Geld oder Umweltbewusstsein?
14.01.2022 LandwirtschaftSchon zum dritten Mal innert gut zehn Jahren wird im Kanton Bern über die Motorfahrzeugsteuer abgestimmt. Die Argumente haben sich seit dem letzten Mal kaum verändert. Ob das auch für die Klimasituation gilt, darüber gehen die Meinungen auseinander.
MARK POLLMEIER
Schon zum dritten Mal innert gut zehn Jahren wird im Kanton Bern über die Motorfahrzeugsteuer abgestimmt. Die Argumente haben sich seit dem letzten Mal kaum verändert. Ob das auch für die Klimasituation gilt, darüber gehen die Meinungen auseinander.
MARK POLLMEIER
Den Bernern sagt man nach, sie seien nicht die schnellsten. Da passt es ins Bild, dass sie am 13. Februar über ein Anliegen abstimmen, dass vor genau 11 Jahren schon einmal Thema war. Am 13. Februar 2011 kam die sogenannte EcoTax-Vorlage an die Urne – Eco wie ökologisch, Tax wie Steuern. Vorgesehen war damals, die Grundsteuer für Motorfahrzeuge leicht zu senken. Für verbrauchsarme Fahrzeuge sollte es zudem einen Bonus geben, «Abgasschleudern» sollten mit einem Malus belegt werden. «EcoTax» schaffe Anreize zum Kauf energieeffizienter Fahrzeuge, argumentierte der Kanton damals. Die Senkung der Grundsteuer, die Mindereinnahmen von 20 Millionen Franken entsprochen hätte, sei finanzpolitisch verkraftbar.
Doch es kam ganz anders. Der Garagist Hannes Flückiger aus dem Oberaargau bodigte die EcoTax-Vorlage des Parlaments mit einem Volksvorschlag quasi im Alleingang. Statt sie ökologischer zu gestalten, wurde die Berner Motorfahrzeugsteuer um 33 Prozent gesenkt (siehe auch Kasten). Damit rutschte der Kanton Bern bei der Motorfahrzeugsteuer ins günstigste Drittel der Kantone.
Ausnahmen für gewisse Fahrzeugtypen
Am 13. Februar 2022 ist es wieder so weit: Regierungsrat und Parlament wollen die Autosteuer neu ausrichten. Die Steuer für Personen-und Lieferwagen soll künftig nicht mehr allein nach dem Gewicht des Fahrzeugs, sondern auch nach dem CO2-Ausstoss bemessen werden. Motorräder will man neu nach Gewicht und Motorenleistung besteuern.
Die neue Bemessungsgrundlage soll – wie schon 2011 – Anreize für die Anschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge schaffen. Nicht betroffen sind Lastwagen, Sattelschlepper, Anhänger und landwirtschaftliche Fahrzeuge: Für sie wird es keine Änderungen geben.
Sonderregelungen sind überdies für Lieferwagen geplant. Diese werden künftig ebenfalls nach Gewicht und CO2-Ausstoss besteuert. Weil Lieferwagen jedoch typische Gewerbefahrzeuge sind, sollen für sie tiefere Ansätze gelten.
In einer Beispielrechnung des Kantons müsste man für einen Lieferwagen von 3,2 Tonnen Gesamtgewicht, mit 2-Liter-Maschine und 150 PS jährlich gut 30 Franken mehr zahlen. Pistenfahrzeuge schliesslich wären nach dem Neuzuschnitt komplett von der Motorfahrzeugsteuer befreit.
Steuern rauf, Steuern runter
Das aber ist noch nicht alles. Nach dem Willen von Regierungsrat und Grossratsmehrheit soll die Motorfahrzeugsteuer gleichzeitig rund 40 Millionen Franken Mehreinnahmen generieren, also teurer werden. Für gängige Mittelklassewagen mit Allradantrieb würde das rund 50 Franken Mehrkosten pro Jahr bedeuten, so die Beispielrechnung des Kantons. Im Gegenzug will der Kanton die Steuern für natürliche Personen senken. Insgesamt soll sich so ein steuerliches Nullsummenspiel ergeben – bei dem jedoch Eigentümer von schweren und leistungsstarken Fahrzeugen schlechter wegkommen würden.
Anders als 2011 geht diesmal kein Einzelkämpfer gegen die neue Motorfahrzeugsteuer vor. Gleich zwei Komitees wollen die Gesetzesrevision mittels Referendum verhindern: einmal die SVP / Junge SVP, zum Zweiten der «Bund der Steuerzahler».
Veränderter Fahrzeugmarkt
Die Argumente sind auf beiden Seiten nicht neu, sie ähneln jenen von 2011. Die Befürworter der Vorlage argumentieren mit dem Handlungsbedarf in Sachen Ökologie und Klimaschutz, der in den vergangenen zehn Jahren noch deutlich dringlicher geworden sei. Sie verweisen dabei auch auf die Veränderungen des Fahrzeugmarkts. Einerseits seien benzinbetriebene Autos – Stichwort SUV – in diesem Zeitraum insgesamt immer grösser, schwerer und leistungsstärker geworden. Andererseits habe sich das Angebot an verbrauchs- und schadstoffärmeren Fahrzeugen, insbesondere mit Elektro- und Hybridantrieb, deutlich vergrössert. Sprich: Es ist heute leichter, ein Fahrzeug mit geringem CO2-Ausstoss zu fahren als noch vor einigen Jahren (siehe auch Artikel unten).
Mehrkosten für alle befürchtet
Die Gegner sehen indes vor allem die Mehrkosten für die autofahrende Bevölkerung. Hervorgehoben werden dabei insbesondere Familien, die meist ein grösseres Auto benötigen, Gewerbler, die Fahrzeuge zur Ausübung ihres Beruf brauchen, sowie die Landbevölkerung, die generell weniger leicht auf den motorisierten Verkehr verzichten können. Wegen der Benachteiligung dieser Gruppen sei die Vorlage unfair, auch die parallele Senkung der Steuern für natürliche Personen gleiche die anfallenden Mehrkosten nicht aus – zumal sich Produkte und Dienstleistungen verteuern könnten, wenn Gewerbler ihre Mehrkosten auf die Kunden umlegen.
Verschiedentlich wird auch darauf hingewiesen, dass die letzte Abstimmung über die Motorfahrzeugsteuer noch nicht allzu lange zurückliege und der damalige Wille des Volkes zu akzeptieren sei.
Bestritten wird schliesslich das ökologische Argument der Debatte. Selbst wenn die neu konzipierte Steuer eine leichte Lenkungswirkung habe: gemessen am globalen CO2-Aufkommen mache der Anteil des Kantons Bern quasi keinen Unterschied, finden manche Gegner des revidierten Gesetzes.
Was darf der gute Wille kosten?
Die Wirksamkeit kantonaler Ökopolitik ist ein interessanter Punkt. Erst im vergangenen September hatte die Berner Bevölkerung mit knapp 64 Prozent dafür gestimmt, einen Klimaartikel in die Kantonsverfassung aufzunehmen. Dieser schreibt vor, dass der Kanton Bern und die Gemeinden sich gegen den Klimawandel und seine Folgen engagieren sollen. Das beutetet unter anderem: Bis 2050 soll der Kanton Bern klimaneutral sein. Im neuen Klimaartikel steht allerdings auch: Alle Klimamassnahmen sollen die Volkswirtschaft stärken und sozialverträglich sein (Artikel 31a, Satz 3).
Am 13. Februar wird sich zeigen, ob das Berner Stimmvolk die neue Motorfahrzeugsteuer in dieser Hinsicht für gelungen erachtet.