Muskelkrämpfe – Wenn plötzlich nichts mehr geht
29.04.2025 GesundheitWenn es unvermittelt in die Wade schiesst oder ein heftiger Schmerz den Oberschenkel durchzieht, dann ist klar, ein Muskelkrampf verunmöglicht jegliche weitere Aktivität. Egal ob er nur wenige Sekunden oder einige Minuten dauert, weitermachen geht nicht mehr. Doch was ist die ...
Wenn es unvermittelt in die Wade schiesst oder ein heftiger Schmerz den Oberschenkel durchzieht, dann ist klar, ein Muskelkrampf verunmöglicht jegliche weitere Aktivität. Egal ob er nur wenige Sekunden oder einige Minuten dauert, weitermachen geht nicht mehr. Doch was ist die eigentliche Ursache von Muskelkrämpfen?
Ob beim Sport oder im Schlaf – fast jede und jeder hat es schon erlebt: plötzlich sind sie da und es tut höllisch weh! Muskelkrämpfe sind zwar äusserst schmerzhaft, aber in der Regel harmlos.
Im Körper gibt es drei Sorten von Muskelgewebe. Die Skelettmuskulatur, auch Bewegungsmuskulatur genannt, ist für alle Bewegungsabläufe des Körpers verantwortlich und die meisten der über 600 Skelettmuskeln sind bewusst steuerbar.
Die Herzmuskulatur arbeitet autonom, ohne Unterbruch und sie kann sich nicht verkrampfen.
Die Funktion der lebenswichtigen inneren Organe wie Darm, Atemwege oder Blutgefässe, von Harn- und Geschlechtsorganen sowie bestimmte Vorgänge im Auge (Pupillen, Nah-Fern-Anpassung, Tränen!uss) wird von der glatten Muskulatur bestimmt. Diese ist nicht bewusst kontrollierbar und wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert.
Muskeln – Tausende mikroskopisch kleiner Teleskope
Aufgrund ihrer Feinstruktur wird die Skelettmuskulatur «quergestreifte Muskulatur» genannt. Im hoch organisierten Muskelgewebe bündeln sich Muskelfasern, die selbst wiederum aus mehreren Hundert Muskelfibrillen bestehen. Deren Herzstück sind mikroskopisch kleine Kraftkammern (Sarkomere), auf zehn Zentimetern einer Fibrille finden sich etwa 40 000 dieser Einheiten aneinandergereiht. Bei der Muskelkontraktion schieben sich ihre Proteinstrukturen wie kleine Teleskope ineinander, verrichten dabei Arbeit und gleiten nach der Anspannung wieder auseinander.
Kalzium und Magnesium – die Schlüssel bei der Muskelarbeit
Skelettmuskeln lassen sich willentlich steuern und so steht am Anfang der Muskelarbeit immer ein Nervenimpuls. Bei dessen Reizleitung in den Nerven spielen Natrium und Kalium eine wichtige Rolle, und sobald das elektrische Signal die Muskelfasern erreicht, wird ein Botenstoff (Acetylcholin) freigesetzt, der in der Muskelzelle die Ausschüttung von Kalzium auslöst. In der Folge ändern die Muskelproteine ihre Form, unter Mithilfe von Magnesium wird Energie freigesetzt und die Muskelfibrillen beginnen, sich zusammenzuziehen. Sobald Kalzium wieder in seine Speicher eingelagert wird, entspannt sich der Muskel.
Was ist ein Muskelkrampf?
Das plötzliche und ungewollte Zusammenziehen eines Muskels löst einen äusserst unangenehmen und starken Schmerz aus. Der Muskel oder Teile davon fühlen sich steinhart an, doch nach einigen Sekunden oder Minuten folgt die Entspannung und der Schmerz lässt nach.
Gelegentliche Muskelkrämpfe treten relativ häufig auf und fast jeder Mensch kann ein Liedchen davon singen. Sehr oft treten Muskelkrämpfe als Folge einer Überanstrengung auf. Dies aber nicht nur bei Ausdauersportlern, denn Krämpfe infolge einer anhaltenden Muskelüberlastung an Händen und Fingern kennen auch Musiker, Büroangestellte (stundenlanges Tippen) oder Handwerker mit schwerem Werkzeug.
Und selbst in Ruhe oder im Schlaf kommen Muskelkrämpfe vor, insbesondere in den Waden oder am Fuss. Nächtliche Krämpfe sind weit verbreitet und mit dem Alter nimmt ihre Häufigkeit zu. So leidet ein Drittel bis die Hälfte der über 65-Jährigen mindestens einmal pro Woche an Muskelkrämpfen.
Treten nebst dem akuten und kurzzeitigen Krampf Begleitsymptome auf, können diese auf Komplikationen hinweisen und sollten ärztlich abgeklärt werden. Dazu gehören länger anhaltende Schmerzen nach einem Krampf, Bewegungseinschränkungen oder Schlafprobleme.
Die Nerven sind schuld!
Auch wenn es etwas komisch klingt, ein Muskelkrampf ist nicht ein Problem des Muskels, sondern der Nerven, die ihn steuern. Im Normalfall folgt nach getaner Arbeit die natürliche Entspannung des Muskels. Wenn jedoch die Nerven auf einmal unkontrolliert das Signal: «Anspannen!» schicken, gerät der normale Ablauf aus dem Gleichgewicht. Der Muskel wird zur Dauerkontraktion angeregt und zudem werden die Schmerzrezeptoren im betreffenden Muskel gereizt.
Weil Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium und Magnesium) für die Steuerung der Muskeln so wichtig sind, wird als Ursache immer wieder starkes Schwitzen und der Verlust von Mineralien ins Feld geführt. Dies kann eine Rolle spielen, doch als Auslöser der Krämpfe steht heute ein Ungleichgewicht in der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln im Vordergrund.
Die Regulierung der Muskelspannung
Die Spannung eines Muskels wird durch zwei «Biosensoren» überwacht. Muskelspindeln reagieren auf Dehnung und sie lösen, falls diese zu gross wird, eine Kontraktion aus. Umgekehrt reagiert das Golgi-Sehnenorgan auf Anspannung und reduziert diese bei zu starker Kontraktion.
Normalerweise dienen diese «Biosensoren» zur Aufrechterhaltung der normalen Muskelspannung, zur Feinjustierung von Bewegungen und zum Schutz des Muskels.
In einem ermüdeten Muskel kommt es jedoch zu einem Ungleichgewicht zwischen den Sensoren. Die Aktivität des Golgi-Sehnenorgans, welches den Muskel entspannt, nimmt ab und die überschiesssende Erregung der Muskelspindeln führt zu einem Muskelkrampf.
Der Frankfurter Sportmediziner Prof. Michael Behringer erklärt dies folgendermassen: «Die Nervenzellen im Rückenmark erhalten sowohl hemmende als auch aktivierende Signale. Bei einem Krampf geraten sie aus dem Gleichgewicht. Es kommt quasi zu einer Dauererregung. Das geschieht leichter, wenn der Muskel müde ist – etwa bei einem intensiven Training. Auch ein Flüssigkeitsoder Elektrolytmangel könnte insbesondere bei hohen Aussentemperaturen dazu beitragen. Hier führen die unterschiedlichen Theorien also doch wieder zusammen.»
Wie wird man einen Muskelkrampf wieder los?
Als Sofortmassnahme bei einem akuten Krampf reicht es meist, den Muskel langsam und vorsichtig zu dehnen. Bei einem Wadenkrampf wird dazu die Ferse auf den Boden gedrückt und die Zehen nach oben gezogen. Sobald der Krampf nachlässt, den Muskel massieren, die Beine ausschütteln und vorsichtig umhergehen. Zu Hause dann sorgt eine warme Dusche oder eine Wärme!asche für eine tiefe Entspannung. Die vielfach empfohlene Wirkung von Magnesium gegen Muskelkrämpfe nach grossen Anstrengungen ist wissenschaftlich nicht belegt. Manche Sportler schreiben jedoch Gurkenwasser eine gute Wirkung gegen Muskelkrämpfe zu (s. auch Text unten).
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Mehr Infos finden Sie unter www.frutiglaender.ch
Gurkenwasser gegen Muskel krämpfe?
Um einen Krampf zu stoppen, schwören manche Athletinnen und Athleten auf Gurkenwasser: die salzige und essighaltige Flüssigkeit, in der Gurken eingelegt sind. Laut einer kleinen US-amerikanischen Studie könnte da etwas dran sein. Das Gebräu verkürzte die Krampfdauer bei Männern mit Flüssigkeitsmangel. Da die Wirkung nahezu sofort einsetzte, sei sie nicht dadurch erklärbar, dass Flüssigkeit oder Elektrolyte aufgefüllt werden, folgern die Autoren. Stattdessen müsse es etwas mit den Nerven zu tun haben. «Vermutlich stimuliert die Essigsäure bestimmte Rezeptoren im Mund-Rachen-Raum», vermutet Sportmediziner Michael Behringer. Dieser Vorgang unterbricht offenbar re!exartig den Krampf. Der genaue Mechanismus ist jedoch noch nicht klar.
APOTHEKEN-UMSCHAU.DE
Muskelkater ist keine Folge von Übersäuerung
Nach starker und langer Anstrengung bildet sich im Muskel bei der Energiegewinnung aus Traubenzucker als Abbauprodukt Milchsäure (Laktat). Die lange vertretene Annahme, diese Übersäuerung sei schuld am Muskelkater, ist überholt. Heute weiss man, dass ungewohnte und zu intensive Belastungen kleinste Strukturen in den Muskelfasern zerstören. Diese schmerzhaften Mikroverletzungen sind die Ursache für einen Muskelkater, der im Gegensatz zu einem akuten Muskelkrampf erst ein bis zwei Tage nach einer Anstrengung auftritt und länger anhält.
BI