Eine Schule zieht die Reissleine

  10.12.2021 Coronavirus, Frutigen

Die Oberstufenschule (OSS) ist seit Mittwoch dieser Woche wegen zahlreicher Corona-Infektionen geschlossen. Der Schulbetrieb sei zuletzt fast nicht mehr möglich gewesen, hiess es zur Begründung. Auch andere Schulen im Tal kämpfen mit der Situation – wie auch die kantonalen Behörden.

MARK POLLMEIER
Seit Ende November war die Frutiger OSS stark von Corona-Infektionen betroffen. Das hatte unmittelbare Folgen für den Schulbetrieb: Ab einem positiven Fall in einer Schulklasse galt für alle Lehrpersonen und für SchülerInnen ab der 5. Klasse eine einwöchige Maskenpflicht, so hatte es der Kanton angeordnet. Ab zwei bis drei positiven Fällen innerhalb von fünf Tagen musste ein Ausbruchstesten durchgeführt werden. Doch dieses vom Contact Tracing angeordnete Testen gestaltete sich zuletzt schwierig – wegen der Vielzahl von Covid-Fällen an den bernischen Schulen waren Behörden und Labors zeitweise überlastet. So hatten etwa viele Eltern Schwierigkeiten, die persönlichen Daten ihrer Kinder per Handy einzugeben (siehe auch Kasten).

«Schulbetrieb am Limit»
Anfang dieser Woche verschickte die Bildungsabteilung der Gemeinde Frutigen einen Rundbrief. Eltern und SchülerInnen wurden darin informiert, dass an der OSS ab Mittwoch, dem 8. Dezember, wieder der Fernunterricht eingeführt wird. Seit Ende November waren an der Schule drei Ausbruchstestungen durchgeführt worden, rund 30 Personen hatten ein positives Ergebnis erhalten – darunter auch Lehrpersonen. Die allermeisten Klassen seien seit einiger Zeit nicht mehr komplett, für die ausfallenden LehrerInnen könnten kaum Stellvertretungen organisiert werden, heisst es in dem Schreiben. «Kurz gesagt: Der Schulbetrieb läuft am Limit.» Man habe sich deshalb entschieden, den Präsenzunterricht der gesamten OSS vom 8. bis zum 17. Dezember einzustellen. Einzelne Klassen in die Quarantäne zu schicken, hatte in dieser Situation offenbar keinen Sinn mehr. Am 20. Dezember will man wieder zum Präsenzunterricht zurückkehren, wie Heidi Schmid, Abteilungsleiterin Bildung, auf Nachfrage informiert.

Angesichts der hohen Infektionszahlen im Tal – einzelne Gemeinden hatten zuletzt Inzidenzwerte von deutlich über 2000 – ist die OSS Frutigen nicht die einzige Schule im Tal, die mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen hat. Aktuell läuft auch an der Schule Kandergrund das Ausbruchstesten in der 3. bis 6. Klasse, und auch Schulklassen in Reichenbach haben das Prozedere (dreimal testen innert zwölf Tagen) gerade absolviert. Die Vorgänge zeigen, dass viele Schulen im Schatten der Corona-Schlagzeilen enormen organisatorischen Belastungen ausgesetzt sind – zumal auch das Kantonsarztamt offenbar mit der Bearbeitung der Fälle kaum hinterherkommt.

Kritik am Test-Konzept des Kantons
Die Strategie des Kantons Bern, nicht mehr regelmässig, sondern nur noch bei Ausbrüchen zu testen, ist zuletzt immer wieder kritisiert worden – von Lehrpersonen, aber auch von Elternseite. Doch der Kanton blieb bei seiner Linie: Erst vor einigen Tagen hat der Grosse Rat einer SP-Forderung nach wöchentlichen Reihentests eine Absage erteilt. Solche Massentests würden lediglich eine Scheinsicherheit vermitteln, so die Argumentation. Sie brächten gegenüber dem Ausbruchstesten keinen erkennbaren Mehrwert und führten überdies dazu, die Laborkapazitäten noch mehr zu beanspruchen. Der Kanton ging sogar so weit, Gemeinden Massentests zu untersagen – selbst, wenn diese sie auf eigene Rechnung durchführen wollten.

Anderen geht es nicht besser
So ärgerlich dies für die testwilligen Schulen sein mag: Ein Vergleich, den die «Berner Zeitung» am Mittwoch veröffentlichte, gibt den Berner Behörden prinzipiell recht. So haben die Kantone Basel-Stadt, Graubünden und Zug, in denen weiterhin Massentests durchgeführt werden, ähnlich hohe oder sogar höhere Ansteckungszahlen wie der Kanton Bern – und zwar bei SchülerInnen wie bei Erwachsenen. Dass die wöchentlichen Reihentests in dieser Hinsicht Vorteile hätten, ist also nicht zu erkennen. Nicht das Testen, sondern lediglich die Herbstferien hatten das Infektionsgeschehen bisher verlangsam können. Ob sich dieser Effekt mit den Weihnachtsferien wiederholen lässt, bleibt abzuwarten.

LehrerInnen bevorzugt boostern
Die Berner Gesundheitsbehörden prüfen derzeit, ob es für LehrerInnen und Schulpersonal einen prioritären Zugang zur sogenannten Booster-Impfung geben könnte. Das geht aus einer Antwort der Kantonsregierung auf eine Anfrage des Grossen Rates hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Auch im Rahmen der Erstimpfungen hatte es im letzten Mai schon einmal bevorzugte Impftermine für Personen gegeben, die durch ihren Beruf einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind.


Nachbessern beim Contact Tracing

Wie diese Woche bekannt wurde, will der Kanton das bernische Contact Tracing ab Januar zum Personalvermittler Adecco auslagern. Der Grund dafür ist, dass schon die Personalabteilung der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion mit dem stetig wachsenden Personalbedarf überfordert ist – mit entsprechenden Folgen für das Funktionieren des Contact Tracings insgesamt.

POL


Nachtrag:

Wie nach Redaktionsschluss bekannt wurde, wird die Bildungsdirektion die Berner Volksschulen offenbar verfrüht in die Weihnachtsferien schicken. Statt am 24. Dezember sollen die Ferien bereits am 22. Dezember beginnen – dies wegen der anhaltend schwierigen Corona-Situation an vielen Schulen. Ob die OSS Frutigen unter diesen Umständen im laufenden Jahr noch einmal zum Präsenzunterricht zurückkehren wird, ist somit fraglich.
Auch in anderen Kantonen läuft aktuell die Diskussion um einen vorzeitigen Beginn der Weihnachtsferien. Es ist anzunehmen, dass viele es ähnlich handhaben werden wie der Kanton Bern.


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