Die Gemmi – ein geschichtsträchtiger Übergang
26.07.2022 RegionETAPPE 3 (16. Juni) Weil die Gondelbahn und das Restaurant auf der Passhöhe erst an Pfingsten den Sommerbetrieb aufnehmen, absolviere ich diese Etappe am Schluss meines Projektes. Es ist das einzige Mal, dass ich verregnet werde.
KATHARINA WITTWER
Morgenstund’ hat ...
ETAPPE 3 (16. Juni) Weil die Gondelbahn und das Restaurant auf der Passhöhe erst an Pfingsten den Sommerbetrieb aufnehmen, absolviere ich diese Etappe am Schluss meines Projektes. Es ist das einzige Mal, dass ich verregnet werde.
KATHARINA WITTWER
Morgenstund’ hat bekanntlich Gold im Mund. Ich übernachte in Leukerbad und starte am nächsten Morgen vor sechs Uhr. Die knapp 1000 Höhenmeter die steile Felswand empor haben es in sich. Trotzdem bin ich froh, dass es mir nicht ergeht wie den feinen Damen früherer Epochen. Sie wurden nämlich in einer Sänfte über den damals wahrscheinlich kläglich ausgebauten Weg getragen. Dunkle Wolken bedecken den Himmel. Zwei Stunden später, eben bei Mast 42 auf der Passhöhe angekommen, fallen die ersten grossen Regentropfen vom Himmel. In den Senken liegt noch Schnee. Nach dem Frühstück im Restaurant hat der Regen aber schon wieder aufgehört.
Auf der heutigen Strecke kann ich jeden Mast sehen, was auf keiner anderen Etappe der Fall ist. Grösstenteils bin ich nämlich oberhalb der Waldgrenze unterwegs. Der Bergfrühling ist inzwischen auf dieser Höhe angekommen. Nun kommen mir bereits einige Wanderer entgegen. Ich nehme an, sie haben im Hotel Schwarenbach übernachtet, denn die Sunnbüelbahn nimmt um diese Jahreszeit den Betrieb erst um 9 Uhr auf.
Kraftort Arvenseeli
Kurz vor Überschreiten der Kantonsgrenze Wallis–Bern biege ich nach links ab und wähle den Weg unterhalb des Üschinengrates, denn die Hochspannungsleitung führt dort entlang. Ein Abstecher zum Arvenseeli muss sein. Eben angekommen, öffnet Petrus erneut die Schleusen und segnet die trockene Erde mit einem kleinen Regenschauer. Unter einer Arve finde ich eine ideale Sitzgelegenheit, wo ich vom Regen geschützt mein Picknick auspacke und verzehre. Auf dem Seelein schwimmt eine männliche Stockente. Sitzt sein Weibchen vielleicht auf der Brut? Die Stimmung ist friedlich rund um diesen Kraftort. Letzen Winter beobachtete ich hier mehrere Tannenhäher. Diesmal zeigt sich mir nur ein einziger.
Längst sind Wanderer und Biker unterwegs. Zwei Frauen bewundern Blumen am Wegesrand. Die eine müsse für ihren Sohn, der in der landwirtschaftlichen Ausbildung stecke, bestimmte Pflanzen finden und fotografieren.
Der steile Abstieg hat es in sich
Ich habe keine Eile. Bevor ich den Abstieg antrete, genehmige ich mir im Restaurant Sunnbüel einen Nussgipfel und eine Tasse Kaffee. Kaum marschiere ich los, beginnt es erneut zu regnen – und zwar intensiver als die beiden ersten Male. Regenschutz habe ich keinen dabei, denn ich habe mit Sonnenschein gerechnet. Glücklicherweise hört es bald auf und im Wald dauert es sowieso länger, bis das Nass durch die Bäume dringt.
Der steile Abstieg bis zum «Bären» im Eggenschwand geht mir arg in die Knie. Ab und zu brausen auf dem Downhilltrack Biker zu Tale. Zum Glück ist die Piste komplett vom Fussweg abgetrennt. Bevor ich am Bahnhof Kandersteg in den Zug steige, mache ich einen Abstecher zur Talstation der Allmenalpbahn, wo ich eigentlich Mast Nr. 75 erwarte. Nun stehe ich vor einem Rätsel, denn die Nummer lautet 1530 × 222 (Antwort siehe Kasten).
Die Autorin folgte zwischen Frühling und Sommer zu Fuss der Gemmileitung und schildert ihre Erlebnisse, Beobachtungen sowie die dazugehörigen Hintergründe in einer siebenteiligen Serie.
Hoch- und Höchstspannungsmasten
Die Höhe der Hochspannungsmasten hängt von Topografie, Schutzgebieten (z.B. Wald) oder Infrastrukturbauten ab und beträgt zwischen 47 und 75 Meter. Am Boden beträgt die Distanz der Stützen je nach Gelände 5,5 bis 8 Meter.
Jeder Mast innerhalb einer Leitung ist fortlaufend nummeriert – in meinem Fall beginnend mit Nr. 1 in Chippis bis Nr. 297 in Bickigen. Nun wird die Nummerierung geändert und verläuft in umgekehrter Richtung. Die alten Schilder sind bereits bis irgendwo innerhalb meiner Etappe 5 und bei der Allmenalp–Talstation (Mast Nr. 222) durch neue ersetzt worden (Bild links).
Erstaunlich, was alles unter dem QR-Code abrufbar ist: Mast-Nummer, Baujahr, Höhe, Koordinaten, Trassee (hier Trassee-Nr. 1530), Merkblatt für eine allfällige Notausschaltung der Leitungen, Vorsichtsmassnahmen bei Arbeiten / Aufenthalten in der Nähe von Hoch- und Höchstspannungsleitungen bis hin zu Informationen betreffend elektromagnetischen Feldern und offenen Stellen bei der Firma Swissgrid. Hochspannungsmasten sind ideale und vor allem unauffällige Standorte für Handyund weitere Antennen.
WI