Ein Haus mit bewegter Geschichte
17.05.2023 FrutigenDie Alte Mühle erlebte etliche Besitzerwechsel – bis ein einheimischer Architekt sie vor 25 Jahren übernommen und von Grund auf saniert hat. Er gab dem Gebäude ein neues Aussehen und veränderte auch dessen Innenleben. Noch heute werden die Räumlichkeiten auf ...
Die Alte Mühle erlebte etliche Besitzerwechsel – bis ein einheimischer Architekt sie vor 25 Jahren übernommen und von Grund auf saniert hat. Er gab dem Gebäude ein neues Aussehen und veränderte auch dessen Innenleben. Noch heute werden die Räumlichkeiten auf vielfältige Weise genutzt.
HANS HEIMANN
Der Dorfbrand 1827 war nicht der erste in Frutigen – wohl aber der mit der grössten Zerstörungskraft. Ihm zum Opfer fiel der ganze Ort, abgesehen von einigen Häusern am Dorfrand. Auch die drei Mühlen wurden in Mitleidenschaft gezogen, unter ihnen jene von Johannes Hügli, der sie zwei Jahre zuvor von seinem Vater Christian (gebürtig aus Lützelflüh) gekauft hatte. Kurz nach dem Brand wurden die Häuser mithilfe zahlreicher Bauleute aus Vorarlberg (Österreich) und unter der Leitung des Baumeisters Anton Römer wieder aufgebaut. Das galt auch für Hüglis Mühle. Der Neuanfang des Betriebs schien allerdings unter keinem guten Stern zu stehen. Rund 20 Jahre nach dem Wiederaufbau ging die Mühle infolge von Insolvenz an den ehemaligen Regierungsstatthalter Samuel Hügli über. Dieser organisierte im März 1846 eine Versteigerung in der Wirtschaft zum Adler.
«Himmeltruurig» war der Zustand
Das Mühlenrad drehte sich ebenso munter weiter wie das Besitzerkarussell. In den 1890er-Jahren wurde in dem Gebäude vorübergehend eine Wagnerei betrieben. Über 130 Jahre sowie zahlreiche Handänderungen durch Erbschaften, Steigerungskäufe und Erbteilungen später wurde 1979 Hans Rupp-Inäbnit der neue Eigentümer. Ihm folgte 1998 Hansruedi Marti, dem die Liegenschaft an der Kanderstegstrasse 12 bis heute gehört. «Himmeltruurig» sei der Zustand des Gebäudes damals gewesen, meint der Frutiger Architekt. Er habe umgehend mit der Sanierung des stattlichen Massivbaus begonnen. Da das Gebäude permanent genutzt wurde, arbeitete Marti sich etappenweise von oben nach unten vor. Er erhielt Altes und kombinierte es mit neuen Elementen aus Stahl und Glas. Es erfolgten die Renovation der Gebäudehülle und des Daches, eine wärmetechnische Sanierung sowie der Einbau eines Sanitärkerns bis in den Dachstock. Letzterer wird nach wie vor als grosszügiges, helles Sitzungszimmer mit schallisolierenden Glastrennwänden genutzt.
Vorausschauende Raumeinteilung
Ein eigens mit einem Schreiner entwickeltes Fenstersystem lässt die originalen Sprossenfenster von aussen wie vor dem Umbau erscheinen, im Innern wurde ihnen hingegen eine Wärmeschutzverglasung aufgesetzt.
Bei der Untersuchung der Fassade stellte sich heraus, dass im Laufe der Zeit vier verschiedene Farbanstriche aufgetragen worden waren. Man entschied sich, die erste Fassung wiederherzustellen. Als besonders herausfordernd beschreibt Marti rückblickend den Einbau der neuen Treppenanlage vom Keller bis in den Dachstock, weil jedes Geschoss eine andere Höhe aufweist. Im Original erhalten wurde der Ofen, der das Familienwappen der Hüglis auf der einen Seite und deren Inschrift auf der anderen Seite aufweist. Dieser Ofen ist noch heute der Hingucker beim Coiffeur im ersten Obergeschoss. Das Haus wird noch mit Öl beheizt, demnächst aber ans Fernwärmenetz angeschlossen. Im Erdgeschoss befindet sich strassenseitig ein Blumengeschäft, im ersten Obergeschoss eine Wohnung und im zweiten Obergeschoss sowie im Dachstock das Architekturbüro der Marti Architekten SIA AG. Diesen Bereich hat Marti so renoviert und vorbereitet, dass er in einem weiteren Schritt zu Wohnraum umgestaltet werden kann.
Gute Zusammenarbeit mit den Behörden
Der einstige Mühleraum im Untergeschoss, wo sich früher der Antrieb des Mühlenrads befand, wurde ebenfalls saniert. Mit diesem hatte Marti von Anfang an besondere Absichten: «Als Architekt fühle ich mich auch ein wenig dazu verpflichtet, etwas für die lokale Kultur zu tun, etwas zurückzugeben.» Aus diesem Grund stellt er den Raum der Öffentlichkeit für kulturelle Anlässe kostenlos zur Verfügung – ein Angebot, das vielfach genutzt wird. So findet zum Beispiel am 25. Mai um 18 Uhr die Buchvernissage zu Christian Bärtschis Neuerscheinung «Hiimwäga. Wyteri adelbodetütschi Gschichte» statt.
Als gut stuft Marti im Nachhinein die Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden und der kantonalen Denkmalpflege beim Umbau dieses 1,4-Millionen-Projekts ein: «Es ist ein Geben und Nehmen, man muss auch beiderseits Kompromisse eingehen können.» Ganz abgeschlossen hat Marti die Restaurierung des alten Mühlegebäudes noch nicht: «Ich plane, die Turbine am ehemaligen Wuhrkanal zu restaurieren. Diese stammt aus den 1900er-Jahren und ersetzte das grosse hölzerne Mühlenrad.» Auf entsprechenden Schildern sollen sich BesucherInnen über die Frutiger Industrialisierung informieren können.
Der Schweizer Mühletag vom 20. und 21. Mai 2023 steht ganz im Zeichen der Stromproduktion mit und in historischen Anlagen. Mehr als 100 restaurierte und noch funktionsfähige Mühlen im ganzen Land öffnen dann ihre Türen. Im Berner Oberland sind dies: Grabenmühle Sigriswil, Dorfmuseum «Alte Mühle» Wilderswil, Ballenberg, Säge Schwarzwaldalp.
Mehr erfahren Sie unter www.frutiglaender.ch im Bereich Web-Links.