Wie schwierig ist die Personalsuche?
24.08.2021 Wirtschaft, TourismusGASTRONOMIE Die Restaurants sind wieder offen – die Gastronomiewelt wieder in Ordnung? Keineswegs, denn Personal für Küche und Service zu finden, gestaltet sich teils sehr schwierig. Dafür könne man aber nicht nur Corona die Schuld geben, sagen Gastgeberinnen und Hoteliers in der ...
GASTRONOMIE Die Restaurants sind wieder offen – die Gastronomiewelt wieder in Ordnung? Keineswegs, denn Personal für Küche und Service zu finden, gestaltet sich teils sehr schwierig. Dafür könne man aber nicht nur Corona die Schuld geben, sagen Gastgeberinnen und Hoteliers in der Region.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Der Gastrobranche läuft das Personal davon.» Diese Schlagzeile war so oder ähnlich mehrmals in den letzten Wochen zu lesen. Ist die Situation für die Restaurants und Hotels wirklich so schlimm? Und welche Rolle spielt die Corona-Pandemie? Für Juli weist der Kanton Bern in der Gastrobranche eine Arbeitslosigkeit von 9,3 Prozent (1155 Personen) aus. Daraus könnte man schliessen, dass es genug Personal geben sollte.
Drei Unternehmen im Frutigland beschreiben ihre konkrete Situation. Sie wurden angefragt, weil sie in den letzten Wochen im Frutiger Anzeiger oder auf verschiedenen Jobportalen im Internet offene Stellen ausgeschrieben hatten.
Kurzarbeit für Weiterbildung genutzt
«Bis auf eine konnten wir mittlerweile alle Stellen besetzen», sagt Lukas Eichenberger. Er ist Inhaber und Geschäftsführer des Hotels Ermitage in Kandersteg. Zum Jahresbeginn sei die Arbeitslosigkeit in der Branche coronabedingt recht hoch gewesen und er habe erwartet, dass die Rekrutierung relativ einfach sein würde. Innert vier Monaten habe sich dies aber dramatisch geändert. Die Lage habe sich durch Corona enorm akzentuiert. Die Suche sei sehr schwierig, insbesondere für die Küche und allgemein nach Fachkräften. Als Gründe nennt Eichenberger, dass viele Mitarbeitende die Zeit genutzt hätten, um sich weiterzubilden oder einen anderen Job zu suchen. «Die lange Phase der Kurzarbeit ermöglichte dies: Man hatte viel Zeit und trotzdem einen Lohn. Angestellte, die sich umorientiert haben, kommen kaum je wieder in die Branche zurück», fürchtet er. Aufgrund der allgemeinen Situation auf dem Arbeitsmarkt sei es gut möglich, einen anderen Job zu suchen, der gegenüber der Gastronomie Vorteile hat – zum Beispiel regelmässige Arbeitszeiten, die Nähe zur Stadt und Agglomeration oder eine besserer Entlöhnung.
Kaum Bewerbungen erhalten
Der «Adler» in Adelboden war und ist ebenfalls auf Personalsuche. «Die ausgeschriebenen Stellen konnten wir noch nicht besetzen», sagt Gastgeberin Karin Zenhäusern. «Einen passenden Koch suchen wir zum Beispiel schon seit letztem Frühling. Die Bewerbungen kann ich an einer Hand abzählen.» Die Branche habe zwar seit Jahren mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen, die Pandemie habe diesen aber verstärkt: Die zwei Lockdowns hätten für Mitarbeitende in Gastgewerbe und Hotellerie sehr viel Unsicherheit gebracht, zumal der zweite Lockdown ganze sechs Monate gedauert habe. So hätten viele der Branche den Rücken gekehrt. «Etliche Betriebe sind zudem weiterhin in Kurzarbeit. Deren Mitarbeitende warten ab, statt etwas Neues zu suchen», vermutet sie. Dabei sind insbesondere in den Bergen die Terrassen gut besetzt, was den Druck auf die Angestellten erhöht.
Allerdings habe auch die Branche viele Hausaufgaben noch nicht gemacht. Die Wertschätzung und der Respekt gegenüber Mitarbeitenden lasse mancherorts zu wünschen übrig, ihre Bedürfnisse würden oft nur unzureichend wahrgenommen. Auch bei der Unterstützung durch den Verband bei Weiterbildungen und bei der Durchsetzung von Anstellungsbedingungen, die dem Gesamtarbeitsvertrag entsprechen, gebe es viel Nachholbedarf.
Blockaden und Grenzen überwinden
Mittlerweile konnte auch das Bellevue Parkhotel & Spa in Adelboden die freien Stellen fast alle wieder besetzen oder ist in den letzten Verhandlungen, wie Mitinhaberin und Gastgeberin Franziska Richard sagt. Dies betrifft vor allem Küche und Service. Sie relativiert aber die Situation, vor allem den Einfluss von Corona: «Es ist allgemein so, dass im Sommer See- und Meer-Destinationen viele Leute benötigen. Auf den Herbst hin entspannt sich die Lage stets wieder.»
Natürlich spüre man derzeit die Auswirkungen der Pandemie, die zu einer Verknappung des Personals geführt habe. Doch könne man nicht alle Schuld auf Corona schieben, wenn die Suche harzig verlaufe. Potenzielle Angestellte würden noch zögerlich über die Grenzen fahren, also fehle in der Schweiz ausländisches Personal. «Da ist vor allem im Kopf eine Blockade zu überwinden», glaubt sie. Zudem benötige der Tourismus in Mitteleuropa ebenfalls vermehrt Leute, die Suche müsste grossflächiger erfolgen können, als es die Schweizer EU-Politik erlaube. Im «Bellevue» setze man möglichst auf Schweizer, biete Ganzjahresverträge und Ausbildungs- respektive Praktikantenstellen an. Davon habe man jetzt profitieren können, so Franziska Richard.
Natürlich habe der Fachkräftemangel auch mit den grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Branche zu tun, bestätigt sie die Aussagen von Karin Zenhäusern und Lukas Eichenberger. Hinzu komme: «Wir sind zunehmend eine Freizeitgesellschaft. Jeder will auf der Sonnenterrasse sitzen – aber nicht mehr dort arbeiten.» Durch diese Verknappung würden die Gastronomieleistungen künftig mehr kosten, und das sei gut so, ist Richard überzeugt.
Adelboden habe zudem die spezielle Situation, dass es kaum Personalwohnungen gebe. «Ich kenne Angestellte, die zuerst eine Wohnung gesucht und erst dann ihren Probetag absolviert haben. Das Personal hat das legitime Recht wie wir selbst auch, möglichst nah am Arbeitsplatz und zeitgemäss zu wohnen. Und das ist hier ein richtiges Problem geworden; da ist die Gemeinde gefordert. Schafft sie Wohnraum für Mitarbeitende, generiert sie auch Steuergelder.» Grundsätzlich sehe sie aber absolut nicht schwarz für die Branche, betont Richard. «Vor allem wenn die Gäste bereit sind, Leistungen auch entsprechend zu honorieren.»
Was schafft Abhilfe?
Die Personalsituation ist also ein grundsätzlicheres Problem und nicht nur coronabedingt angespannt. Was also könnte hier Abhilfe schaffen? Lukas Eichenberger zählt auf: neue Arbeitszeitmodelle, gute Weiterbildungsmöglichkeiten und eventuell auch eine bessere gesellschaftliche Akzeptanz für diese Berufe. Branchenverbände könnten dies mit Werbekampagnen unterstützen und Initiativen beispielsweise in Schulen oder mit Schnuppertagen starten. «Zudem ist eine möglichst gute Unterstützung der Betriebe in der Ausbildung von Lehrkräften erforderlich, damit der Nachwuchs auch in kleinen Unternehmen gut, aber administrativ einfach selbst ausgebildet werden kann.»
Für Karin Zenhäusern müssten die Anstrengungen weiter gehen: Um die Arbeit im Gastgewerbe und in der Hotellerie wieder attraktiver zu machen, brauche es neben dem Verband und den einzelnen Betrieben auch ein stimmiges Gesamtpaket. «Ein Beispiel: Das Frutigtal oder Adelboden ist etwas weiter weg vom Puls der Stadt, was eine Suche nach passenden Mitarbeitenden erschweren kann. Wenn aber alle Betriebe gemeinsam Massnahmen ergreifen und so auftreten können, dass es eben cool ist, in unserer Region zu arbeiten, wenn das Personal noch das eine oder andere Plus dazu erhält, sich die Mitarbeitenden mit der Region identifizieren und auch ausserhalb der Arbeit eine spannende Zeit in der Region verbringen können, dann wäre dies meiner Meinung nach ein erster Schritt in die richtige Richtung.»
Kurzfristig werden solche Vorschläge die Situation aber nicht verbessern – weder für Arbeitgeber noch Arbeitnehmer.