Solche Einigkeit gibt es selten: Vertreter sämtlicher Grossratsfraktionen haben eine gemeinsame Motion eingereicht und fordern eine Gesetzesänderung. Es geht um ein Problem, das vielen Gemeinden zu schaffen macht – gerade jenen im Berggebiet.

MARK POLLMEIER
Im vergangenen Dezember fand in Kandersteg eine Infoveranstaltung zur Problematik rund um den Spitzen Stein statt. Dabei kam auch das Thema Geschiebe zur Sprache. In früheren Jahren transportierte der Oeschibach pro Jahr zwischen 2000 und 5000 m3 Geschiebe in Richtung Dorf. In den vergangenen zwei Jahren fielen jeweils etwa 30 000 m3 Material an – eine Folge der immer wieder vorkommenden Rutschungen aus dem Gebiet Spitzer Stein. Weil Teile davon für den Bau der Schutzdämme verwendet wurden, stellte die Entsorgung bisher noch kein grösseres Problem dar.

Das aber könnte sich in Zukunft ändern. Wenn alle geplanten Schutzbauten fertiggestellt sind, müssen die nachfolgenden Geschiebeeinträge abtransportiert werden – vor allem dann, wenn im Oeschibach nach einem Abbruchereignis 100 000 oder mehr Kubikmeter anfallen würden.

Abtransport verursacht enorme Kosten
Kandersteg ist mit dieser Problematik kein Einzelfall. Auch in anderen Orten fallen durch Naturereignisse regelmässig grössere Gesteinsmengen an, etwa in Reichenbach (Chiene) oder in Adelboden (Schrenzigraben). Im Nachbartal sind beispielsweise die Lenk (Simme) oder St. Stephan (Mattenbach) betroffen.

Die Situation ist überall ähnlich: Weil das anfallende Material vor Ort nicht oder nur in geringer Menge deponiert werden kann, muss man es abtransportieren lassen. Das jedoch verursacht enorme Kosten. Eine Lastwagenladung umfasst etwa 10 bis 12 Kubikmeter – man kann sich ausrechnen, wie viele Fahrten bei grösserem Geschiebeeintrag nötig wären. Hinzu kommen die Lärmund die Umweltbelastung vor Ort und entlang der Transportstrecke.

«Nicht nachhaltig» sei das, findet eine Gruppe von GrossrätInnen aller Parteien. Abgesehen von den Kosten und den Umweltaspekten komme noch hinzu, dass im Kanton Bern ohnehin ein akuter Deponienotstand herrsche, schreiben sie in ihrer Motion. Das knappe Deponievolumen für teures Geld mit Material aus Hochwasserereignissen aufzufüllen, sei deshalb wenig sinnvoll – zumal der Klimawandel dafür sorgen dürfte, dass künftig noch mehr Geschiebe anfallen wird.

Hohe Hürden für die Lagerung vor Ort
Eine Alternative zu dessen Abtransport wäre es, das anfallende Material vor Ort zu lagern – oder wenigstens zwischenzulagern, bis es verkauft oder verwendet werden kann. Doch die rechtlichen und zeitlichen Hürden dafür sind hoch. Zwar könnten die Regionen in ihrer Richtplanung spezielle Deponien für Material aus Naturgefahrenereignissen vorsehen, sogenannte «Inertstoffdeponien Naturgefahren». Im ganzen Kanton wurde bisher aber noch keine solche Deponie in einem regionalen Richtplan Abbau, Deponie, Transporte (ADT) festgesetzt. Ein Grund dafür mag das langwierige Verfahren sein: Vom Start der Richtplanung bis zur Genehmigung eines Deponieprojekts dauert es acht bis zehn Jahre.

Hinzu kommt, dass solche Deponieprojekte nicht von den Schwellenkorporationen, sondern von den Gemeinden mittels kommunaler Überbauungsordnungen geplant werden müssen. Die Genehmigung erfolgt dann durch das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR).

Bewilligung im Wasserbauplanverfahren?
«Dieses Prozedere dauert zu lange und ist zu träge», so die Einschätzung der Grossrätinnen und Grossräte. Bewirtschaftungs- und Lagerplätze für Geschiebe müssten im Notfall rasch aktiviert werden können – die heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen seien dafür jedoch nicht geeignet.

Das derzeit gültige Wasserbaugesetz lässt die Bewilligung solcher Standorte über ein Wasserbauplanverfahren nicht zu. Das aber wäre im Sinne der Einheit der Materie nur konsequent, finden die Motionäre. Und es hätte in ihren Augen weitere entscheidende Vorteile: Für den Notfall sieht das Wasserbaugesetz ein beschleunigtes Verfahren vor. So könnten im Bedarfsfall Jahre gewonnen werden, die sonst für das Bewillgungsverfahren aufgewendet werden müssten. Dadurch könnte auch die Richtplanung ADT in den betroffenen Regionen entlastet werden, weil der zeitlich unberechenbare Geschiebeanfall nicht mehr berücksichtigt werden müsste bzw. die raren Deponien nicht mit unnötigem, weil teilweise noch brauchbarem Material belastet würden.

Die Motion mit dem Titel «Deponie von Geschiebe aus Naturereignissen – dringender Handlungsbedarf!» wurde von den einreichenden Grossräten als dringlich deklariert. Da Naturereignisse stetig zunehmen würden, gebe es baldigen Handlungsbedarf. Der Dringlichkeit wurde jedoch nicht stattgegeben, sodass die Motion zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt wird.

An der fraktionsübergreifenden Motion beteiligt sind Jakob Schwarz (EDU, Adelboden), Ernst Wandfluh (SVP, Kandergrund.), Jürg Rothenbühler (Mitte, Rüderswil), Luc Mentha (SP, Liebefeld), Tabea Bossard-Jenni (EVP, Oberburg), Beat Kohler (Grüne, Meiringen), Casimir von Arx (glp, Schliern b. Köniz). Sprecher der Gruppe ist Peter Flück (FDP, Interlaken).

Wohin mit dem Geschiebe?

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