Für mobile Personen sind Gemeindegrenzen nicht so wichtig
06.05.2025 RegionEine Abstimmung über die Fusion von elf Kirchgemeinden in der Stadt Bern findet am 18. Mai statt. Abnehmende Mitgliederzahlen, neue Trends und mobilere Mitglieder sind Ursachen dafür. Wie sieht die Lage im Frutigland aus?
ANGELA KRENGER
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Eine Abstimmung über die Fusion von elf Kirchgemeinden in der Stadt Bern findet am 18. Mai statt. Abnehmende Mitgliederzahlen, neue Trends und mobilere Mitglieder sind Ursachen dafür. Wie sieht die Lage im Frutigland aus?
ANGELA KRENGER
Die Evangelisch-reformierte Kirche Bern soll neu eine einzige und zweisprachige Kirchgemeinde werden. In Bern wird deshalb am 18. Mai abgestimmt. Hintergrund der Fusion sind die schwindenden Mitgliederzahlen und der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahre. Und die Mitglieder seien mobiler geworden, das kirchliche Leben fände nicht mehr ausschliesslich lokal statt. So steht es in der Abstimmungsbotschaft. Wie gestaltet sich die Situation im Frutigland und ist Fusion ein Thema?
«Stehen vergleichsweise gut da»
«Jede Gemeinde hat ihre Identität und die Durchmischung hält sich in Grenzen – wie ich es wahrnehme», sagt Christian Gantenbein, Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Frutigen und damit der grössten Gemeinde im Tal. Von einem Wunsch nach Fusion habe er noch nie gehört. Die Entwicklungen in Bern würde er aber interessiert mitverfolgen. Es gibt Argumente dafür und dagegen. «Man erhofft sich einen Effizienzgewinn in der Administration und den Strukturen. Gleichzeitig wird befürchtet, dass Eigenheiten der Kirchgemeinden in der Stadt verloren gehen oder zu kurz kommen», fasst er zusammen.
Die Mitgliederzahl in Frutigen ist leicht rückläufig und liegt in den letzten Jahren zwischen 5100 und 5200 Mitgliedern. Er stelle in der Region eine gute Kirchenbindung fest, so Christian Gantenbein. Die Landeskirche stehe hier vergleichsweise gut da. Regionale Zusammenarbeiten mit anderen Gemeinden gibt es bereits, so beispielsweise in der Erwachsenenbildung. Zudem decke etwa der Regio-Teil der Monatszeitung «reformiert.» das Gebiet von Spiez bis Kandersteg ab, erzählt Gantenbein. Die Veranstaltungen könnten dann von allen besucht werden.
Mobile Mitglieder
Die Mobilität nimmt zu. Das fällt Kirchgemeinderatspräsident Gerhard Kunz in Reichenbach auf. «Die Personen orientieren sich grossräumiger. Zum Beispiel besuchen manche, die etwa in Bern arbeiten, dort das kirchliche Angebot.» Oder jemand, der eine Pfarrperson in Frutigen oder Adelboden super fände, würde dort einen Gottesdienst besuchen. Dabei hat auch Reichenbach Aspekte, die weiträumig ansprechen würden. Nebst der Taufe im Gottesdienst gibt es etwa das Tauffest in der Natur. Fusion sei allerdings kein Thema. «Ich denke nicht, dass man die Mitglieder heute davon überzeugen könnte, solange es nicht notwendig ist», schätzt er die Lage ein. Die Mitgliederzahlen in Reichenbach sind leicht rückläufig und bewegen sich zwischen 2400 und 2500 Personen. Allerdings ist Zusammenarbeit auch in Reichenbach alltäglich, so in der heilpädagogischen Arbeit und der Erwachsenenbildung, sagt Kunz. «Auch bei Verwaltungsaufgaben kann es Sinn machen, zusammenzuspannen», ist er überzeugt.
Kirche ist immer in Bewegung
Ein Gottesdienst im Berner Münster oder eine Taizéfeier in der Scherzlig-Kirche Thun, das seien beliebte Angebote, sagt Pfarrer Hansruedi von Ah von der reformierten Kirchgemeinde Aeschi-Krattigen. Er beobachte, dass für mobile Personen Gemeindegrenzen nicht so wichtig seien. Die regionale Kirche bleibe dabei aber wichtig. «Gerade Senioren und Seniorinnen oder Familien mit Kindern schätzen die Vernetzungen, welche es durch die örtliche Kirche gibt», so von Ah.
Die Mitgliederzahlen in Aeschi bewegten sich in den vergangenen Jahren zwischen 1500 und 1600 Personen, Tendenz abnehmend. In Krattigen sind es zwischen 600 und 700 Mitglieder, auch hier ist die Anzahl sinkend. Eine Fusion sei zurzeit kein Thema, so von Ah. «Aber zum Beispiel im Rechnungswesen, bei der Administration und beim Bauwesen wird schon viel zusammengearbeitet.» Und: Pfarrpersonen würden teils auch ein Amt in zwei unterschiedlichen Gemeinden abdecken, wenn diese klein seien. Die Fusionsabstimmung in der Stadt Bern sei eine grosse Entwicklung, doch die Kirche sei dauernd in Bewegung.Er erzählt dazu ein Episode. «Als ich vor 20 Jahren in Aeschi-Krattigen anfing, war ich als Pfarrer noch vom Kanton angestellt und zur Amtseinsetzung kam der Regierungsstatthalter.» Inzwischen sind die Pfarrpersonen ganz Angestellte der Kirche.
Eine Allianz in Adelboden
«Ich bin seit zwei Jahren Pfarrer in Adelboden», erzählt Tim Hänni. Jedes Jahr gebe es einzelne Austritte, die Personen würden keine Gründe angeben. «Es ist häufig so, denke ich, weil sie keine Berührungspunkte mit der Kirche mehr haben», nimmt der Pfarrer an. «In Adelboden besuchen viele eine Freikirche und als evangelische Allianz haben wir gemeinsame Angebote wie zum Beispiel die Jungschar.» Sie würden sich ergänzen und viele seien Doppelmitglieder. Eine Fahrt zur Predigt etwa nach Frutigen sei von der Strecke her nicht naheliegend, sagt er zur Mobilität.
Die Kirchgemeinde Adelboden zählt um die 2400 Mitglieder. Die Zahl sei seit einigen Jahren ziemlich stabil, sagt Franziska Pieren, Sekretärin des Kirchgemeinderates und der Kirchgemeindeversammlung. Für eine Fusion bestehe kein Bedürfnis, so die Einschätzung von Pfarrer Hänni. Aber man arbeite über die Grenzen der eigenen Gemeinde zusammen, wo es sinnvoll sei. «So organisiere ich das nächste Konflager zusammen mit der Kirchgemeinde Kandergrund-Kandersteg», gibt er als Beispiel an. Oder es gebe Angebote der Erwachsenenbildung, getragen von allen Kirchgemeinden im Frutigland.
«Die Kirchgmeinden sind verschieden»
«Wir sind die kleinste Kirchgemeinde im Amtsbezirk Frutigen-Niedersimmental», sagt Vreni Wäfler, Sekretärin der Kirchgemeinde Kandergrund-Kandersteg und Sekretärin des kirchlichen Bezirks Frutigen-Niedersimmental. Es komme vor, dass Personen für Angebote nach Frutigen gehen würden. Für sie ist klar: Die Kirchgemeinden sind verschieden. «In Kandersteg-Kandergrund gibt es relativ wenig Freikirchen, dafür auch einige Katholikinnen und Katholiken», so Wäfler. Deren Kinder würden zum Beispiel nicht zu ihnen in den Unterricht kommen. Allerdings führt die Kirche ökumenische Anlässe durch. Wäfler ist überzeugt, dass sich die Leute «Göttis» für ihre Kinder wünschen. «Doch heute entscheiden sich manche, das im Privaten oder bei einem Essen zu feiern», erzählt sie über die aktuellen Entwicklungen. In der Kirchgemeinde Kandergrund-Kandersteg würden viele für Hochzeiten und Taufen noch in die Kirche kommen. Die Mitgliederzahl ist denn auch nur leicht rückläufig und liegt zwischen 1300 und 1400 Personen. «Auf dem Land ist der Mitgliederrückgang allgemein noch weniger ausgeprägt als in der Stadt», beobachtet Vreni Wäfler.
Abstimmung in der Hauptstadt
Für die Berner Fusion braucht es zwei Umstrukturierungen. Einerseits den Zusammenschluss der elf Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden Bern-Bethlehem, Bern-Nord (vormals Johannes und Markus), Bümpliz, Frieden, Heiliggeist, Matthäus Bern und Bremgarten, Münster, Nydegg, Paroisse de l’Église française réformée de Berne, Paulus und Petrus. Andererseits die Änderung der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern zur Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Bern. In der Gesamtkirchgemeinde Bern und in den elf betroffenen Gemeinden der Stadt und in Bremgarten wird nun am kommenden 18. Mai darüber abgestimmt. Dann wird sich zeigen, wie es mit der Fusion weitergeht.