Mit heimischer Kohle zu sauberem Trinkwasser

  24.11.2023 Gesellschaft

INNOVATIONEN Ein Unternehmer aus dem Kanton Bern will aus Pflanzenkohle einen umweltfreundlichen Filter ent wickeln. Zum Einsatz kommen soll er in Quellfassungen, wie man sie häufig in der Berglandwirtschaft findet. Die Idee wurde nun ausgezeichnet und mit einem Preisgeld unterstützt.

Im Sommer 2016 stritten sich zwei Nachbarn aus Frutigen vor dem Regionalgericht Oberland. Der eine warf dem anderen vor, er habe sein Trinkwasser mit Gülle verunreinigt. Das Gericht betrieb erheblichen Aufwand, um den Vorwurf zu klären. An einem steilen Hang an der Prastenstrasse wurde die Brunnenstube begutachtet (ein einfacher Betonschacht mit Deckel), ebenso der Brunnen selbst. Es gab eine Ortsbegehung mit einem Experten des Inforama, ausserdem ordnete man einen Farbtest an, um die Fliesswege des Wassers im Erdreich zu klären.

Auch abgelegene Quellen sind gefährdet
Schätzungsweise 30 000 bis 35 000 solcher privaten Quellfassungen gibt es in der Schweiz; häufig versorgen sie Landwirtschaftsbetriebe. Sie sind auch dann gefährdet, wenn niemand sie direkt verunreinigt. Weltweit werden unzählige Schadstoffe in die Atmosphäre geblasen und über die grossen Windströme global verteilt. Durch Niederschläge gelangen sie so auch in Schweizer Berggebiete – und in jene Brunnen, die eigentlich sauberes Trinkwasser liefern sollen.

Globale Destillation wird das Phänomen im Fachjargon genannt, weiss Roland Christen, Inhaber der InfraTrace GmbH in Kiesen. Christen ist Biochemiker und Spezialist für Pflanzenkohle wie zum Beispiel Holzkohle. Seit Jahren tüftelt er an Methoden, wie man dieses Material sinnvoll einsetzen kann – zum Beispiel für das Filtern von Quellwasser. Kleinteilige Kohle wirke wie ein grosser Schwamm und könne deshalb sehr gut Schad- und Giftstoffe binden, erklärt Christen. Diesen Effekt macht man sich seit Langem in der Abwasserreinigung zunutze – warum nicht auch zur Trinkwasseraufbereitung? Also entwickelte Christen eine einfache Filterlösung auf Kohlebasis. Erste Tests konnte er mit dem Material in Luthern im luzernischen Napfgebiet durchführen. Dort steht der Landwirtschaftsbetrieb von Hans Peter-Suppiger, dessen Quellfassung zwei benachbarte Haushalte versorgt und Wasser für die Apfelsaftproduktion liefert.

Verwertung regionaler Rohstoffe
Doch was ist das Besondere am Kohlefilter von Roland Christen? «Zum Einsatz kommt eine Mischung aus unterschiedlich grossen Kohlestücken», erklärt der Biochemiker. «Daraus ergibt sich eine riesige Oberfläche, an der Schadstoffe besser anhaften können.» Mit dieser sogenannten Aktivkohle habe man die Möglichkeit, noch mehr schädliche Stoffe aus dem Wasser zu filtern.

Ein weiterer Vorteil: Das Filtermaterial wird nicht wie sonst aus fossilen Ausgangsstoffen wie Erdöl oder Erdgas gewonnen oder von weit her importiert. Stattdessen kann die Pflanzenkohle aus einheimischem Waldrestholz hergestellt werden – der komplette Herstellungskreislauf bleibt in der Region.

Die Idee, mit einem einheimischen Produkt Quellwasser zu filtern und sauber aufzubereiten, hat auch die Schweizer Berghilfe überzeugt: Sie verlieh dem Pflanzenkohlefilter den diesjährigen «Ideenscheck für Berggebiete». Der mit 15 000 Franken dotierte Innovationspreis wird von der Berghilfe gestiftet und gemeinsam mit dem Verein ITZ InnovationsTransfer Zentralschweiz verliehen. «Wir freuen uns riesig über diese Anerkennung», kommentierte Roland Christen die Auszeichnung. «Nun können wir das Projekt auf die nächste Stufe hieven.»

Bald schweizweit im Einsatz?
Mit der Preissumme soll ein Prototyp für die Trinkwasserquellfassung von Hans Peter-Suppiger angefertigt werden. Danach will man dort ein Jahr lang regelmässig Probeanalysen durchführen und die Wasserqualität kontrollieren. Kurt Zgraggen, Geschäftsführer der Schweizer Berghilfe, sieht in dem Projekt grosses Potenzial: «Mit der Möglichkeit, mit Pflanzenkohle Quellwasser zu filtern, sorgen Hans Peter-Suppiger und Roland Christen nicht nur dafür, dass für viele Haushalte die Qualität des Trinkwassers besser wird. Sie nutzen dafür auch einen einheimischen Rohstoff. Ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Quellwasserfilter bald schweizweit zum Einsatz kommt.»

MARK POLLMEIER / PRESSEDIENST SCHWEIZER BERGHILFE

Weitere Infos zur Firma InfraTrace von Roland Christen finden sie unter www.frutiglaender.ch im Bereich Web-Links


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