Eine Tour entlang vergessener Wegweiser
04.02.2025 RegionGESCHICHTE Um die Distanz nach Bern einschätzen zu können, orientierte man sich einst an sogenannten Stundensteinen. Markus Zurbuchen aus Wengi fotografierte sämtliche Expemlare zwischen Kandersteg und der Bundesstadt – doch eines blieb unauffindbar.
...GESCHICHTE Um die Distanz nach Bern einschätzen zu können, orientierte man sich einst an sogenannten Stundensteinen. Markus Zurbuchen aus Wengi fotografierte sämtliche Expemlare zwischen Kandersteg und der Bundesstadt – doch eines blieb unauffindbar.
HANS HEIMANN
Die sogenannten Stundensteine sind Zeugen der Verkehrsgeschichte und ein bedeutendes Kulturgut des Kantons Bern. Sie dienten einst als Orientierungspunkte und gaben an, wie lange man zu Fuss oder mit einem Fuhrwerk brauchte, um zum Zytglogge-Turm in Bern zu gelangen. Diese Granitsteine, deren Tradition auf die römischen Meilensteine zurückgeht, wurden im 18. und 19. Jahrhundert systematisch an den wichtigen Strassen auf dem Gebiet der Stadt und Republik Bern sowie in deren Umgebung aufgestellt, und zwar vorwiegend auf der rechten Strassenseite von Bern aus gesehen. Es kam vor, dass Stundensteine, die nicht in Mauern integriert waren oder dicht am Strassenrand standen, angefahren, beschädigt und infolgedessen auch mal umplatziert wurden. Im grossen Stil wurden die Steine vor rund 200 Jahren versetzt, weil sich die Masseinheiten verändert und die Wegstunden verkürzt hatten. Anfänglich betrugen die Abstände 18'000 Berner Schuh (5279 m), danach 16'000 Schweizer Fuss (4800 m).
Einzigartige «Chempen»
Seit 1978 sind die Stundensteine per Regierungsratsbeschluss geschützt und in einem Inventar aufgelistet. Heute dürfen sie nur in Absprache mit der Fachorganisation ViaStoria versetzt oder restauriert werden. Falls man sie bewegt, muss man sie grundsätzlich nahe an ihrem ursprünglichen Standort belassen. Von Kandersteg nach Bern zeigen insgesamt 13 Steine die benötigte Marschzeit zum Zytglogge-Turm an. Einer steht in Wengi bei Frutigen, dem Wohnort von Markus Zurbuchen. «Der Stein weckte meine Neugier auf diese historischen Wegzeichen», erzählt der 68-Jährige. «Ich recherchierte im Internet und staunte nicht schlecht, als ich im Geoportal des Kantons Bern auf eine grosse Zahl noch bestehender Stundensteine stiess.» Rund drei Viertel der ursprünglich über 120 Exemplare im heutigen Kantonsgebiet seien noch erhalten und sichtbar. Diese «Chempen», wie sie der diplomierte Ingenieur im Ruhestand nennt, seien stille Zeugen vergangener Zeiten und faszinierten ihn durch ihre schlichte, aber bedeutungsvolle Präsenz. Zurbuchen wollte ihre Geschichte erkunden und sie fotografisch festhalten. Mit einer Kamera ausgerüstet schwang er sich auf sein Rennvelo und fuhr den Weg zwischen Kandersteg und Bern ab. «Dabei nahm ich mir die Zeit, die Einzigartigkeit der Steine zu entdecken.» Diese Tour habe ihn nicht nur durch eine beeindruckende Landschaft, sondern auch durch die Geschichte des Kanton Berns geführt, wie er ihm Nachhinein festhält: «Diese sportliche Aktivität, gepaart mit Entdeckungslust, bot mir eine neue Perspektive auf ein oft übersehenes Kulturgut. Die Steine erzählen leise Geschichten von einer Zeit, in der das Reisen beschwerlicher war und Entfernungen anders wahrgenommen wurden.»
Lücke in Rubigen
Lächelnd bezeichnet Markus Zurbuchen den «Stundenstein X» in Wengi als den schönsten. Dieser steche durch seine Ästhetik heraus, meint er, und auch sein Zustand sei besonders. Dass nicht alle Exemplare so leicht zu finden sind, stellte der Hobbyfotograf schon nach ein paar Kilometern auf seiner Tour fest. Die Suche nach dem «Stundenstein XII» etwas unterhalb des Blausees sei eine Herausforderung gewesen: «Dieser lag etwas versteckt und an einer schwer zugänglichen Lage, doch die Suche hat sich gelohnt.» Kaum zu übersehen war laut Zurbuchen der «Stein VI» in Thun. Dieser rage mit einer Höhe von 123 cm an der Frutigenstrasse empor. Auf seiner Velofahrt im Aaretal angekommen, fotografierte der Wenginer den «Stundenstein IV» in Kiesen, anschliessend folgte der «Stundenstein III» in Münsingen. In Rubigen blieb Zurbuchen erstmals erfolglos. Auch eine Anfrage bei der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern konnte ihm nicht weiterhelfen – der «Stundenstein II» blieb unauffindbar. Der letzte respektive von Bern aus gesehen erste Stein in Muri war wieder einfacher zu finden. «Es scheint, dass der Stein in Rubigen fehlt und somit leider auch ein Stück Geschichte verloren gegangen ist», blickt Markus Zurbuchen auf eines seiner zahlreichen Fotoprojekte zurück.
Mehr von Markus Zurbuchen: www.mzc.ch