Der Höhenflug der Umweltparteien ist gestoppt, die SVP und die Landregionen triumphieren. In der Region zeigt der Abstimmungssonntag noch etwas anderes: Bundesrat und Parlament haben erheblich an Vertrauen eingebüsst.

MARK POLLMEIER
Der Sonntagabend war geprägt von Erleichterung. In den Livesendungen des SRF dankten Vertreter von Bauernverbänden dem Volk für den Vertrauensbeweis, auf WhatsApp zirkulierten Herzchen mit der Aufschrift «13. Juni». Der Kandergrunder Landwirt Ernst Wandfluh, der schon früh vor den Folgen der Agrarinitiativen gewarnt hatte, postete auf Facebook eine Fotoserie aus dem heimischen Stall: Nach einem solchen Abstimmungssonntag mache die Arbeit gleich noch mehr Freude.
Anlass zur Freude hatten die Bauern wahrlich genug. Nach einem engagierten Abstimmungskampf wurden beide Agrarinitiativen deutlich abgelehnt. Als «extrem» hatten die Gegner, unter ihnen auch zahlreiche SVP-Vertreter, sie bezeichnet, und das Volk sah dies offenbar genauso. Zu unflexibel waren die geforderten Beschränkungen. Gebiete wie das Seeland und das Berner Oberland wären über einen Kamm geschoren worden, obwohl sie eine ganz unterschiedliche Landwirtschaft aufweisen.
Dass die Agrarvorlagen gebodigt wurden, hatte freilich auch mit der gelungenen Mobilisierung zu tun. Nicht nur die Bauern, sondern die Landregionen generell beteiligten sich überdurchschnittlich stark an den Abstimmungen und sorgten für einen der höchsten Werte seit Einführung des Frauenstimmrechts.

Nur eine Partei hat alles richtig gemacht
Die grosse Beteiligung war es wohl auch, die dem CO2-Gesetz das Genick brach. Zwar war die Vorlage breit abgestützt: Neben Bundesrat und einer breiten Parlamentsmehrheit hatten sich auch viele Unternehmen und Verbände dafür ausgesprochen. Hinzu kam, dass grüne Parteien und Umweltgruppen zuletzt stetig an Bedeutung gewonnen hatten. So hatten die Befürworter möglicherweise das Gefühl, das Kind sei schon geschaukelt. Ihr Engagement für das CO2-Gesetz hielt sich in Grenzen und kam insgesamt etwas blutleer daher.

Ganz anders die Gegner. Die SVP, die als einzige der grossen Parteien gegen das CO2-Gesetz kämpfte, machte mit ihrer Kampagne alles richtig. Sie verdichtete die komplexe Vorlage auf wenige emotionale Aussagen – und hatte damit Erfolg. Weil gerade in den ländlichen Gebieten so viele an die Urnen strömten, reichte es am Ende für ein knappes Nein.

Richtig überraschend kam das Ergebnis indes nicht. Zum einen war die Öko-Euphorie abseits der Zentren nie so gross wie in den Städten. Zum anderen hatten zuvor schon die kantonalen Energiegesetze in Bern und in Solothurn an der Urne Schiffbruch erlitten. Die Befürworter des CO2-Gesetzes hätten also gewarnt sein können.
Das Scheitern der Klimavorlage ist nicht nur ein Denkzettel für jene Parteien, die das Grün im Namen tragen (oder sich zuletzt einen zartgrünen Anstrich gaben). Auch Bundesrat und Parlament, die so lange um das CO2-Gesetz gerungen hatten, müssen nun über die Bücher. Zwar hat das Volk die Energiestrategie 2050 abgesegnet, wohl hat die Schweiz das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Doch nicht zum ersten Mal zeigt sich: Wenn es konkret wird, schauen die Bürger genau hin, was da auf sie zukommt. Und sagen im Zweifel auch einmal Nein; Klimadebatte hin oder her. Geradezu vernichtend fiel das Votum zum CO2-Gesetz im Verwaltungskreis aus: Keine einzige Gemeinde stimmte zu. Und das in einer Region, die den Klimawandel wohl früher und stärker spüren wird als viele andere Landesteile.

Den Staat in die Schranken weisen
Staatskritisch gaben sich viele Gemeinden schliesslich bei beim Covid-19- und dem Anti-Terror-Gesetz. Die mangelnde Zustimmung zum Covid-19-Gesetz war absehbar. In vielen Orten des Frutiglands hatte sich zuletzt eine ablehnende Haltung gegen die Pandemiepolitik des Bundes gezeigt. Auch wenn manches, etwa die Impfstrategie, nicht unmittelbar mit der Vorlage zu tun hatte, schlug sich diese Skepsis doch im Ergebnis nieder.

Überraschender ist da schon das regionale «Unentschieden» beim Anti-Terror-Gesetz: Gerade einmal 50 Prozent konnten sich damit anfreunden. Gut möglich, dass dieses Ergebnis von der allgemeinen Stimmung beeinflusst wurde: dass man die Staatsmacht ab und zu in die Schranken weisen muss.

Die grüne Welle ist gebrochen

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