«Damit Schule gelingt, muss auch die Leitung gesund bleiben»
14.10.2025 Bildung|SchuleWie geht es Schulleiterinnen und Schulleitern in der Schweiz? Die Universität Bern untersucht diese Frage in einer internationalen Studie.
JACQUELINE RÜESCH
Mit der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Langzeitstudie «Wellbeing of ...
Wie geht es Schulleiterinnen und Schulleitern in der Schweiz? Die Universität Bern untersucht diese Frage in einer internationalen Studie.
JACQUELINE RÜESCH
Mit der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Langzeitstudie «Wellbeing of School Principals: A Longitudinal Perspective» (WESPA) wollen Forschende der Universität Bern besser verstehen, welche Arbeitsbedingungen – das heisst Belastungen und Ressourcen – das Wohlbe!nden von Schulleitungen beeinflussen, wie sie persönliche und berufliche Ressourcen aufbauen und erhalten und wie das Wohlbe!nden von Schulleitungen und Lehrpersonen zusammenhängt.
Ziel dieser Studie ist es, herauszu!nden, welche Bedingungen ihr Wohlbe!nden fördern – und wie eng dieses mit dem der Lehrpersonen verknüpft ist. Der «Frutigländer» sprach mit der Projektleitung und zwei Schulleitern aus dem Frutigland. Zwischen Herbst 2025 und Frühling 2027 werden deshalb Schulleitende und Lehrpersonen aus der Schweiz, Kroatien und Rumänien viermal online befragt. Die Teilnahme dauert rund 15 Minuten, alle Daten werden anonymisiert.
Das Projekt wird von der Abteilung Schul- und Unterrichtsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bern unter der Leitung von Professorin Tina Hascher durchgeführt. Es steht laut der Verantwortlichen in keinem Zusammenhang mit aktuellen politischen Reformen rund um die Rolle der Schulleitungen. «Unser trinationales Projekt wurde unabhängig von politischen Prozessen entwickelt und konzentriert sich ausschliesslich auf wissenschaftliche Fragestellungen», betont die Forschende.
«Unterstützung ist entscheidend»
Für David Flückiger, Co-Schulleiter der Oberstufenschule Frutigen, ist klar, was gute Arbeitsbedingungen ausmacht: «Seit den Anpassungen der Stellenprozente für die Schulleitung im vergangenen Sommer sind die Bedingungen bei uns ideal. Es stehen genügend Ressourcen zur Verfügung.» Doch entscheidend sei nicht nur die Zeit, sondern auch die Unterstützung im Umfeld: «Schulleitende brauchen die Rückendeckung der Gemeinde, der Schulkommission und des Lehrerkollegiums.»
Es bestehe jedoch ein grosser Unterschied, ob man als Schulleitung eine einzelne Schule betreue oder für mehrere Standorte zuständig sei – was mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden ist. Bei mehreren Standorten bleiben die Ressourcen weiterhin knapp, so David Flückiger. Zudem betont er, dass trotz zusätzlicher Stellenprozente für Schulleitungen aufgrund des Fachkräftemangels oftmals die offenen Stellen nicht besetzt werden können. Er hebt insbesondere die Rolle des Schulsekretariats hervor, das viele administrative Aufgaben übernehme und die Schulleitung so spürbar entlaste. Es sei sinnvoll, diese Stelle weiterhin zu stärken.
Die Zusammenarbeit funktioniere an der Oberstufenschule Frutigen derzeit sehr gut. Das Wohlbe!nden von Schulleitung und Lehrpersonen hänge eng miteinander zusammen, so David Flückiger. Im Idealfall sei die Zusammenarbeit von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen geprägt, was zu einem positiven Klima und einer motivierten Stimmung führe. «Wenn alle in die gleiche Richtung arbeiten, läuft es – so fägts!», sagt David Flückiger.
«Ressourcen sind mehr als nur Zeit und Geld»
Stephan Kernen, Schulleiter der Oberstufenschule Aeschi-Krattigen, ist erst seit wenigen Wochen im Amt, sieht aber ähnliche Schwerpunkte: «Damit es Schulleitungen gut geht, braucht es genügend Ressourcen. Dazu gehören einerseits Finanzen, Zeit und der physische Arbeitsplatz, andererseits aber auch Vertrauen – von Behörden, Eltern und Lehrpersonen.»
«Das Wohlbe!nden von Schulleitungen und Lehrpersonen hängt sicher gegenseitig zusammen», sagt er. Eine Schulleitung, die ausgeglichen sei und über ausreichende Ressourcen verfüge, habe mehr Kapazität, sich pädagogischen Themen zu widmen und den Kontakt zum Kollegium zu pflegen. «Da ist oftmals ein offenes Ohr und ein aufmunterndes Wort schon viel wert», so Stephan Kernen. Auch er hält die Entlastung durch Schulsekretariate für zentral – insbesondere, um strategische Aufgaben stärker in den Fokus zu rücken. In kleinen Gemeinden mit kleinen Schulen sei das Delegieren allerdings nicht immer einfach: «Unser Schulsekretariat ist der Gemeindeverwaltung angegliedert. So muss bei jeder Aufgabe abgewogen werden, ob der Aufwand des Delegierens nicht grösser ist als der Aufwand für die Aufgabe selbst. Kleinere administrative Tätigkeiten aus dem Tagesgeschäft bleiben deshalb oft bei der Schulleitung liegen.»
Forschung mit internationaler Perspektive
Dass die Universität Bern mit Partneruniversitäten in Kroatien und Rumänien zusammenarbeitet, sieht das Projektteam als grossen Gewinn. «Unsere Forschungspartnerinnen und -partner sind in der Thematik des schulischen Wohlbe!ndens sehr erfahren», heisst es. Durch den internationalen Vergleich sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar werden – etwa, welche Strukturen besonders entlastend wirken. Für Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, ist die Forschung längst überfällig: «Nur wo Schulleitende gesund, gestärkt und unterstützt arbeiten können, entsteht auch für Lehrpersonen ein gutes Arbeitsumfeld.» Der Dachverband unterstützt das Projekt deshalb aktiv.
Erkenntnisse mit praktischem Nutzen
Nach Abschluss der Studie erhalten Teilnehmende einen individuellen Bericht zu ihrem Wohlbe!nden. Damit will die Universität Bern nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen, sondern auch direkt zur Stärkung der Schulleitungen beitragen. Für Co-Schulleiter David Flückiger steht fest: «Eine Schule funktioniert dann am besten, wenn sich alle gegenseitig unterstützen – das gilt auch für uns als Leitung.» Und Kollege Stephan Kernen ergänzt: «Die zusätzlichen Ressourcen sind ein Zeichen, dass die zunehmende Komplexität unserer Aufgaben ernst genommen wird. Entscheidend wird sein, dass diese Ressourcen langfristig gesichert bleiben.»
Der Anmeldeschluss für die Teilnahme an der Studie ist der 24. Oktober 2025.
