Der Spitalnotfall soll nicht zum Notfall werden
13.12.2024 GesundheitIn der Hochsaison kann eine Notaufnahme an ihre Grenzen kommen. Doch nicht jeder Notfall benötigt die teure Infrastruktur eines Spitals. Im Oberland werden jetzt aktiv Alternativen für PatientInnen kommuniziert.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Wenn von ...
In der Hochsaison kann eine Notaufnahme an ihre Grenzen kommen. Doch nicht jeder Notfall benötigt die teure Infrastruktur eines Spitals. Im Oberland werden jetzt aktiv Alternativen für PatientInnen kommuniziert.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Wenn von Gästelenkung die Rede ist, geht es meistens darum, überlaufene Orte zu entlasten. Das kann ein international beliebter touristischer Hotspot sein, aber durchaus auch eine Notaufnahme in einem Spital. Steigen die Logiernächtezahlen, kann sich das auch auf Fallzahlen in den Spitälern auswirken, was aber nicht in jedem Fall nötig wäre. Gerade für internationale Touristen ist – in Unkenntnis des schweizerischen Gesundheitssystems oder der regionalen medizinischen Versorgung – der Spitalnotfall oft die erste Anlaufstelle. Dies kann in der winterlichen Hauptsaison in den Spitälern Frutigen, Interlaken oder Zweisimmen zu langen Wartezeiten für die Patientinnen und zur Überlastung der Notaufnahme führen.
Gestern erklärte fmi-CEO Daniela Wiest an einer Medieninformation als Vertreterin der beiden Oberländer Spitalgruppen, dass im Alpinen Notfallzentrum Interlaken der Gruppe Frutigen-Meiringen-Interlaken (fmi) rund 66 Prozent der Fälle aus dem fmi-Einzugsgebiet stammen (lokale Bevölkerung), 20 Prozent seien inländische Gäste und 14 Prozent Gäste mit Wohnsitz im Ausland. «In Frutigen sehen die Zahlen ganz ähnlich aus», so Wiest. Hier setze nun eine Informationskampagne der Oberländer Gesundheitsakteure und des Tourismus an, denn die Spitäler seien vor allem für komplexe oder schwere Fälle eingerichtet.
Apotheke als Triagestelle
Unter der Führung der Spitäler fmi AG wollen die Beteiligten gemeinsam die Informationslage verbessern: Auf der Website notfall-beo.ch sind neu die wichtigsten Notfallkontakte gelistet und das Vorgehen je nach Schwere des gesundheitlichen Problems beschrieben. Ganz konkret wird auf Alternativen zum Spitalnotfall hingewiesen. Niederschwellig sind Apotheken. «Ob ein Husten ein Medikament oder einen Arztbesuch erfordert, kann in einer Apotheke oftmals beurteilt werden. Wir sind nicht mehr nur die Pillenhersteller wie früher», wies Markus Messerli vom Verband Apotheken Thun / Steffisburg auf die Fachkompetenz hin. Eine erste Triage sei möglich, zudem gebe es auch einen Notfalldienst am Abend und an Wochenenden. Messerli erwähnte, dass man bereits heute spüre, dass es immer weniger Hausärzte gebe und Apotheken gefragter seien.
Walk-In Clinic und Hausarzt
Für ärztliche Beratung und Behandlung stehen in Notfällen quasi als nächste Stufe die Walk-In-Klinic im Bahnhof Interlaken West oder das Medizinische Zentrum im Bahnhof Thun zur Verfügung, und darüber hinaus natürlich die Hausarztpraxen. Diese bieten im Raum Thun und Interlaken nach den normalen Öffnungszeiten einen Notfalldienst an, der in den jeweiligen Spitälern angesiedelt ist.
Im Frutigland erfolgt eine erste Abklärung bei Problemen hingegen via kostenpflichtigem Anruf beim rund um die Uhr erreichbaren Medphone. Dort ist jeweils bekannt, welcher Hausarzt aktuell Notfalldienst hat. An der Medieninfo betonte Marcus Grossenbacher (Hausarzt und Geschäftsleitungsmitglied des Interlakner Hausarztnotfalls), dass die Kosten beim Hausarztnotfall im Schnitt 250 Franken betragen, der Spitalnotfall weise 440 Franken pro Patient aus. Die gemeinsame Informationskampagne hat also auch einen kostendämpfenden Hintergrund.
Die Rolle des Tourismus
«Das neue Angebot ist keine Konkurrenz zur allseits bekannten Notfallnummer 144», betonte Daniela Wiest. «Dort wird Ihnen natürlich auch weitergeholfen. Primär ist diese Nummer aber zuständig, wenn schweres Material ausrücken muss – vom Rettungswagen bis zum Helikopter.» Es geht also darum, möglichst von Beginn weg die Notfälle an die richtigen Stellen zu lenken. Die im Endzustand mehrsprachig geplante Website ist seit kurzem aufgeschaltet. Um sie bekannt zu machen, wurden die Tourismusdestinationen mit ins Boot geholt, die ihre Mitglieder informieren werden – vom Hotel bis zum Ferienwohnungsvermieter. Marc Ungerer, Präsident der Destinationen Kanton Bern, wies darauf hin, dass zwei Drittel der touristischen Logiernächte des Kantons im Oberland verzeichnet würden. Damit wird klar, dass die Gastgeber bei gesundheitlichen Problemen ihrer Kunden eine wichtige Rolle spielen können. Notabene kann die Website auch für Einheimische ganz nützlich sein.
Notfallnummern unter www.notfall-beo.ch oder in der Infothek unter www.frutiglaender.ch