Gerechtfertigte Unterstützung?
25.01.2022 LandwirtschaftFür einmal betrifft uns als Zeitung eine nationale Abstimmung direkt: Je nachdem, ob die Medienförderung des Bundes angenommen wird oder nicht, hat dies einen unmittelbaren Einfluss auf die Weiterentwicklung des «Frutigländers». Ich möchte darum die Gelegenheit nutzen, unsere eigene Betroffenheit aufzuzeigen. Und was für uns gilt, dürfte auch für zwei Drittel der 170 geförderten Printtitel gelten, Lokal- und Regionalzeitungen, die eine Auflage von weniger als 10 000 Exemplaren haben.
Die Ereignisse vom Frühjahr 2020 haben gezeigt, wie schnell eine Lokalzeitung von der Bildfläche verschwinden kann. Wegen der Corona-Pandemie stand der «Frutigländer» damals vor dem Aus. Dass es nicht so weit kam, haben wir der Solidarität unserer Leserinnen und Leser zu verdanken – und dem Willen der Gemeinden, zum Erhalt der Zeitung ihren Beitrag zu leisten. Beides war ein Bekenntnis, dass die lokale Berichterstattung wichtig ist – für den Zusammenhalt im Tal, für das gegenseitige Verständnis und für die politische Meinungsbildung.
Trotz Solidarität und Unterstützung musste der «Frutigländer» infolge der f inanziell angespannten Lage die Redaktion verkleinern und den Abonnementspreis erhöhen. Überdies waren wir g ezwungen, wichtige Projekte zur Weiterentwicklung zu verschieben, allen voran den Ausbau der digitalen Schiene. Was für das Frutigland im Kleinen zutrifft, gilt für die Medien im ganzen Land: Wegbrechende Inseraterträge können nur durch den Abbau in den Redaktionsstuben aufgefangen werden. Der dringend notwendige Ausbau des digitalen Angebots wird dadurch hinausgezögert, kleine Zeitungen verschwinden, werden zusammengelegt oder von Mäzenen aufgekauft.
Dem will das Förderpaket des Bundes entgegenwirken. Wie im Frutigland, wo die Stützungs beiträge der Gemeinden auf zwei Jahre beschränkt waren, ist im Mediengesetz eine Befristung auf maximal sieben Jahre vorgesehen.
Ist der «Frutigländer» durch die Unterstützung der Gemeinden zum Sprachrohr für Einzelinteressen geworden? Nein. Die finanzielle Übergangshilfe war nie an irgendwelche Bedingungen geknüpft. Auch wenn unsere Leserinnen und Leser wohl nicht immer derselben Meinung sind, kann ich als Verleger versichern, dass wir unser journalistisches Handwerk täglich mit grosser Gewissenhaftigkeit ausüben, indem wir die Fakten sorgfältig prüfen und der Ausgewogenheit ein grosses Gewicht beimessen. Der Einblick, den wir durch unsere professionelle Tätigkeit in die Redaktionen verschiedener Zeitungen haben, widerlegt die Behauptung, die klassischen Medien seien «Staatsmedien». Auf jeden Fall hätte ich in unseren Reihen noch nie solche Tendenzen beobachten können.
Mit der Medienförderung könnte der «Frutigländer» voraussichtlich während der kommenden sieben Jahre mit einem erhöhten Unterstützungbeitrag rechnen. Mit diesen Mitteln wollen wir die Redaktion wieder aufstocken (und damit Arbeitsplätze schaffen) und das digitale Angebot ausbauen. Wer die Medienförderung nun ablehnt, weil davon ja nur «die Grossen» profitieren würden, nimmt damit in Kauf, dass auch die Kleinen leer ausgehen – Zeitungen wie der «Frutigländer». Viele verkennen überdies, dass die grossen Verlage eine ganze Reihe Regionalzeitungen herausgeben – Titel, die rein wirtschaftlich betrachtet langfristig einen schweren Stand hätten.
Ich bin weit davon entfernt, den Verlagshäusern und Redaktionen ein ausschliesslich gutes Zeugnis auszustellen. Man kann immer vieles anders und sicher manches besser machen. Aber «die Medien» pauschal als befangen zu erklären und ihnen schlechte Absichten zu unterstellen, ist ein zu hartes Urteil und von der Realität nicht gedeckt. Tatsache ist jedoch, dass vor allem die Presse einerseits gegen Fake-News kämpft und andererseits mit sinkenden Einnahmen klarkommen muss. Dabei eine Zeitlang unterstützt zu werden, finde ich nicht zuletzt aus gesellschaftspolitischen Erwägungen gerechtfertigt.
RICHARD MÜLLER,
VERLEGER «FRUTIGLÄNDER»