Spätestens seit den «Heidi»-Romanen von Johanna Spyri galt die Schweiz als Ziegenland. Doch nach dem Ersten Weltkrieg ging es mit den beliebten Nutztieren stetig bergab. Erst seit einigen Jahren haben sich die Bestände wieder etwas erholt.
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Spätestens seit den «Heidi»-Romanen von Johanna Spyri galt die Schweiz als Ziegenland. Doch nach dem Ersten Weltkrieg ging es mit den beliebten Nutztieren stetig bergab. Erst seit einigen Jahren haben sich die Bestände wieder etwas erholt.
MARK POLLMEIER
Ziegen gehören zu den ältesten Begleitern des Menschen: Bereits vor über 10 000 Jahren wurden sie im Vorderen Orient als Haustiere gehalten. Kein Wunder, denn Ziegen sind die perfekten Nutztiere. Sie sind relativ anspruchslos, und dank ihres robusten Verdauungsapparats finden sie auch in unwirtlichen Gegenden noch Futter. Weil sie gut klettern können, lassen sich Ziegen auch in schwierigem Gelände halten, zum Beispiel im Gebirge.
Schon den Menschen der Steinzeit lieferten Ziegen alles, was man zum Leben braucht. Milch und Fleisch dienten als Nahrung, aus dem Leder stellte man Kleidung, Trinkbehälter und sogar frühes «Papier» her (Pergament). Je nach Rasse liess sich auch die Wolle der Tiere verwenden, etwa für Decken oder Teppiche.
Einst aus dem Wallis «eingewandert»
Auch in der Schweiz wurden Ziegen früh als Nutztiere gehalten. Wissenschaftler der Uni Bern nehmen an, dass Hirten mit ihren Schaf- und Ziegenherden schon vor 7000 Jahren aus der Gegend des heutigen Sitten ins Berner Oberland zogen. Dort fanden sie bessere Weidemöglichkeiten als an den steilen und trockenen Hängen des Unterwallis.
Bis ins 20. Jahrhundert waren Ziegen in der ganzen Schweiz weit verbreitet. Als «Kühe des kleinen Mannes» wurden sie auch von weniger wohlhabende Familien gehalten.
Als die Zürcherin Johanna Spyri 1879 ihren ersten «Heidi»-Roman veröffentlichte, gab es in der Schweiz noch über 400 000 Ziegen – bei einer Einwohnerzahl von damals rund 2,7 Millionen Menschen. Die «Heidi»-Bücher trugen dazu bei, die Schweiz als Ziegenland international bekannt zu machen. Selbst in der Türkei ist «Heidi» (in der Türkei: «Haydi») seit 100 Jahren eine der beliebtesten Figuren der Kinderliteratur.
Erholung seit rund 25 Jahren
Zeitweise sah es allerdings so aus, als könnte die Ziege aus der Schweiz verschwinden. Der wirtschaftliche Aufschwung und die veränderten Lebensgewohnheiten liessen den Bestand seit den 1920er-Jahren stark schrumpfen. Mitte der 1980er-Jahre gab es in der Schweiz noch knapp über 50 000 Ziegen, einige Rassen waren so gut wie ausgestorben.
Mit der Jahrtausendwende setzte eine allmähliche Erholung des Ziegenbestands ein. Heute gibt es hierzulande wieder gut 100 000 Ziegen; knapp ein Drittel davon wird für die Milch- und Käseproduktion genutzt. Doch im Grossen und Ganzen ist die Ziegenzucht ein Liebhaberprojekt.
Mehr Braune als Weisse
Welche Ziegenrasse der Alpöhi aus den «Heidi»-Romanen hielt, ist schwer zu sagen. Die Bilder in den früheren Buchausgaben zeigen häufig weiss gefärbte Tiere, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Appenzellerziege oder der Saanenziege haben. Tatsächliche war die «Saanegeiss» lange die häufigste Ziegenrasse der Schweiz. Mittlerweile ist sie von der anpassungsfähigen Gämsfarbigen Gebirgsziege abgelöst worden. Mit 800 Kilogramm pro Jahr gilt sie als gute Milchlieferantin. Rund 18 000 Vertreterinnen dieser Art wurden 2024 in der Schweiz gehalten. Saanenziege und Zwergziege bringen es auf jeweils 12 000 Exemplare.
Etwas tiefer liegen diese Zahlen, wenn man nur die Herdebuchtiere in den Blick nimmt, also jene Ziegen, die für Zuchtzwecke registriert sind. Bei den Rassen führt hier ebenfalls die Gämsfarbige Gebirgszeige mit einem Herdebuchbestand von 8811 Tieren vor der Saanenziege (5803) und der Toggenburgerziege (3229). Die mit Abstand meisten Herdebuchtiere werden im Kanton Bern gehalten (aktuell 6318). Zusammen mit den nicht registrierten Tieren ist Bern sowieso der ziegenreichste Kanton der Schweiz.