Bewaffnete Neutralität und humanitäre Tradition

Eine Woche vor der Frühjahrssession erwarteten die meisten Parlamentarier etwas Normalität. Leider kam es anders. Während die Auseinandersetzungen rund um Corona schon wie aus einer anderen Zeit schienen, beschäftigte sich das Parlament notgedrungen mit den Auswirkungen rund um die Ukraine-Krise. Dabei rückten Schweizer Werte wie die bewaffnete Neutralität und die humanitäre Tradition in den Vordergrund der Diskussion. Zu Beginn der Session verabschiedete das Parlament eine Deklaration, mit der neben der klaren Verurteilung des Angriffskrieges der Bundesrat aufgerufen wurde, die Sanktionen der EU zu übernehmen.
Weshalb hat die SVP-Fraktion diese Deklaration mehrheitlich abgelehnt? Selbstverständlich verurteilt auch die SVP den Krieg und den Angreifer Putin in voller Schärfe. Es ist auch richtig, dass die Schweiz Sanktionen gegen Russland getroffen hat. Diese müssten aber eigenständig sein. Sie dürfen nicht einfach von einer Seite, in diesem Fall der EU, die immerhin Waffen in diesen Krieg liefert, übernommen werden, wenn die für unsere Sicherheit seit 200 Jahren massgebliche Neutralität geschützt werden soll. Nicht unerwartet hat am Tag nach der Erklärung die Weltpresse geschrieben, die Schweiz habe die Neutralität aufgegeben.
Das muss mindestens kommunikativ korrigiert werden. Einerseits, damit die Schweiz auch in Zukunft ihre guten Vermittlerdienste wahrnehmen kann, und andererseits, damit unsere Sicherheit langfristig gewahrt wird. Denn so ungläubig und verständnislos wir heute in die Ukraine blicken, so wenig wissen wir, was in 20 oder 30 Jahren in unserer Region passieren wird.
Unbestritten ist, dass die Schweiz zur Sicherung der Neutralität in der Lage sein muss, ihr Territorium selbst zu verteidigen. Dazu muss unsere Armee wieder mehr Gewicht bekommen. Während die Nato von ihren Staaten erwartet, dass mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in die Rüstung investiert werden, sind es bei uns aktuell gerade mal 0,7 Prozent. Wir haben deshalb noch während der Session eine Aufrüstung auf vorerst 1 Prozent des BIP von 5 auf 7 Milliarden Franken gefordert. Unbestritten dürfte in diesem Umfeld sein, dass der Kampfjet F-35 zum Schutz unseres Luftraums und als Ersatz der F/A-18 nötiger ist denn je und rasch angeschafft werden muss.

Humanitäre Tradition
Die Schweiz ist auch unter Wahrung der Neutralität und nebst eigenständigen berechtigten Sanktionen keineswegs zum «Nichtstun» verdammt. Dass unsere humanitäre Tradition mehr als eine Worthülse ist, zeigt sich aktuell wie schon lange nicht mehr. Die Höhe der Spenden und das grosse Angebot an privaten Unterkünften für die schutzsuchenden Ukrainer ist beispiellos. Gleichzeitig werden Kantone und Bund gefordert sein
– bei der Unterbringung aller Flüchtlinge, aber ebenso bei der Hilfe vor Ort. Die Parteien waren sich einig, dass die Einführung des vereinfachten Verfahrens mit der erstmaligen Anwendung des Schutzstatus S völlig richtig ist.

ALBERT RÖSTI, NATIONALRAT SVP

POLITISCHES PARKETT

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