Kantons-Jingle nicht rücknehmbar
09.07.2024 RegionJeder Rundfunksender und jeder halbwegs professionelle «Youtube»- Kanal hat eine Art Erkennungsmelodie, die zu Beginn eines Beitrags abgespielt wird. «Jingle» nennt sich das im Fachjargon, «Audio-Marke» nennt es der Kanton Bern. Im Frühjahr verkündete ...
Jeder Rundfunksender und jeder halbwegs professionelle «Youtube»- Kanal hat eine Art Erkennungsmelodie, die zu Beginn eines Beitrags abgespielt wird. «Jingle» nennt sich das im Fachjargon, «Audio-Marke» nennt es der Kanton Bern. Im Frühjahr verkündete dieser: «Um bei multimedialen Formaten nicht nur über das Bild, sondern auch über den Ton eindeutig wiedererkannt zu werden, hat die Staatskanzlei unter Federführung des Amts für Kommunikation eine Audio-Marke definiert.» Diese soll im Vor- und Abspann jedes offiziellen Video- oder Tonbeitrags laufen, den der Kanton Bern veröffentlicht.
Kurz nach der Veröffentlichung des neuen Kantons-Jingles reichte der aus Frutigen stammende SVP-Grossrat Nils Fiechter (Oberwil) eine Motion ein und forderte den umgehenden Stopp des Projekts. Die rund 40 000 Franken, die es gekostet habe, seien unverhältnismässig und liefen den «Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit» zuwider. Zudem störte sich Fiechter daran, dass für die Produktion der Audio-Marke ein Zürcher Unternehmen beauftragt worden war.
Zur Identifizierung glaubwürdiger Quellen
Unterdessen hat der Regierungsrat Nils Fiechters Vorstoss beantwortet. Das Projekt «Audio-Marke» abzubrechen, sei nicht möglich, da es bereits 2023 umgesetzt und bezahlt worden sei – und zwar innerhalb des vom Grossen Rat genehmigten Budgets. Der Regierungsrat betont, dass es dabei nicht nur um die Erkennungsmelodie gegangen sei, sondern auch darum, die Richtlinien für einen einheitlichen Auftritt des Kantons Bern zu erweitern. Der Gedanke dahinter: «Dass die Inhalte klar identifizierbar sind, ist heute besonders wichtig, da wir alle im Internet oder in den sozialen Medien auf glaubwürdige Inhalte aus vertrauensvollen Quellen angewiesen sind.» Die Gesamtkosten für Vorbereitung, Komposition, Produktion und letztlich auch für die Urheberrechte beurteilt der Regierungsrat als «marktüblich». Dass der Auftrag an eine Zürcher Agentur gegangen sei, habe seine beschaffungsrechtliche Richtigkeit. Von den vier eingegangenen Offerten (darunter zwei aus dem Kanton Bern) sei diese die beste gewesen – und Anbieter aus anderen Kantonen zu diskriminieren, sei nicht erlaubt.
Ganz ähnlich hatte der Regierungsrat bereits im März Fiechters Interpellation zum selben Thema beantwortet.
BIANCA HÜSING
Was kostet ein Vorstoss?
Motionen und Interpellationen sind für ParlamentarierInnen wichtige Instrumente der politischen Teilhabe und Informationsbeschaffung. Entsprechend rege machen sie davon Gebrauch: Im laufenden Jahr wurden allein im Kanton Bern gut 80 Vorstösse eingereicht. Auf Bundesebene kommt man mittlerweile auf fast 2000 pro Jahr. Oft kommen die Verwaltungen nicht mehr mit dem Abarbeiten alter Vorstösse hinterher, bevor schon wieder etliche neue eintreffen. Immer wieder versuchen deshalb einzelne Parlamentarier, die Vorstossflut ein wenig einzudämmen, beispielsweise durch das Fordern von Kostentransparenz. Die meisten Begehren dieser Art wurden abgelehnt – ausser im Kanton Aargau, wo seit 2001 jeder Vorstoss von der Kantonsregierung mit einer Kostendeklaration versehen wird. Auch wenn die Zahlen jeweils nur eine grobe Annäherung darstellen können, offenbarte die Erhebung Interessantes: Der günstigste Vorstoss (eine Motion) kostete gut 800 Franken, der teuerste (eine Interpellation) knapp 16 000. Im Schnitt kommt der Kanton Aargau auf 1400 Franken pro Vorstoss, der Bund auf 6100 Franken.
Als auch der Berner Regierungsrat vor vier Jahren um eine Kostenschätzung gebeten wurde, lehnte dieser ab mit der Begründung, die Erhebung sei aufwendiger als ihr Nutzen. Im Aargau habe die Kostendeklaration schliesslich auch nicht zu einer Reduktion der Vorstossflut geführt. Zudem wies die Regierung darauf hin, finanzielle Kriterien dürften bei der Ausübung demokratischer Rechte keine Rolle spielen.
Ob eine Motion zur Rücknahme eines längst umgesetzten Projekts verhältnismässig ist, wird also jeder Parlamentarier weiterhin für sich selbst beurteilen müssen.
HÜS