Wie Adelboden saust und tost, klingt und singt
17.09.2021 Adelboden, KulturDas Swiss Chamber Music Festival hat ein weiteres Experiment gewagt. Trotz aller pandemiebedingten Widrigkeiten wird die «Adelbodner Sinfonie» in Erinnerung bleiben.
RETO KOLLER
Ein gedämpfter, schwingender Ton gleitet durch die Adelbodner Turnhalle. Auf den beiden ...
Das Swiss Chamber Music Festival hat ein weiteres Experiment gewagt. Trotz aller pandemiebedingten Widrigkeiten wird die «Adelbodner Sinfonie» in Erinnerung bleiben.
RETO KOLLER
Ein gedämpfter, schwingender Ton gleitet durch die Adelbodner Turnhalle. Auf den beiden Grossbildschirmen schreiten zwei mit robustem Schuhwerk bestückte Füsse einen steilen Bergweg hinauf. Der Wanderer erreicht das Ziel, sein Blick schweift über die Landschaft. Die Klänge werden farbiger, intensiver.
Klingt so Adelboden? Ja, aber nicht nur so. Gemessenen Schrittes und in der Frutigtaler Tracht gekleidet betritt der Gemischte Chor die Bühne. Er trägt sein erstes Lied vor: «Zwischen Himmel und Erde.». Klingt so Adelboden? Ja! Die Musikgesellschaft löst ab. Sie lässt sich die rockige Version der Adelbodner Volkshymne «Ds Vogellisi» nicht entgehen. Klingt so Adelboden? Ja!
Das verbindende Saxofon
Die Saxofonistin Valentine Michaud nimmt jeweils den verklingenden letzten Ton der Vorgängerformation auf und improvisiert dazu mehrere Minuten lang. Dabei setzt sie auch Elektronik ein und entlockt ihrem Instrument ungewohnte Töne. Mal erkennt der Hörer die Geräusche des erwachenden Waldmorgens, mal tönt des Saxofon recht avantgardistisch. Klingt so Adelboden? Ja!
Nach einer guten Stunde verklingt der letzte Akkord. Das Experiment, den Ort und seine Landschaft in allen Facetten zu einer Sinfonie zu vereinen, ist Geschichte. Klingt so Adelboden? Ja, aber mit einem Abstrich: Zum Engstligtal gehört der Jodel, ein Adelbodner Klanggemälde ohne «Jutz» ist unvollständig. Schade! (Siehe Interview mit Johanna Schwarzl oben.)
Christina Schranz ist Präsidentin der Musikgesellschaft Adelboden. Sie erzählt, wie die Sinfonie zustande kam: «Wir wurden im Winter 2019/20 noch vor der Pandemie von SCMF-Intendantin Christine Lüthi angefragt und haben voller Neugierde zugesagt». Das Gleiche gilt für den Gemischten Chor unter der Leitung von Thomas Klopfstein. «Das Projekt hat mich fasziniert, obwohl wir nicht genau wussten, worauf wir uns einlassen würden».
Beide Vereine bestimmten ihren Programmbeitrag selbst. Einzige Vorgabe: Die Stücke sollten mit der Natur, den Bergen und der Tierwelt zu tun haben. Wegen der Corona-Bestimmungen war eine gemeinsame Probe erst am letzten Tag vor dem Auftritt möglich, verbunden mit dem erstmaligen Zusammenspiel mit Valentine Michaud – eine echte Herausforderung für Adelbodens Laienmusikanten.
In ihrer Anmoderation sprach Christine Lüthi von einer «Liebeserklärung an den Festivalort Adelboden». Schade war, dass ihr Werben nur 55 BesucherInnen erreichte. «Es ist bedauerlich, dass sich viele Menschen nicht auf ungewohnte musikalische Erlebnisse einlassen wollen», brachte es MG-Präsidentin Christine Schranz auf den Punkt.
Valentine Michaud, der «rote Faden»
Die 28-jährige Wahlschweizerin gehört zu den aufstrebenden Musikerinnen, die auch schon an den Preisträger-Konzerten des Swiss Chamber Music Festival aufgetreten sind. Sie liebt es, verschiedene Musikgenres miteinander zu verbinden. Seit Dezember 2020 wird Michaud durch eine der weltweit grössten Musikagenturen vertreten. Diese betreut Weltstars wie den Dirigenten Sir Simon Rattle, den Pianisten Daniel Barenboim und den Cellisten Yo Yo Ma.
RK