«Nehmen Sie sich Zeit und denken Sie weitsichtig»
21.11.2023 AdelbodenIm Rahmen der Gewerbeausstellung organisierte die Gemeinde zusammen mit der Organisation energie-cluster.ch ein Forum zum Thema energetische Gebäudeanierung. Über 100 Interessierte fanden sich ein und lauschten den Impulsreferaten.
RETO KOLLER
Der ...
Im Rahmen der Gewerbeausstellung organisierte die Gemeinde zusammen mit der Organisation energie-cluster.ch ein Forum zum Thema energetische Gebäudeanierung. Über 100 Interessierte fanden sich ein und lauschten den Impulsreferaten.
RETO KOLLER
Der Geschäftsführer des Vereins energie-cluster.ch (siehe Kasten), Frank Schürch, eröffnete den Anlass mit einigen Zahlen rund um den Sanierungsbedarf der schweizerischen Gebäudelandschaft. Anschliessend rief er dazu auf, Sanierungsmassnahmen mit Bedacht und gesamtheitlich zu planen. «Nehmen Sie sich Zeit und denken Sie weitsichtig!», rief er dem Publikum zu. Schürch spannte den Bogen von der Fenstersanierung über die Dacherneuerung bis zur Elektromobilität und der Finanzierung der Massnahmen. Darauf gab er das Mikrofon an Simon Reissmüler, den ersten der sechs Experten, weiter.
Gesamtsicht vor Einzelmassnahmen
Der Mitarbeiter der öffentlichen Energieberatungsstelle Thun / Berner Oberland West gab einen Überblick über die Vorgehensweise, wenn die energetische Sanierung eines Gebäudes zum Thema wird. Er stellte die Leistungen der überwiegend kostenlosen Energieberatung vor. Sie beginnt mit der Gesamtanalyse der Liegenschaft. «Ziel der Massnahmen ist die Verminderung Ihres Energiebedarfes. Die günstigste Energie ist diejenige, die Sie gar nicht erst verbrauchen», meinte Reissmüller. Die unabhängige Institution hilft den EigentümerInnen, energiesparende Massnahmen sinnvoll zu wählen und klug zu verbinden. Die Energieberatungsstelle kennt auch die Fördermassnahmen, die helfen, die Sanierungskosten zu vermindern.
Aaron Zurbrügg von der Adelbodner Baufirma Künzi + Knutti AG befasste sich mit der Gebäudehülle und deren Einfluss auf den Energieverbrauch. Er ging auf die verschiedenen Aspekte einer bevorstehenden Sanierung ein. «Die Reihenfolge der Massnahmen geht von aussen nach innen: Vorerst gilt es, Fenster, Dächer und Gebäudehüllen den heutigen Bedürfnissen anzupassen, bevor es um den Innenausbau geht», liess der Baufachmann wissen. Sein Kollege Tobias Lange führte in die Geheimnisse der der richtigen Fensterwahl ein.
Die Erdwärme ist hier nicht nutzbar
Beat Spiess von der Spiess Energie und Haustechnik AG referierte über Heizungserneuerung. Er beschrieb vorerst das mit Holzschnitzeln betriebene Adelbodner Fernweärmenetz, bevor er auf Einzellösungen für den Ersatz einer konventionellen Öl- oder Elektroheizung zu sprechen kam. «Alternative Wärmequellen sind das Erdreich, das Wasser und die Luft», liess er wissen. In Adelboden sei die Erdwärme nicht nutzbar, weil man bei Bohrungen auf Gas gestossen sei. Wichtigste Quelle sei die Luft, sprich: die Wärmepumpe, die sich auch in Adelboden bewährt habe. Als Alternative erwähnte er die Holzpelletheizung. Anhand einer Grafik zeigte Spiess auf, dass alternative Heizsysteme einer Ölheizung auch finanziell durchaus ebenbürtig seien, wenn man die Kosten über einen längeren Zeitraum betrachte. Abschliessend rief der Referent dazu auf, den Heizungsersatz gut und langfristig zu planen, um vor unangenehmen Überraschungen gefeit zu sein. Moderator Schürch wies darauf hin, dass Elektroheizungen ab 2032 verboten sein werden.
Pascal von Allmen, Betriebsleiter der Licht- und Wasserwerk AG, erläuterte anhand seiner eigenen, kürzlich installierten Photovoltaikanlage die Vorzüge und die Wirkungsweise selbst erzeugten Stroms. Mit mehreren Diagrammen gab von Allmen Einblick in den Tagesverlauf der Stromproduktion und des Bedarfs. An sonnigen Tagen lädt der überschüssige Strom eine Batterie auf, die nachts die gespeicherte Energie wieder abgibt. Auch wenn sich die Sonne verbirgt, erzeugt die Anlage weiterhin Strom. Der Adelbodner wird sich bald ein Elektroauto beschaffen, das mit eigenem Strom geladen wird. Er wies auf intelligente Steuerungen hin, die Produktion und Verbrauch effizient aufeinander abstimmen. Der Besitzer kann die Daten jederzeit über sein Smartphone abrufen. Zudem gibt es die Möglichkeit, mittels eines Energieverbunds auch mehrere Wohnungen oder gar Gebäude gemeinsam mit selbst erzeugtem Strom zu versorgen. Der Energiefachmann ging auf zurzeit laufende gesetzliche Bestrebungen ein. Es sei eine Vereinheitlichung des Rücknahmepreises von überschüssiger Energie in die öffentlichen Netze vorgesehen.
Hohe Investitionen, steuerliche Vorteile
Den Abschluss des Referentenreigens bildete der Finanzfachmann Stephan Bärtschi, Leiter der Spar- und Leihkasse Frutigen. Er gab einen Überblick über die Finanzierungsmöglichkeiten. Bei älteren Gebäuden können die Investitionen sechsstellige Summen erreichen, welche die Besitzerschaft nicht immer aus eigenen Mitteln zu stemmen vermöge. Bärtschi wies unter anderem auf die Vorteile hin, die wertvermehrende Massnahmen im Hiblick auf die Steuerrechnung haben.
Zum Schluss des Forums öffnete Moderator Schürch das Mikrofon für Fragen aus dem Publikum. Ein Anwesender wollte wissen, wann das Gebiet Boden vollflächig vom Fernwärmenetz erschlossen werde. Beat Spiess gab kund, dass ein flächendeckender weiterer Ausbau des Netzes aus topografischen und finanziellen Gründen nicht geplant sei.
Beim anschliessenden Apéro nutzten die Anwesenden die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und die eine oder andere zusätzliche Frage an die Experten zu richten, bevor man sich wieder der Gewerbeausstellung im nachbarlichen Parkhaus zuwandte.
Mehr Infos: www.frutiglaender.ch (Web-Links)
Energie-cluster.ch
Der Verein energie-cluster.ch wurde 2004 von Unternehmen, Hoch- und Fachhochschulen sowie von der öffentlichen Hand gegründet. Er ist schweizweit das führende Netzwerk für eine CO2-neutrale Energiewelt und leistet einen Beitrag zur Umsetzung der Energiestrategie 2050. Der Verein will Innovationen im Energiebereich fördern, die Wertschöpfung steigern und neue Arbeitsplätze schaffen.
RK