Ferien machen wie im Chalet von Freunden
26.07.2024 Adelboden, TourismusNach zwei Jahren Umbauzeit wurde das ehemalige Hotel Waldhaus als «The Brecon» wiedereröffnet. Der Name stammt von einer Bergkette in der walisischen Heimat der Eigentümer. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, eine ganz neue Art der Hotellerie zu schaffen – und ...
Nach zwei Jahren Umbauzeit wurde das ehemalige Hotel Waldhaus als «The Brecon» wiedereröffnet. Der Name stammt von einer Bergkette in der walisischen Heimat der Eigentümer. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, eine ganz neue Art der Hotellerie zu schaffen – und geben zu, dass es dafür einen langen Atem braucht.
RETO KOLLER
Der Umbau des ehemaligen «Waldhaus» erwies sich als schwieriger als zunächst angenommen. Die Bausubstanz war angeschlagen; letztlich blieb nur die Gebäudehülle bestehen. Die Umbauzeit verdoppelte sich dadurch auf zwei Jahre und die Kosten des Millionenprojekts lagen am Ende deutlich höher als ursprünglich geplant.
Das Innere wurde vollständig neu gestaltet, insbesondere das Parterre, der heutige «Livingroom». Hier befinden sich die Rezeption, eine offene Küche und eine gemütliche Lounge. Die Einrichtung ist in warmen Brauntönen gehalten. Viel Holz und Naturstein sorgen für eine behagliche Atmosphäre.
Die 22 Zimmer und Lofts unterscheiden sich in Grösse und Komfort. Der Stil des Interieurs orientiert sich am Lebensgefühl der 1950er-Jahre. Es finden sich darunter auch einige Originalmöbel der ehemaligen Rotisserie «Le Tartar» wieder. Ergänzt wird das Angebot um einen Spa-Bereich mit Aussenpool, eine Sauna und ein Dampfbad.
Der eigentliche Luxus: Aufmerksamkeit
Das reichhaltige à-la-Carte-Frühstück leitet den Tag ein. Wenn der Gast zur Mittagszeit Hunger verspürt, stehen kleine Speisen bereit. Nach einer Stärkung kann er zum Beispiel eine Entdeckungsreise durch Adelbodens Natur unternehmen.
Martina von Deschwanden ist die Gastgeberin im «The Brecon». Sie begleitet ihre Gäste gerne auf Erkundungstouren durch den Ort oder geht im Winter mit ihnen Skifahren. «Das ist Teil der Gastfreundschaft, wie wir sie im ‹The Brecon› leben wollen», erklärt Grant Maunder, der Miteigentümer des Hotels.
Der eigentliche Luxus im Brecon wird also die Aufmerksamkeit des 13-köpfigen Teams um Martina von Deschwanden sein. Es kümmert sich von früh bis spät um die Wünsche und Bedürfnisse der Erholungssuchenden. «Sie sollen sich fühlen, als wären sie zu Gast bei grosszügigen Freunden in einem privaten Chalet», skizziert die Gastgeberin das gewünschte Lebensgefühl.
Am späten Nachmittag heisst es dann «Tea Time» mit allerlei Gebäck und Sandwiches in der Lobby, bevor man sich im Spa von den Anstrengungen des Tages erholen kann. Anschliessend wartet ein Viergang-Nachtessen, zubereitet mit möglichst vielen regionalen Produkten und begleitet von einer guten Flasche Wein. Zum Abschluss des Tages gönnen sich die Gäste noch ein Getränk aus der reich bestückten Bar – so etwa darf man sich den Tagesablauf der Gäste vorstellen.
Alles im Zimmerpreis enthalten
Eine Besonderheit des Hauses, welche die Zimmerpreise ab 850 Franken pro Nacht rechtfertigt, ist das «All-inclusive»- Konzept. Es gilt nicht nur für die Speisen und den Spa-Bereich, sondern auch für sämtliche Getränke. Der Weinkeller ist gut assortiert, und es findet sich dort unter anderem eine stattliche Anzahl edler Tropfen aus den wichtigsten Anbaugebieten der Schweiz und Europas. Auch die Drinks an der frei zugänglichen Hausbar sind kostenlos. Wer seine Tischrunde oder neu gewonnene Freunde zu einer Flasche Wein oder einem Schlummertrunk einladen will, muss sich also keine Gedanken über die Bezahlung machen – das alles ist über den Zimmerpreis bereits abgegolten.
In den Wohnräumen sucht man vergeblich nach dem sonst obligatorischen Fernsehgerät. «Wir möchten die Kundinnen und Kunden dazu ermuntern, im Livingroom gute Gespräche zu pflegen, in einer gemütlichen Ecke ein spannendes Buch zu lesen oder vielleicht eine Partie Schach zu spielen», meint von Deschwanden dazu. Dass dabei das ständige Piepsen von Handys unerwünscht ist, liegt auf der Hand. In einer kleinen Hausordnung werden die Gäste deshalb gebeten, im Livingroom, in der Lounge und im Spa auf die Nutzung elektronischer Geräte möglichst zu verzichten.
Das Haus soll die Gastfreundschaft und die Ambiance eines Zuhauses der 1950er-Jahre ausstrahlen und Individualgästen ohne Kinder und Haustiere vorbehalten sein. Martina von Deschwanden sieht jedoch auch Chancen, das ganze Hotel mit seinen 22 Zimmern für einen Firmenanlass, eine Hochzeit oder Ähnliches zu vermieten. Die Zukunft wird zeigen, ob es dafür eine Nachfrage gibt.
Ein Haus nur für die Gäste
Die Hoteleigentümer Craig und Grant Maunder machten sich intensive Gedanken über das hauseigene Restaurant. Soll es öffentlich sein? Was soll dort angeboten werden? Nach langen Überlegungen entschieden sie sich, das Haus ausschliesslich ihren Gästen zu widmen. «Die eingeschränkten Platzverhältnisse und das Konzept der Gastronomie liessen keinen anderen Schluss zu», erklärt von Deschwanden. Man will ganz für die eigenen Gäste da sein und ihnen möglichst alle Wünsche erfüllen. Das heisst jedoch nicht, dass die Küche 24 Stunden geöffnet ist. «Wir gehen auf Sonderwünsche so weit wie möglich ein, vertrauen aber auf den gesunden Menschenverstand unserer Kunden», präzisiert die Gastgeberin.
«Kein Hotel ist perfekt»
Angesprochen auf die Lage direkt an der Dorfstrasse und die begrenzten Platzverhältnisse ohne nennenswerten Umschwung und Garten, meint Maunder: «Kein Hotel ist perfekt, weder unser ‹The Cambrian› noch das ‹Dolder Grand Hotel› in Zürich oder der ‹Bürgenstock›». Jedes Haus habe gewisse Nachteile und man müsse das Beste aus der Situation machen. «Wir kompensieren den mangelnden Umschwung mit einer einzigartigen Gastfreundschaft und höchster Aufmerksamkeit für die Wünsche unserer Kunden», erläutert Maunder. Dann weist er auf den Blick zum nahegelegenen historischen Schwimmbad Gruebi hin. «Dieses Bad sucht in ganz Europa seinesgleichen», schwärmt er. Bekannte, welche die ganze Welt bereist hätten, seien vom Anblick überwältigt gewesen. Das Schwimmbad liege nur einen Katzensprung vom Hotel entfernt. Im Übrigen würden viele der künftigen Gäste aus städtischen Zentren kommen. «Für sie ist die Strasse vor dem Hotel nicht von Bedeutung», ist sich Maunder sicher.
Verzicht auf Buchungsplattformen
Wer den Namen «The Brecon Adelboden» auf booking.com und ähnlichen Portalen eingibt, wird nicht fündig werden. Man verzichtet auf diese Vermarktungsform und investiert die gesparten hohen Kommissionen lieber in die Gästebetreuung. Maunder bezeichnet es als grösste Herausforderung, die besonderen Vorzüge des Hotels auf dem Weltmarkt zu kommunizieren. «Der Begriff ‹all inclusive› ist geprägt von Hotelanlagen der unteren und mittleren Preisklasse in Spanien und der Türkei», erläutert Grant Maunder. «Das hat nichts mit unserem Konzept zu tun – und das gilt es zu vermitteln».
Die Eigentümer verzichten auch auf die Zusammenarbeit mit grossen Reiseagenturen. Vielmehr soll die Kundschaft «organisch» durch Mund-zu-Mund-Propaganda und über Artikel in der internationalen Presse angesprochen werden. Die Maunders sind überzeugt, dass sich auf diese Weise langfristig das Ziel erreichen lässt, täglich 25 bis 30 Gäste zu beherbergen. «Wir brauchen aber sicher einen langen Atem», räumt Maunder ein.
Die Maunders: Ein Faible für die Berghotellerie
Die walisische Familie Maunder besuchte Adelboden erstmals in den frühen 1970er-Jahren und ist dem Dorf seitdem treu geblieben. «Adelboden ist ein wunderbarer Ort mit einer fantastischen Landschaft und einer grossen touristischen Tradition, die bis in die 1890er-Jahre zurückreicht», schwärmt Grant Maunder. Er und sein Bruder Craig fühlen sich nicht nur wegen der Reize des Lohnerdorfes hier heimisch. «Waliser und Berner Oberländer scheinen eine ähnliche Mentalität zu haben», stellt Grant Maunder fest.
2006 kauften die beiden Brüder das Grandhotel Regina und bauten es vollständig um. «The Cambrian», wie sie es nannten, setzte in Adelboden neue Akzente und ist sehr erfolgreich. 2017 griffen Maunders erneut zu, als die Hotels Huldi und Waldhaus der Familie Gygax zum Verkauf standen.
Später erwarben die beiden auch das Hotel Schweizerhof in Saas Fee. «Wir investieren aus Leidenschaft in die Berghotellerie. Natürlich: Es gibt einfachere Wege, um Geld zu verdienen. Wir sind zufrieden, wenn die Bankmanager mit uns zufrieden sind.»
Nächstes Projekt: Das Hotel Huldi
Bei ihren Bauvorhaben in Adelboden legen die Maunders grossen Wert darauf, jeweils mit einheimischen Unternehmungen zusammenzuarbeiten. Als Nächstes soll ihr Hotel in Saas Fee vollkommen saniert werden, bevor sich die beiden Investoren an den Neubau des Hotels Huldi machen werden.
Grant Maunder ist in der Vermögensverwaltung tätig, sein Bruder Craig kümmert sich um das Management und die Kostenkontrolle der Bauprojekte.
RETO KOLLER