BERN Weshalb starben die Fische im Blausee? Kann man das Trinkwasser in Frutigen noch trinken? Wer ist für den Umweltskandal verantwortlich? Diese und andere Fragen standen im Zentrum einer Veranstaltung am Stadttheater.
PETER SCHIBLI
Einen Umweltskandal kann ...
BERN Weshalb starben die Fische im Blausee? Kann man das Trinkwasser in Frutigen noch trinken? Wer ist für den Umweltskandal verantwortlich? Diese und andere Fragen standen im Zentrum einer Veranstaltung am Stadttheater.
PETER SCHIBLI
Einen Umweltskandal kann man in einer Fotoreportage, einem Bericht, in einem Kommentar, einem Dokumentarfilm oder in einem Podcast verarbeiten. Das Magazin «Reportagen» und «Bühnen Bern» versuchten es mit einem neuen Format: mit einer szenischen Lesung. In der Mansarde des ehemaligen Stadttheaters Bern interpretierten am vergangenen Donnerstag zwei Schauspieler einen «Reportage»-Text über den Blausee als Realsatire.
Der kürzlich erschienene Artikel arbeitet das Fischsterben und den «Umweltkrimi» detailreich auf. Mitschuldig an der Vergiftung waren laut «Reportagen» auch illegale Ablagerungen einer Baufirma. Der Kanton, die Baubranche, Experten und die Betreiber der Forellenzucht tragen seither juristische Kämpfe aus.
Regierungsrat als Zuhörer
Am vergangenen Donnerstag lasen die beiden Schauspieler Jonathan Loosli und Claudius Körber auf der Theaterbühne den 30-seitigen Text, dramatisch gestaltet, durch Stimme und Gesten interpretiert, teilweise karikierend und überspitzt. Verantwortliche des Kantons, der BLS, der beteiligten Firmen, der Polizei sowie der Gemeindepräsident von Kandergrund wurden beim Namen genannt. Auch der im Saal anwesende Regierungsrat Christoph Neuhaus bekam sein Fett weg. All dies zum Gaudi des zahlreich erschienenen Publikums. Mehrmals gabs für die beiden Schauspieler Szenenapplaus.
Wortgewaltig zeigten die als Bauarbeiter mit Schutzhelmen kostümierten Protagonisten die Zusammenhänge zwischen dem kontaminierten Tunnelmaterial, den deponierten Giftstoffen, der Grundwasserverschmutzung und den toten Forellen auf. Der Begriff «Abfallmafia» fiel mehrfach. Unbekannte Fakten wurden keine präsentiert, aber für Unterhaltung war gesorgt. Die Frage sei jedoch erlaubt, ob sich das neue Format für die Verarbeitung von Umweltskandalen eignet. Denn eigentlich ist die «Causa Blausee» alles andere als lustig.
Am Ende angriffig
Nach der rund einstündigen Inszenierung stand der Genfer Geologe Walter Wildi dem «Reportagen»-Chefredaktor Daniel Puntas Bernet Red und Antwort. Schlagartig änderte sich der Ton. Schonungslos attackierte der Experte die Verantwortlichen des Kantons, die eine rasche und vollständige Aufklärung des Umweltskandals verhindert hätten. Ausser in Bern seien solche Machenschaften nur noch in den Kantonen Basel-Stadt (Chemiestandort) und Wallis (Lonza-Standort) möglich. Die Berner Regierung ist laut Wildi «Teil des Systems». In der hiesigen Abfallbranche würden «Angst und Terror» herrschen. Der Geologe hob die «Causa Blausee» auf dieselbe Stufe mit den Umweltskandalen in der Deponie Teuftal (bei Mühleberg) und Bonfol (ehemals Bern, heute Kanton Jura). Dabei wäre eine Sanierung des kontaminierten Bodens oberhalb des Blausees gar nicht so schwierig. Drei bis vier Jahre wären dafür nötig, aber die Verantwortlichen müssten halt wollen, sagte er. Zum Schluss gab der Experte weitere praktische Empfehlungen an das kantonale Amt für Wasser und Abwasser, doch da hatte der zuständige Regierungsrat den Saal bereits verlassen.