Die Orthesen-Spezialistin
03.08.2023 Bildung|SchuleDie Frutigerin Rahel Moser hat ihre Ausbildung als Orthopädistin mit der Gesamtnote 5,5 abgeschlossen. Auf einem Rundgang in ihrem Lehrbetrieb in Bern erklärt sie, was alles zu ihrem vielseitigen Job gehört.
KATHARINA WITTWER
Rahel Moser wollte ...
Die Frutigerin Rahel Moser hat ihre Ausbildung als Orthopädistin mit der Gesamtnote 5,5 abgeschlossen. Auf einem Rundgang in ihrem Lehrbetrieb in Bern erklärt sie, was alles zu ihrem vielseitigen Job gehört.
KATHARINA WITTWER
Rahel Moser wollte ursprünglich Tierärztin werden. Deswegen wechselte sie nach dem achten Schuljahr ans Gymnasium. Während mehrerer Schnuppertage merkte sie jedoch, dass ihr der einstige Traumberuf nicht mehr zusagte. Also musste sie zurück auf Feld eins. Im Internet stiess sie auf den Beruf des Orthopädisten, bei dem Lehrstellen allerdings rar sind. Beim Ortho-Team in Bern durchlief sie erfolgreich ein längeres Auswahlverfahren. Von jährlich gegen 30 BewerberInnen werden in diesem Betrieb jeweils zwei bis drei Anwärter-Innen für die vierjährige Ausbildung rekrutiert.
Handwerkliches Geschick ist notwendig
«Dieser Beruf ist sehr vielseitig und verlangt unter anderem handwerkliches Geschick und dreidimensionales Vorstellungsvermögen», erklärt die Frutigerin. Während ihrer Lehre hat sie verschiedene Abteilungen durchlaufen und sich nun aufs Herstellen von Orthesen spezialisiert. Das sind Schienen oder Ähnliches zur Unterstützung des Bewegungsapparates. Prothesen dagegen ersetzen fehlende Körperteile.
Betritt man das Geschäft in Bern durch den Hintereingang, fühlt man sich im ersten Moment wie beim Velomechaniker. Rollstühle mit den unterschiedlichsten Zusatzausstattungen stehen da – entweder für individuelle Anpassungen oder für einen Service. In anderen Räumen wähnt man sich in einer mechanischen Werkstätte, denn dort wird geschliffen, gesägt, gefräst, geschweisst, gestanzt oder gehämmert. Verarbeitet werden auch Carbon, verschiedene Harze, Silikon in den buntesten Farben, alle möglichen Kunststoffe, Textilien und vieles mehr. Nach einem Abdruck des entsprechenen Körperteils werden Negative aus Gips angefertigt, die grösseren werden mit Armierungseisen verstärkt. «Künstliche Gelenke, rechteckige Platten für Schuheinlagen oder Spezialverbände für Schultern, Ellenbogen oder Knie nach Operationen beziehen wir von den Herstellern», erklärt Moser.
Ohne Arbeit am Computer geht’s nicht
Häufig benötigen Kleinkinder wegen einer Fehlstellung ihres Köpfchens einen Helm. Dieser wird im 3D-Drucker aus einem mehlartigen Pulver aufgebaut. Um aus würfelförmigem Schaumstoff Sitzschalen für Rollstühle auszuhöhlen, kommen CNC-Fräsen zum Einsatz. Der Frutigerin sagt das Handwerkliche eher zu als die Arbeit am Computer. Die gehört aber ebenfalls zur Ausbildung.
Lernende in diesem Betrieb dürfen bereits zu Beginn ihrer Ausbildung Kunden bedienen, vorerst allerdings nur «einfachere Fälle». Die Frage, ob sie sich emotional abgrenzen könne, wenn Eltern mit einem körperlich schwer beeinträchtigten Kind ins Geschäft kommen, bejaht sie. «Oft verfügen diese Personen über eine unglaubliche Lebensfreude. Bekommen sie ein neues Hilfsmittel, drücken sie ihre Freude statt verbal eben anders aus. Für mich bedeutet das stets grosse Dankbarkeit.»
Flexible Arbeitsplätze
Kommt Rahel Moser morgens ins Geschäft, holt sie ihre persönliche Werkzeugkiste, den für sie bereitgestellten Auftrag, ihr Telefon sowie das Tablet und sucht sich einen Arbeitsplatz aus. «Wir haben keine fix zugeteilten Plätze. Jeder richtet sich dort ein, wo etwas frei ist», so die 19-Jährige.
Heute findet sie in ihrer Box ein Paar Unterschenkel-Fuss-Orthesen vor. Auf dem Tablet sind alle Informationen zum Klienten und zu seinen Hilfsmitteln abrufbar. Rahel Moser findet heraus, dass sie die linke Orthese auseinandernehmen, Teile davon neu produzieren und in einem leicht veränderten Winkel zusammensetzen muss, weil der Klient nach wenigen Tagen an einer schmerzhaften Druckstelle am äusseren Knöchel gelitten hatte. «Wir arbeiten immer an mehreren Produkten parallel, denn einige Teile müssen vor der Weiterverarbeitung trocknen, aushärten oder weich werden», erklärt sie.
Die junge Frau liebt ihren Beruf. Nach einer dreimonatigen Reise, die sie im August beginnt, wird sie wieder in ihren Lehrbetrieb zurückkehren.