Qualität von den Mississippi-Wäldern
17.03.2023 RegionGESCHICHTE Mit dem Aufkommen des Wintersports wurden im Frutigland sowie in der ganzen Schweiz Skier hergestellt – anfänglich aus Eschen- und später aus Hickoryholz. Bevor Letzteres hier verarbeitet werden konnte, musste es zuerst den Atlantik überqueren.
...GESCHICHTE Mit dem Aufkommen des Wintersports wurden im Frutigland sowie in der ganzen Schweiz Skier hergestellt – anfänglich aus Eschen- und später aus Hickoryholz. Bevor Letzteres hier verarbeitet werden konnte, musste es zuerst den Atlantik überqueren.
HANS HEIMANN
Adolf Attenhofer aus Davos war seinerzeit einer der führenden Skifabrikanten Europas. In einem Bericht in der «Berner Woche» schilderte der gelernte Tapeziermeister 1937, welchen langen Weg das Hickoryholz zurücklegte, bevor es hierzulande zu Latten verarbeitet wurde: von «Mississippi-Wäldern bis hinauf in die gleissende Winterpracht unserer Berge». Die zunehmende Popularität des Wintersports habe naturgemäss auch zu einer grösseren Nachfrage nach Skis geführt. «Hersteller sind oftmals Schreiner oder Wagner und sie benutzen dafür heimisches Eschenholz. Ende des Zweiten Weltkriegs erobert das härtere und zähere Hickoryholz die Skifabrikation. Diese Holzart erlaubte es, viel stärkere und zähere Skis zu bauen», schrieb Attenhofer. «Diese Qualitätsskis haben ihren Preis und kosten mit etwa 140 Franken wesentlich mehr als Eschenskis.»
Lange Trocknung verhindert Dehnung
Zu den Vorzügen des Materials schrieb Attenhofer unter anderem: «Dieser beeindruckende Laubbaum bildet eine Gattung in der Familie der Walnussgewächse, die zur Ordnung der Buchenartigen zählen. Sein Holz ist von brauner Farbe, sehr elastisch, zähe, dauerhaft und schwer und auch deshalb als Wagnerholz bekannt.» Per Schiff habe das Holz den Atlantik überquert und sei per Eisenbahn unter anderem auch in die Schweiz transportiert worden. Bevor man den ersten Zuschnitt vorgenommen habe, seien die rohen Latten zwei Jahre an der Luft getrocknet worden. Im Anschluss habe man jede Latte genau geprüft und an den Enden so weit beschnitten, bis jeder Anriss verschwunden sei. Detailliert beschrieb Attenhofer die Herstellung der Skier nach dem Rohzuschnitt: «Das noch stark überdimensionierte Skiholz wird nun aufgeweicht und durch die Hand eines sorgfältigen Arbeiters im Biegerahmen der ganzen Länge nach durchgebogen, so entsteht die elastische Federung des späteren Ski. Nach Längen sortiert wandert das Holz nun für etwa acht Monate in das Luftlager, sodass es sich ziehen und dehnen kann. Als Abschluss dieses Prozesses wird die Latte ungefähr zwei Monate in die Trocknungskammer gelegt, wo sie bei 25–30 Grad das Krummwerden vollends verlernen soll. Nachdem das trockene Holz noch einmal beschnitten worden ist, folgt die Schlusstrocknung von vier bis sechs Wochen. Holz, das diesen sorgfältigen Prozess durchgemacht hat, gibt einen Ski ab, der sich nicht verzieht.
«Der Stolz jedes Fertigmachers»
Erst nach dieser langen Vorbereitungsphase sei der Rohling reif für die Fabrikation gewesen. Auch hier ging der Autor ins Detail: «Jetzt erst wird der Rohling reif für die Fabrikation. Zuerst wird er zur Maschinenform egalisiert, dann folgt sogleich die Spitzenbiegung, zu diesem Zweck werden die aufgeweichten Spitzen in einen Formapparat eingespannt. Was nun als Abschluss folgt, ist mehr oder weniger Gefühlssache. Zuerst wird der Ski kontrolliert, die Federung muss elastisch sein und die Lauffläche muss satt aufliegen. Kleine Unebenheiten werden korrigiert und jetzt spielt der Sortierer zur Skihochzeit auf. In diesem gepaarten Zustand kommen die Ski auf die Hobelbank. Da wird mit Hobel, Stechbeutel und allerhand kleiner Schabmesser der saubere Schliff des fertigen Skis herausgearbeitet. Es ist der Stolz jedes Fertigmachers, Stück um Stück zwei zusammenpassende Latten zu einem Paar zu vereinen. Der fertige Ski wird nun noch imprägniert, lackiert und gestempelt, worauf nach dreijähriger Behandlung ein gebrauchsfertiges Sportgerät entstanden ist. Mit dem Marken- und Nummernstempel erhält der Ski sozusagen sein Reifezeugnis.»
Treffen für Nostalgiker am kommenden Samstag
Auch im Frutigland wurden Skier anfänglich aus Eschen- und ab zirka 1940 aus Hickoryholz hergestellt – zum Beispiel durch Hans Mäder in Frutigen. Ein weiterer Fabrikant war Walter Kammer, der im Frutiger Tellenfeld bis 1958 jährlich um die 100 Paar baute. Auch die Schweizer Skifabrikantin Stöckli AG stellte Mitte der 1930er-Jahre seine ersten Skis aus Esche her. 1945, zehn Jahre nach der Firmengründung im luzernischen Malters, konstruierte Stöckli den ersten verleimten Holzski aus Hickory und Esche mit aufgeschraubten Stahlkanten. Der Luzerner war 1957 der Erste, der die Idee von Head übernahm und noch im selben Jahr mit dem Bau des ersten Metallskis beginnt. Aus der kleinen Produktion von 50 Paar Skis im Waschhafen erwuchs eine Grossmanufaktur, die heute 60 000 Paar pro Jahr herstellt.
Obwohl Hickory-Skis der Vergangenheit angehören, treffen sich noch jedes Jahr Nostalgieliebhaber kostümiert zum traditionellen «Hickorywedeln» auf der Engstligenalp, so auch wieder am kommenden Samstag um 10 Uhr.