeindeversammlung am Freitag vorgelegt wird, schliesst damit um rund eine Viertelmillion Franken besser ab als erwartet – trotz Einbussen bei den Steuereinnahmen. Wie kam es dazu? Leander Inniger von der Finanzverwaltung führt mehrere Faktoren ins Feld. Auf der Einnahmenseite findet sich beispielsweise eine Marktwertanpassung von BKW-Aktien, welche die Gemeinde besitzt. Sie brachte knapp 100 000 Franken ein. Hinzu kommen die erhöhten amtlichen Werte, wodurch die Liegenschaften im Finanzvermögen um rund 50 000 Franken aufgewertet wurden. Die Entschädigung des VBS für das Schulhaus Mitholz wegen Wertminderung sowie eine Rückzahlung für den Schräglift beim fmi-Spital schlugen mit je 20 000 Franken zu Buche. Positiv wirkten sich auf der Ausgabenseite die um gut 30 000 Franken tieferen Gehaltskosten im Schulbereich aus.
Allerdings investierte die Gemeinde im Jahr 2020 erheblich mehr als geplant. Als Grund für die Nettoinvestitionen in Höhe von 350 000 Franken (veranschlagt waren gut 90 000 Franken) wird die Sanierung der Rütenistrasse genannt, die im Jahr 2019 nicht abgeschlossen worden war.
Die Kurtaxen müssten um jährlich 23 000 Franken steigen
Was in Adelboden seit 2018 geprobt wird, soll ab Mitte 2022 auch zwischen Reichenbach und Kandersteg (gesamtes TALK-Gebiet ohne die Lenk) als Pilotversuch gestartet werden: der kostenlose öV für Übernachtungsgäste und Zweitwohnungsbesitzer. Das Angebot umfasst folgende Linien:
• AFA: Adelboden–Frutigen–Kandersteg sowie Ortsverkehr Adelboden und Kandersteg;
• Postauto: Frutigen–Reichenbach und Reichenbach–Kiental / Ramslauenen
• BLS-Strecke Reichenbach–Kandersteg
• Skibus Frutigen–Elsigbach–Höchst (Winter) und Achseten–Elsigbach (Sommer)
Die Pilotphase soll vier Jahre dauern, das Angebot in Kandergrund ausschliesslich aus Kurtaxeneinnahmen finanziert werden. Allein für diese Gemeinde fallen Mehrkosten von jährlich 23 000 Franken an, weshalb der Kurtaxenbeitrag pro Person und Nacht um 2.50 Franken steigen soll. Da diese Verteuerung den im Reglement festgelegten Spielraum überschreitet, braucht es eine entsprechende Anpassung. Neu soll etwa die Obergrenze bei der Hotellerie und Parahotellerie vier Franken betragen, bislang galt ein Maximum von 1.60 respektive 1.20 Franken pro Nacht. Diese Obergrenze wurde von der Gemeinde freilich nicht ausgeschöpft, aktuell bezahlen Hotelgäste in Kandergrund lediglich 80 Rappen pro Nacht, Ferienhausgäste 60 Rappen. Die Kurtaxenansätze sind in Kandergrund so tief wie nirgendwo sonst im Tal, die geplante Erhöhung entspricht einer Vervielfachung der aktuellen Beträge.
Als die Gemeinde Adelboden ihre Kurtaxenbeiträge vor einigen Jahren erhöhen wollte, hagelte es vonseiten der Zweitwohnungsbesitzer massive Kritik, worauf die Gemeindeversammlung einen Kompromiss verabschiedete. Erwartet man in Kandergrund nun ähnlichen Gegenwind? Er sei ebenfalls gespannt, wie die Erhöhung in der Gemeindeversammlung ankomme, sagt Leander Inniger. Direkt bei der Gemeinde seien bislang aber keine Reaktionen eingegangen.
Der kostenlose öV sei heute durchaus ein Buchungskriterium, findet Inniger. Er erhofft sich somit, dass das Angebot mehr Gäste anlockt – und dass diese vermehrt per Bus und Zug herumreisen. Im Jahr 2020 verzeichnete Kandergrund 8400 Logiernächte (6400 in der Hotellerie, 2000 in Ferienwohnungen). Hinzu kommen 28 Wohnungen von Dauermietern / Zweitwohnungsbesitzern.
Die Gemeinde muss eine Grundlage für den BKW-Konzessionsvertrag schaffen
Seit Jahren besteht zwischen der Gemeinde Kandergrund und der BKW ein Konzessionsvertrag, und die Gemeinde erhebt von der BKW eine Abgabe für die Inanspruchnahme des öffentlichen Grundes. Diese Kosten werden letztlich vom Endverbraucher getragen, in der Rechnung erscheint der Betrag unter dem Titel «Abgabe an Gemeinde». Seit Mai 2018 ist diese Kostenüberwälzung an die Stromkunden jedoch so nicht mehr möglich. Damals entschied das Bundesgericht, dass solche Konzessionsverträge einer rechtlichen Grundlage bedürfen. In zahlreichen Gemeinden, darunter auch Kandergrund, fehlt eine solche aber bis dato, weshalb die Gemeinde nun ein neues Reglement schafft. Damit wird der Gemeinderat ermächtigt, mit der BKW einen Konzessionsvertrag abzuschliessen. Ohne das Reglement müsste die Gemeinde künftig auf Einnahmen von jährlich 44 000 Franken verzichten. Die Abgabe beläuft sich aktuell auf 1,5 Rappen pro Kilowattstunde. Eine Erhöhung sei nicht vorgesehen.
Schliesslich wird der Versammlung die Kreditabrechnung Brücke Zrydsbrügg unterbreitet. Weil der Kostenvoranschlag höher ausfiel als erwartet, wurde der genehmigte Kredit um knapp 70 000 Franken überschritten. Dank Beiträgen des Renaturierungsfonds und der Patenschaft Berggemeinden erhöhten sich die Einnahmen jedoch um 110 000 Franken.
Unter dem Traktandum 5 erhalten die Anwesenden die aktuellsten der Gemeinde vorliegenden Informationen zum ehemaligen Munitionslager Mitholz.
Die Gemeindeversammlung findet am 4. Juni um 20 Uhr im Gemeindehaus statt.