Erstes Schnuppern in der Arbeitswelt
08.06.2021 Frutigen, Wirtschaft, Bildung|SchuleWann ist der ideale Zeitpunkt, mit der Berufswahl zu beginnen? Um dies herauszufinden, lancierte die Oberstufenschule Frutigen ein Pilotprojekt mit einer siebten Klasse.
MONYA SCHNEIDER
Seit einigen Jahren findet an der Oberstufenschule Frutigen (OSS) jeweils in der ...
Wann ist der ideale Zeitpunkt, mit der Berufswahl zu beginnen? Um dies herauszufinden, lancierte die Oberstufenschule Frutigen ein Pilotprojekt mit einer siebten Klasse.
MONYA SCHNEIDER
Seit einigen Jahren findet an der Oberstufenschule Frutigen (OSS) jeweils in der dritten Schulwoche nach den Sommerferien für alle Achtklässler eine Berufswahlwoche statt. Diese beginnen dann, sich konkret mit der Zeit nach der Schule auseinanderzusetzen. Die Lehrerin Jennifer Wandfluh hatte im vergangenen Jahr Zeit, das Konzept der Berufswahl an der OSS genauer anzuschauen, und hat mit verschiedenen Stellen gesprochen. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass dieser Prozess oft bereits Mitte der siebten Klasse einsetzt. Sie hat deshalb ein Pilotprojekt entwickelt, das sie liebevoll ihr «Lockdown-Baby» nennt.
Erfreulich grosses Interesse
Wandfluh nahm Kontakt mit Andreas Trachsel, dem Präsidenten des «Frutig-Gwärbs», auf. Dieser hat den Brief, worin die Lehrerin Praktikumsplätze sucht, an die Betriebe weitergeleitet. Beim Praktikum geht es um ein erstes Kennenlernen und darum, den SchülerInnen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie haben. Da die Lehrbetriebe im August oft keine Zeit für solche Projekte haben, weil sie bereits voll im Auswahlverfahren für die neuen Lehrlinge stecken, hat man diese Woche auf den Frühsommer gelegt. Die Rückmeldungen der angefragten Firmen beeindruckten: Schliesslich waren deutlich mehr Praktikumsplätze vorhanden, als es SchülerInnen in der Klasse 7C gibt. So erhielten auch AchtklässlerInnen die Gelegenheit, mitzumachen.
Es wurden Praktikumsplätze in diversen Berufsgruppen angeboten. Vertreten waren der Detailhandel, handwerkliche Berufe, der kaufmännische Bereich, die Pflege und vieles mehr. Die SchülerInnen konnten zum Teil ihren Praktikumsplatz selbst aussuchen. Anderen wurde der Betrieb zugeteilt. Sie mussten dann selbst Kontakt aufnehmen, um alles zu besprechen. Dies kostete oft einige Überwindung. Teilweise waren dieSchülerInnen verunsichert, doch wurden sie von den LehrerInnen unterstützt und begleitet.
Bleibende Erfahrungen
Zwei bis drei Tage «schnupperten» die Schüler nun letzte Woche in den Betrieben. Am Freitag erzählten sie der Klasse voller Begeisterung von ihren Erfahrungen und Erlebnissen. Alle seien sehr freundlich aufgenommen worden und die Betreuer seien äusserst nett gewesen. Einige Mädchen, die bei der Spitex oder in der ARWO schnupperten, betonten, dass es keine Berührungsängste gegenüber den Menschen mit Beeinträchtigungen oder älteren BewohnerInnen gab. Alle berichteten, wie sie aktiv mitarbeiten durften. Sie konnten an Maschinen arbeiten, Rechnungen ablegen, Essen und Medikamente bringen, spielen und spazieren, Salben mixen oder Puppen frisieren. Für die meisten ging die Zeit schnell vorbei und sie fanden es spannend.
Nach negativen Aspekten befragt, waren sich alle einig, dass es sehr anstrengend sei, so früh aufzustehen oder den ganzen Tag zu stehen und umherzugehen. «Ich bin an einem Tag gefühlt um die ganze Welt marschiert», meinte ein Junge. Auch spürten sie den einen oder anderen Schmerz, weil sie lange in derselben Stellung verharren mussten, von den schmutzigen Händen ganz abgesehen.
Wiederholung erwünscht
Die meisten der SchülerInnen können sich durchaus vorstellen, den kennengelernten Beruf noch in einem anderen Betrieb «erschnuppern» zu gehen. Sie sind sich auch einig darin, dass arbeiten viel besser sei als Schule. Sie würden gerne noch so eine Woche durchführen. Allerdings möchten sie dann ihren Praktikumsplatz selbst auswählen und gleich eine ganze Woche oder noch länger arbeiten gehen. Was sie aber auf gar keinen Fall wollen, ist nochmal einen Film über den Arbeitsplatz drehen und das Arbeitsdossier ausfüllen.
Das Projekt wird nun von den Lehrer-Innen ausgewertet und analysiert. Ob und in welcher Form diese Praktikumswoche wiederholt wird, ist im Moment noch offen. Jennifer Wandfluh wird die Lehrbetriebe kontaktieren und deren Rückmeldungen auswerten. Es könnte gut sein, dass die Praktikumswoche als Ergänzung zur bereits bestehenden OSS-Berufswahlwoche angeboten wird. Die Schüler wären auf jeden Fall begeistert davon.