Alle bewegen sich über dem Absenkpfad
15.03.2024 GesellschaftKLIMA Der Kanton Bern hat eine Online-Plattform mit detaillierten Zahlen zur Klima- und Energiebilanz sämtlicher Gemeinden lanciert. Unter dem Motto «Daten für Taten» soll «Energis» einerseits Transparenz herstellen und den Gemeinden andererseits beim ...
KLIMA Der Kanton Bern hat eine Online-Plattform mit detaillierten Zahlen zur Klima- und Energiebilanz sämtlicher Gemeinden lanciert. Unter dem Motto «Daten für Taten» soll «Energis» einerseits Transparenz herstellen und den Gemeinden andererseits beim Erreichen ihrer Klimaziele helfen – was offenbar auch nötig ist.
BIANCA HÜSING
Wer ganz genau wissen will, wie es um die Klimabilanz des Kantons Bern oder der eigenen Wohngemeinde bestellt ist, kann sich auf «Energis» umsehen. Die neue Online-Datenbank liefert erstaunlich detaillierte Angaben zu jedem einzelnen Ort im Kanton. Wie viel Treibhausgas wird pro Kopf ausgestossen, welche Liegenschaft nutzt welche Energiequelle und wie viele Autos gibt es? Sogar die Anzahl über 15-jähriger Ölheizungen wird aufgeführt. Die Daten beschränken sich zurzeit noch auf die Jahre 2020 und 2022, werden aber in regelmässigen Abständen aktualisiert. «Energis» soll den Gemeinden als Monitoring-Instrument dienen – zur Kontrolle darüber, wie gut sie in Sachen Energiewende vorankommen und ob sie sich entlang des angestrebten CO2-Absenkpfads bis 2050 bewegen.
Frutigen: Geringster CO2-Ausstoss pro Kopf
Innerhalb des Frutiglands ist Frutigen als grösste Gemeinde naheliegenderweise auch die grösste Treibhausgas-Emittentin. Im Jahr 2022 wurden hier knapp 35 Tonnen CO2-Äquivalente ausgestossen. Fast 47 Prozent davon gehen auf die Kappe der Landwirtschaft, die andere Hälfte setzt sich vor allem aus Verkehrsund Wärmeemissionen zusammen. Die Industrie ist für gerade einmal 3,3 Prozent der Emissionen verantwortlich. Gegenüber 2020 hat die Gemeinde zwar rund 1500 Tonnen weniger ausgestossen, bewegt sich damit aber immer noch oberhalb des Absenkpfads. Etwas aussagekräftiger werden die Zahlen, wenn man sie ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt. Gemessen daran sieht Frutigens Klimabilanz besser aus als die der Nachbargemeinden: Pro Person werden hier 4,95 Tonnen CO2-Äquivalente ausgestossen. Zum Vergleich: Kantonsweit sind es 5,53, in Adelboden 6,81 und in Kandergrund sogar 9,56 Tonnen pro Kopf.
Die Landwirtschaft stösst fast überall im Tal die meisten CO2-Äquivalente aus, in Kandersteg und Krattigen ist ihr Anteil an den Gesamtemissionen jedoch vergleichsweise gering (Kandersteg 14, Krattigen 18 Prozent). Im gesamten Kanton ist die Landwirtschaft für 18 Prozent der Emissionen verantwortlich. Dass der Anteil im Frutigland höher ist, liegt einerseits an der grossen Dichte landwirtschaftlicher Betriebe, andererseits aber auch daran, dass hier hauptsächlich Viehwirtschaft betrieben wird. Kühe stossen Methan aus, das um ein Vielfaches klimawirksamer ist als CO2. Eine Tonne Methan entspricht je nach Modell 25 oder 28 Tonnen CO2-Äquivalenten. Die Nutztierhaltung hat denn auch einen Anteil von 66 Prozent an den gesamten Landwirtschafts-Emissionen im Kanton Bern.
Reichenbach punktet mit Holz
Kantonsweit gesehen, aber auch in Krattigen und Kandersteg, sind vor allem die Bereiche Verkehr und Wärme klimarelevant – und hier besteht in der Region noch grosses Absenkpotenzial. Beispiel Verkehr: In Frutigen gibt es gemäss «Energis» 3796 Personenwagen (bei rund 7000 Einwohnern). Lediglich 3 Prozent davon haben einen alternativen Antrieb, in den anderen Gemeinden ist dieser Anteil noch geringer.
Was den Anteil erneuerbarer Energie im Gebäudebereich betrifft, weist Reichenbach die beste Bilanz auf (34 Prozent) und Adelboden die schlechteste (16 Prozent). In Reichenbach ist Holz die wichtigste Wärmequelle, in Adelboden Heizöl. Auch hinsichtlich Sonnenenergie hat Reichenbach die Nase vorn: Mit insgesamt 189 PV-Anlagen nutzt die Gemeinde ihr vorhandenes Dach-Potenzial zu 5 Prozent aus. Frutigen hat mit 220 Dach-Photovoltaikanlagen zwar die meisten, nutzt aber nur 2 Prozent des Potenzials. Kandergrund kommt lediglich auf 13 PV-Anlagen respektive 0,62 Prozent Ausnutzungsquote.
Vergleicht man die Frutigländer Gemeinden jedoch mit der Stadt Bern, kommen sie deutlich besser weg: In Bern liegt der Anteil erneuerbarer Energieträger nur bei 5,8 Prozent und jener von PV-Anlagen auf Dächern bei 1,49 Prozent.
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass der Kanton Bern seine Klimabilanz noch nicht merklich verbessert hat. Zwischen 2020 und 2022 sind seine Emissionen von 6,1 auf 5,8 Millionen Tonnen gesunken – und damit langsamer, als es der Absenkpfad vorgibt. Auch in den Frutigländer Gemeinden blieben die Emissionen 2022 ungefähr auf gleichem Niveau wie 2020. Genau für solche Feststellungen hat der Kanton Bern die neue Plattform geschaffen. Sie soll nicht nur Transparenz herstellen, sondern auch zeigen, «wo die grössten Hebel der Gemeinden sind, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren». Damit die Gemeinden diese Hebel auch nutzen können, bekommen sie künftig Geld: Der Kanton Bern unterstützt sie finanziell dabei, Massnahmen zur Reduktion der Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel zu definieren. Das Erarbeiten einer Klimastrategie bezuschusst er mit maximal 20 000 Franken pro Gemeinde.
Den Link zum Energie- und Klimadatenportal finden Sie unter www.frutiglaender.ch im Bereich Web-Links.