Ausschluss des Patriarchen gefordert
08.03.2022 RegionAuf die russisch-orthodoxe Kirche konnte sich Präsident Wladimir Putin stets verlassen, das ist auch während des Ukraine-Kriegs nicht anders. Der frühere Frutiger Pfarrer Ruedi Heinzer hat nun beim Ökumenischen Rat der Kirchen interveniert.
MARK POLLMEIER
Am 23. ...
Auf die russisch-orthodoxe Kirche konnte sich Präsident Wladimir Putin stets verlassen, das ist auch während des Ukraine-Kriegs nicht anders. Der frühere Frutiger Pfarrer Ruedi Heinzer hat nun beim Ökumenischen Rat der Kirchen interveniert.
MARK POLLMEIER
Am 23. Februar, dem «Tag der Verteidiger des Vaterlands», werden in Russland seit Jahrzehnten die Streitkräfte gefeiert. Die russisch-orthodoxe Kirche lässt es sich nicht nehmen, dem jeweiligen Staatsoberhaupt alljährlich zu gratulieren. So war es auch in diesem Jahr. «Heute ehren wir die Leistung derer, die einen verantwortungsvollen Militärdienst leisten, über die Grenzen ihres Heimatlandes wachen und sich um die Stärkung seiner Verteidigungsfähigkeit und nationalen Sicherheit kümmern» – so schrieb Patriarch Kyrill I., das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, an seine «Exzellenz, den lieben Wladimir Wladimirowitsch». Zur Erinnerung: In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar befahl jener Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine.
Militärdienst als Akt der Nächstenliebe
Der Krieg gegen das Nachbarland ist in der russisch-orthodoxen Kirche bislang kein Thema, Patriarch Kyrill I. hat sich dazu nicht direkt geäussert. Stattdessen lässt er keine Gelegenheit aus, dem Staatspräsidenten und dem Militär seine Unterstützung zu versichern. Die russisch-orthodoxe Kirche sehe im Militärdienst eine aktive Gestalt der Nächstenliebe, schrieb Kyrill an Putin, «ein Beispiel für die Treue zu den hohen moralischen Idealen der Wahrheit und Güte». Wladimir Putin wünscht das Kirchenoberhaupt eine «starke Gesundheit, Seelenfrieden und reiche Hilfe des Herrn in Ihrem hohen und verantwortungsvollen Dienst am russischen Volk». Auf eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs oder auch nur eine kritische Anmerkung dazu wartete man bisher vergebens.
Der frühere Pfarrer Ruedi Heinzer nennt diese passive Haltung der russisch-orthodoxen Kirche unchristlich. In einem Brief fordert er den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) auf, zu handeln.
«Frutigländer»: Ruedi Heinzer, was haben Sie dem ÖRK geschrieben?
Ich habe dem ÖRK-Präsidium geschrieben, es sei an der Zeit, die Mitgliedschaft des Patriarchen Kyrill und seiner russisch-orthodoxen Kirche zu sistieren, bis er öffentlich die russische Aggression verurteilt und seinen Freund Putin auffordert, jede Gewalt sofort zu stoppen.
Warum sollte Kyrill ausgeschlossen werden?
Als die reformierte Kirche in Südafrika die Apartheid, also die systematische Rassentrennung, unterstützte, wurde sie damals auch ausgeschlossen. Der jetzige Aggressionskrieg gegen die Ukraine ist ebenso schlimm wie die Apartheid.
Was versprechen Sie sich davon, die Mitgliedschaft von Patriarch Kyrill zu sistieren?
Kyrill weiss, dass in der Christenheit «Kirchenzucht» gilt: Grosse Sünder, die nicht bereit sind umzukehren, werden ausgeschlossen. Wenn also die Mehrheit der christlichen Kirchen die Mitgliedschaft einer Kirche aussetzt, kommt das einer temporären Exkommunikation gleich. Kyrill soll merken: Man kann nicht Oberhaupt einer christlichen Kirche sein und über militärische Aggression mit unzähligen Opfern stillschweigend hinwegsehen, ohne dass es Konsequenzen hat.
Pfarrer Ruedi Heinzer war früher Synodalrat und Mitglied des Rates der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz.
Der Ökumenische Rat der Kirchen oder Weltkirchenrat mit Sitz in Genf wurde 1948 gegründet und gilt als zentrales Organ der ökumenischen Bewegung. Er ist ein weltweiter Zusammenschluss von rund 350 Mitgliedskirchen in mehr als 120 Ländern auf allen Kontinenten der Erde. Diese vertreten 580 Millionen Christinnen und Christen weltweit.