Aus den Sessionen
24.12.2021 LandwirtschaftDie letzte Parlamentssitzung des Jahres ist vorbei, im Zentrum stand dabei die Sanierung der Altersvorsorge, aber nicht nur. «Unsere» drei Nationalräte Jürg Grossen, Albert Rösti und Andreas Gafner ziehen Bilanz.
Die Schritte ...
Die letzte Parlamentssitzung des Jahres ist vorbei, im Zentrum stand dabei die Sanierung der Altersvorsorge, aber nicht nur. «Unsere» drei Nationalräte Jürg Grossen, Albert Rösti und Andreas Gafner ziehen Bilanz.
Die Schritte zur Sicherung der AHV und der Pensionskassen sind gelungen
Eine sichere Altersvorsorge gehört zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Am dringendsten ist die Sicherung der AHV. Es ist deshalb erfreulich, dass National- und Ständerat in dieser Wintersession eine neue AHV-Reform beschliessen konnten. Diese besteht im Wesent lichen aus vier Punkten: Erstens soll das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre angehoben und an das Rentenalter der Männer angepasst werden. Zweitens wird diese Anpassung sozial grosszügig abgefedert, indem neun Jahrgänge, die 55- bis 64-jährigen, die nach der Einführung der Reform in Pension gehen, einen Zuschlag, in Abhängigkeit von Alter und Einkommen bis zu 160 Franken pro Monat, erhalten werden. Drittens sollen neu 0,4 Prozent der Mehrwertsteuer zusätzlich in die AHV fliessen. Die Mehrwertsteuer muss dazu von aktuell 7,7 Prozent auf 8,1 Prozent erhöht werden. Schliesslich wird viertens die Flexibilisierung der Altersrente verbessert. Einerseits ist ein Rentenbezug mit Kürzungen schon ab 63 Jahren möglich. Andererseits kann bis 70 weitergearbeitet und die AHV-Rente damit aufgebessert werden.
Die Gewerkschaften haben das Referendum angekündigt. Ich erwarte aber, dass die Reform für ein «Ja» an der Urne genügend ausgewogen ist.
Der Nationalrat hat auch eine Sanierung der zweiten Säule gestartet. Diese besteht aus drei Elementen. Mit einer Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8 auf 6.0 soll erstens die Umverteilung von Geldern von Jung zu Alt gestoppt werden. Das heisst, pro 100 000 Franken gespartem Kapital erhalten Neurentner nicht mehr 6800 Franken, sondern nur noch 6000 Franken Rente, dies aufgrund der tiefen Zinsen und steigenden Lebenserwartung. Damit aber die Renten pro Jahr gleich hoch bleiben, besteht das zweite Element in einer Kompensation der entstehenden Verluste mit fixen Zuschlägen während 15 Jahrgängen, finanziert aus den Rückstellungsreserven der Pensionskassen und dem Sicherheitsfonds. Damit auch die unter 50-jährigen Personen dereinst keine Verluste bei der Rente erleiden, sollen als drittes Element die Lohnabzüge zur Finanzierung der 2. Säule der unter 45-Jährigen leicht erhöht und das Einstiegsalter auf 20 Jahre sowie der Koordinationsabzug gesenkt werden. Diese Reform geht nun in den Ständerat und wird wohl noch die eine oder andere Anpassung erfahren.
Mit der Zuversicht auf diese vielversprechenden Lösungen wünsche ich allen frohe Festtage und vor allem gute Gesundheit im neuen Jahr.
ALBERT RÖSTI, NATIONALRAT SVP
Die Reform der Altersvorsorge ist dringend nötig
Um die Altersrenten langfristig zu sichern, ist sowohl eine Modernisierung der AHV wie auch der Beruflichen Vorsorge (BVG) erforderlich. Die Differenz zwischen den Renten von Frauen und Männern beträgt 63 Prozent. Diese Differenz fällt fast vollständig beim BVG an. Teilzeitarbeitende – zu Dreiviertel sind es Frauen – können wegen des Koordinationsabzugs heute nur einen viel kleineren Teil ihres Einkommens im BVG versichern. Hinzu kommt eine wachsende Umverteilung von Erwerbstätigen zu den Rentnern. Das untergräbt den Sinn und Zweck des BVG. Eine Reform tut Not, auch weil seit mehr als zwanzig Jahren keine mehr gelungen ist.
Die Beratung der AHV haben wir abgeschlossen und beim BVG die erste Lesung gemacht. Das Rentenalter der Frauen wird dem der Männer angeglichen. Die betroffene Übergangsgeneration erhält als Kompensation einen Rentenzuschlag bei der AHV und beim BVG. Die Vorsorge für Teilzeitbeschäftigte, für Leute mit mehreren Arbeitgebern und mit kleinen Einkommen konnte verbessert werden, indem der Koordinationsabzug halbiert wird. Das Rentenalter wird weiter flexibilisiert: Wer kann und will, darf länger arbeiten und so seine Rente aufbessern. Viele Verbesserungen also.
Für beide Vorlagen steht eine Volksabstimmung an, weil sich die linken Parteien und die Gewerkschaften stur gegen jede Anpassung des Rentenalters mit einem Referendum zur Wehr setzen. Ich befürworte eine Volksabstimmung und werde mich für beide Vorlagen einsetzen. Ich bin überzeugt, dass die Angleichung des Rentenalters und die vielen Verbesserungen von der Bevölkerung breit getragen werden.
Corona- und Landwirtschaftspolitik: immer wieder dasselbe Lied
Obwohl auch der Bundesrat Handlungsbedarf bei der Tierhaltung ausgemacht und einen Gegenvorschlag unterbreitet hat, hat die Landwirtschaftslobby nach der Agrarpolitik 22+ (AP22+) und den Pestizidinitiativen wieder die Reihen geschlossen. Die Bauern bekämpfen sowohl die Massentierhaltungsinitiative als auch die Gegenvorschläge. Damit droht erneut ein gehässiger Abstimmungskampf mit unschönen Bildern und übertriebenen Behauptungen hüben wie drüben. Die Initian ten wollen insbesondere die industrielle Tierproduktion mit vielen Tieren auf engstem Raum und viel Antibiotika- und Futtermitteleinsatz ins Visier nehmen. Betroffen fühlen sich aber alle Tierhalter – auch die Bauern in unserer Region, die kaum oder gar nicht von der Initiative betroffen wären. Dass die Berglandwirtschaft schon heute weitgehend schonend und tierfreundlich produziert und deren Produkte mit anderen, aus weniger schonender und tierfreundlicher Produktion konkurrenzieren müssen, geht dabei komplett vergessen. Statt auf die eigenen Stärken zu bauen, solidarisieren sich die Berglandwirte mit den industriellen Fleischproduktionsbetrieben aus dem Mittelland. Mir fehlt dafür jedes Verständnis.
Leider steht die Schweiz in der Corona-Pandemie mitten in einer weiteren Welle mit beunruhigenden Aussichten. Zu wenig hat man aus den vorangegangenen Wellen gelernt, zu lange wird gezögert und vernehmlasst. Wir mussten das Covid-Gesetz an die neuen Gegebenheiten anpassen und die Wirtschaftshilfen verlängern. Wiederum tun sich SVP und EDU schwer mit dem Dazulernen, sie haben das Gesetz erneut abgelehnt, obwohl das Volk nun zweimal klar Ja gesagt hat. Ich hoffe sehr, dass uns Omikron nicht zusätzliche Probleme bereiten wird und wir rasch aus der Pandemie herauskommen und wünsche allen schöne Festtage, alles Gute und vor allem gute Gesundheit.
JÜRG GROSSEN, NATIONALRAT GLP
Leider kein ausgeglichenes Budget
Traditionsgemäss startet die Wintersession mit der Wahl des neuen Nationalratspräsidenten. In diesem Jahr wurde Irene Kälin (Grüne, AG) zur Präsidentin und somit zur höchsten Schweizerin für das kommende Jahr gewählt. Sie löst damit Andreas Aebi (SVP, BE) ab, dem ich doch hier ein paar Zeilen widmen will. Res Aebi, wie man ihn hier nennt, hat in seinem Präsidialjahr verbindend gewirkt. Mit seiner gewinnenden Art hat er den Austausch zwischen Land und Stadt gefördert. Auf seinen Auslandsreisen hat er in diversen Krisengebieten direkt mit Betroffenen, aber auch direkt mit Mitverantwortlichen gesprochen. So konnte Aebi auch als Staatsmann vollumfänglich überzeugen. Herzlichen Dank, Res, für deinen grossen Einsatz für unser schönes Land.
Voranschlag 2022
Mit gut 80 Milliarden Franken sind die Ausgaben etwa dreimal so hoch wie noch 1990. Erstaunlich eigentlich, dass die Einnahmen in fast gleichem Verhältnis gewachsen sind. Im aktuellen Voranschlag wurden zusätzliche Ausgaben von gegen 300 Millionen Franken beschlossen; er schliesst mit einem Defizit von rund zwei Milliarden Franken ab. Um die Schuldenbremse einzuhalten, hat das Parlament ein «Buebätrickli» oder, sagen wir, einen Kunstgriff gemacht und die Corona-Hilfen von 215 Millionen Franken an den ÖV und die 57,5 Millionen Franken für die Beschaffung von Medikamenten und Impfleistungen als ausserordentliche Ausgaben eingestellt. Leider ist ein ausgeglichenes Budget kein Ziel unseres Parlaments mehr.
Glücklicherweise haben wir mit Bundesrat Ueli Maurer einen hervorragenden Finanzminister, der mit grosser Fachkompetenz und riesiger Dossiersicherheit überzeugt und einen sehr guten Job macht.
Umstrittene Würde der Tiere
Die «Massentierhaltungsinitiative» war sicher aus landwirtschaftlicher Sicht das Geschäft mit der grössten Brisanz. Diese Initiative fordert, dass der Bund die Würde der Tiere in der landwirtschaftlichen Tierhaltung schützt. «Würde» wird definiert als «nicht in Massentierhaltung leben». In der Schweiz sind die Höchsttierbestände in der Fleisch- und Eierproduktion per Verordnung (SR 916.344) geregelt. Die Platzansprüche sind pro Tier festgelegt und bei einer Überbelegung gibt es Sanktionen, die finanziell weh tun! Die Schweiz hat weltweit das strengste Tierschutzgesetz. In meinem Referat zu diesem Geschäft ging ich vor allem darauf ein, dass betreffend Tierwohl nicht die Anzahl Tiere auf dem Betrieb massgebend sei, sondern vielmehr die verfügbare Infrastruktur, das Betriebsmanagement und die Eignung des Betriebsleiters.
Nicht besser als die Initiative schneidet meiner Meinung nach der direkte Gegenvorschlag des Bundesrates ab. Die Bewegung und das Tierwohl in Ehren, aber man kann nicht auf der einen Seite einen Nährstoffabsenkpfad vorantreiben und bei der nächsten Gelegenheit die eingesparten Emissionen zum Teil wieder freisetzen. Der Gegenvorschlag setzt vor allem auf mehr Auslauf für Nutztiere. Ich sehe hier einen Frontalangriff auf die vielen Anbindeställe. Gerade im Berggebiet, aber auch auf vielen kleineren Betrieben ist der Anbindestall nach wie vor weit verbreitet und eine sinnvolle Variante und kann auch Vorteile haben, zum Beispiel emissionsmässig oder auch vom Platzbedarf her. Die Argumente der Initiativbefürworter sind für Praktiker wie mich schwer nachvollziehbar.
Der Nationalrat lehnte den direkten und den indirekten Gegenvorschlag ab. Die Initiative lehnte er mit 111 zu 60 doch recht deutlich ab. Ich bin zuversichtlich, dass das Volk dies ebenfalls tun wird.
ANDREAS GAFNER, NATIONALRAT EDU