Das erste Puzzlestück ist gesetzt

  12.07.2022 Adelboden, Tourismus

Das Dorf feierte am Samstag die Eröffnung des Höchst-Trails. Die Bikestrecke steht am Beginn eines langfristigen Ziels: die Region Adelboden-Lenk als Bikeland zu etablieren. Neue Routen sind daher bereits angedacht. GALERIE

RETO KOLLER
Die Kinder der Bikeschule Adelboden sind ganz kribbelig und posieren in ihrer Bikemontur gerne vor der Fotokamera. Ihre Mission: die Jungfernfahrt auf dem Höchst-Trail. Endlich haben die Erwachsenen aufgehört zu reden. Die Kinder düsen los und kurven unter den Augen des Publikums talwärts. Bald darauf folgen ihnen weitere Bike-Erprobte. Sie bauen gar Sprünge ein. Aber auch weniger geübte Biker wagen das Abenteuer. Vorsichtig, aber zielstrebig steuern sie durch den geschlängelten Weg.

Der 3800 Meter lange Trail führt von der Bergstation Höchsthorn auf 1900 Höhenmetern via Chuenisbärgli hinunter ins Bergläger. Auf der mit 50 Kurven und vielfältigen Hindernissen gespickten Piste überwinden die Bikerinnen und Biker 410 Höhenmeter bei einem Gefälle von durchschnittlich 10 Prozent.

Björn Luginbühl ist Leiter Technik bei den Bergbahnen Adelboden AG (BAAG). Er ist Initiant und Projektleiter des Biketrails und stellt sich den Fragen dieser Zeitung.

«Frutigländer»: Björn Luginbühl, erzählen Sie uns etwas über die Geschichte des neuen Trails.
2016 besuchte ich die Region Chamonix, um zu biken. Das Erlebnis liess mich nicht mehr los. Wie könnten wir in unserer Region Vergleichbares anbieten, fragte ich mich. Der Verwaltungsrat der BAAG hatte ein offenes Ohr für meine Idee und gab grünes Licht für die Planung eines Bikenetzes in Zusammenarbeit mit der Lenk Bergbahnen AG. Unsere Vision ist es, aus dem bekannten Skigebiet Adelboden-Lenk eine ebenso beliebte Bikeregion zu machen. Das Sommergeschäft wird angesichts des Klimawandels immer wichtiger.

Seit der Idee sind nun einige Jahre vergangen. War die Realisierung kompliziert?
Jeder Trail ist ein markanter Eingriff in die Landschaft. Es war schwierig, ein Einvernehmen mit den Landeigentümern, dem Amt für Gemeinden und Raumordnung AGR, dem Naturschutz und den Interessen der Bahnen zu finden. Zunächst stiessen wir auf Zurückhaltung bei der Alpschaft, im Lauf der Gespräche wuchs aber das Verständnis. Auch das AGR war skeptisch. Als wir den Behörden aufzeigten, dass bereits eine Sommernutzung des Berges bestand, öffnete sich eine Türe zu einem schnelleren Verfahren in der entstehenden Überbauungsordnung. Wir mussten uns mit drei Einsprachen auseinandersetzen. Letztlich konnten wir uns aber mit allen einigen und dem Baustart im vergangenen Herbst stand nichts mehr im Wege.

Sie eifern damit den erfolgreichen Destinationen in Graubünden und im Wallis nach. Sind Sie nicht um Jahre zu spät dran?
Das glaube ich nicht. Biken ist ein «Jeder-kann-mitmachen»-Markt. Das Bündnerland und das Wallis sind bereits stark auf diesem Gebiet, doch im Berner Oberland hat es noch genügend Platz. Wir haben die Landschaft, die Transportanlagen und den Ruf als Top-Skigebiet. Wir können auch als Tummelplatz für BikerInnen erfolgreich sein.

Wie lief die Finanzierung?
Es war klar, dass die Bergbahnen die Investitionen nicht allein stemmen können. Wegweisend war der Gemeindeversammlungsbeschluss vom 4. Mai 2018. Die Adelbodner StimmbürgerInnen sprachen mit nur zwei Gegenstimmen 250 000 Franken für das Projekt «Bikeland Adelboden-Lenk – dänk». Das ebnete den Weg in den Verhandlungen mit den Behörden. Sie erkannten an, dass die Bevölkerung dieses neue touristische Sommerangebot wollte. Dazu kamen Beiträge der Bergbahnen, des Hoteliervereins, der TALK, des Vereins Adelboden Tourismus und weiterer Partner. Zuletzt lagen 800 000 Franken im Fonds.

Sie haben für den Höchst-Trail die Hälfte des Kapitals verbraucht. Woher stammen die Mittel für die weiteren Bikepisten?
Ja, wir brauchen neues Geld. Ein Streckenmeter kostet rund 100 Franken. Der Höchst-Trail wird aber auch Einnahmen bringen. Die BenutzerInnen entrichten pauschal zehn Franken pro Tag, zusätzlich zum normalen Ticket. Davon wollen wir einen Teil für die Weiterentwicklung des Projektes einsetzen.

Weshalb fiel die Wahl auf das Höchsthorn?
Das Gelände ist gut geeignet und die Eigentumsverhältnisse am Berg schienen uns günstig. Wir hatten uns nur mit vier Besitzern für die Durchfahrtsrechte zu einigen – darunter die Alpschaft Lurnig. Die bessere Auslastung der Höchstbahn war ebenfalls ein Beweggrund.

Wie garantieren Sie die Sicherheit der BenutzerInnen?
Wir beschäftigen einen vollamtlichen Bike-Ranger. Er ist für die Sicherheit und die Wartung des Trails zuständig. Wir haben aus dem Winterbetrieb viel Erfahrung mit Rettungseinsätzen.

Welche Strecken planen Sie als Nächstes?
Es sind Trails vom Hahnenmoos ins Geils und von dort ins Bergläger vorgesehen. Wir streben an, alle ein bis zwei Jahre eine neue Strecke zu eröffnen.

Zurzeit spielen sich Ihre Pläne im Gebiet der Bergbahnen Adelboden ab. Die Destination Adelboden-Lenk-Kandersteg hört aber nicht im Bergläger auf …
Wir befinden uns hier in einer raumplanerisch ausgeschiedenen Zone für intensive touristische Nutzung. Das erleichtert vieles. Wir möchten jedoch auch Biketrails in anderen Gebieten wie der Tschentenalp oder Elsigen / Metsch entwickeln und alle Strecken wie im Winter in einem Tarifverbund vernetzen.

Ohne Trails auf der Lenker Seite ist das Puzzle Stückwerk. Was planen Ihre Nachbarn?
Auch unsere Partner jenseits vom Hahnenmoos sind mit Hochdruck daran, Trails zu schaffen. Im Gebiet Metschstand wollen sie in den nächsten Jahren drei Strecken erstellen. Im kommenden Herbst ist der Baubeginn eines Trails von der Mittelstation der Bergbahn bis zum Ausgangspunkt Rothenbach vorgesehen.

Wie gelangen Biker vom Metsch ins Bergläger zum Höchst-Trail – oder umgekehrt?
Das ist eine harte Nuss. Wir knacken sie mit einem Versuch. Während drei Jahren benutzen Wanderer und Biker-Innen die bestehenden Wege gemeinsam, weil das Bauen neuer Bikestrecken viel Zeit in Anspruch nimmt. Mit Infotafeln weisen wir auf diese friedliche «Koexistenz» hin. Ein QR-Code ermöglicht dem Nutzer, Beobachtungen und Beschwerden direkt an uns zu senden. Wir werten sie aus. Das Endziel ist die möglichst vollständige Trennung von Wanderwegen und Bikerouten. Der Weg ist noch lang, weil die Alpschaften Bedürfnisse haben, die wir nicht beiseiteschieben dürfen. Auch im Umgang mit den Landeigentümern heisst das Zauberwort «Koexistenz» – oder einfach Respekt und gegenseitige Rücksichtnahme!


«Die Tiere werden sich kaum stören lassen»

Toni Hari ist Präsident der Alpschaft Lurnig. Sie ist eine wichtige Landeigentümerin am Höchst. Der Landwirt erklärt die Sicht der Bauern: «Es ist uns bewusst, dass der Skitourismus künftig an Bedeutung verlieren wird. Wir sind nicht grundsätzlich gegen solche Sommeranlagen, auch wenn sie mehr Land beanspruchen als Wanderwege. Der Kanton schützt Wald- und Lischengebiete streng. Veränderungen sind nur auf dem für uns Bauern produktiven Land zugelassen. Das ärgert uns ab und zu.
Wir bewirtschaften unser Land im Sommer, die touristische Nutzung hindert uns stärker als im Winter. Die Alpschaft erhält aus den verkauften Biketickets aber eine Entschädigung. Auch die Haftpflichtversicherung ist geregelt. Es hat noch Platz genug und unsere Tiere werden sich durch die Biker wohl kaum stören lassen.

RK


«Interessant sind auch die E-Bikes»

Ralph-Marc Diebold ist Präsident des Vereins Adelboden Tourismus und Verwaltungsrat der TALK AG. Er ist sehr froh, dass der Trail zustande gekommen ist. «Die meisten Projekte sind in der Zuständigkeit der BAAG. Das ist auch richtig so. Ihre Verantwortlichen haben den besten Zugang zu den Landbesitzern. Der Ort Adelboden steht noch am Anfang zum Bikedorf. Zuerst muss ein Angebot bestehen, dann passt sich der Ort schnell an neue Bedürfnisse wie öffentliche Veloständer und Waschstationen an. Interessant für die Hotellerie sind die E-Bikes. Sie ermöglichen den Besuch von Bergen, auch wenn die Bahnen geschlossen sind. Das bedingt aber ein lebendiges Dorf mit offenen Hotels und Geschäften. RK


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