So solar ist das Frutigland
11.08.2023 RegionENERGIE Schweizweit wird nur ein Bruchteil der geeigneten Dachflächen für Photovoltaik genutzt. Im Frutigland ist das nicht anders – ein Überblick.
JULIAN ZAHND
Die Ziele des Bundes sind klar und hoch gesteckt: Bis ins Jahr 2050 soll die ...
ENERGIE Schweizweit wird nur ein Bruchteil der geeigneten Dachflächen für Photovoltaik genutzt. Im Frutigland ist das nicht anders – ein Überblick.
JULIAN ZAHND
Die Ziele des Bundes sind klar und hoch gesteckt: Bis ins Jahr 2050 soll die Schweiz 34 Terrawattstunden Solarstrom erzeugen. Dies entspräche rund einem Drittel des gesamten Strombedarfs des Landes. Der Weg dahin ist noch weit: Derzeit produziert die Schweiz 4,3 Terrawattstunden Solarstrom, ein Zubau um das Achtfache in den nächsten 25 Jahren ist damit nötig. Zwar wächst der Anteil von Photovoltaik am Strommix Jahr für Jahr. Doch damit die festgelegten Ziele erreicht werden und der erwartet höhere Energiebedarf der Schweiz auch künftig gedeckt sein wird, braucht es zusätzliche Anstrengungen.
Das Parlament ebnete mit verschiedenen Beschlüssen den Weg für Anlagen teils gigantischen Ausmasses im alpinen Raum – ein Kurs, der unter anderem bei Naturschützern auf wenig Gegenliebe stösst. Politisch weit weniger umstritten sind Solarpanels auf Gebäudedächern – in Zonen also, die bereits bebaut sind.
Der grosse Gemeindevergleich
Mit dem Urnenentscheid vom 18. Juni ermöglichte das Stimmvolk neue Anreizsysteme für Private. Die beschlossenen Subventionen sollen den Ausbau erneuerbarer Energien weiter ankurbeln. Und wo genau stehen wir heute? Ein Tamedia-Journalistenteam nahm kürzlich jede Schweizer Gemeinde unter die Lupe und zeigte unter anderem auf, wie viel Solarstrom eine Gemeinde produzieren könnte, würden alle dafür geeigneten Dächer mit Solarzellen bestückt. Ein Vergleich mit dem tatsächlich produzierten Solarstrom drückt aus, wie gut die Gemeinden ihr Potenzial ausschöpfen. Die Berechnungen ergaben einen Schweizer Durchschnittswert von 6,7 Prozent. Um das eingangs erwähnte Ziel bis 2050 zu erreichen, müssten somit gesamthaft etwas mehr als die Hälfte aller geeigneten Dächer mit Panels gedeckt werden.*
Die Tamedia-Recherche ergab grosse geografische Unterschiede: In der Ostschweiz, dem Luzerner- und Waadtland sind überdurchschnittlich viele Panels installiert. Im Berggebiet hingegen sind die Anteile tiefer – so auch im Frutigland. Sämtliche Gemeinden im Tal liegen derzeit unter der schweizweiten Norm. Wie beurteilen die Lokalbehörden die Zahlen, die sich aus der Tamedia-Recherche herauslesen lassen? Und was trägt man zur Energiewende bei? Klar ist: Eigene Anreize für Private sind kein Thema. Bei gemeindeeigenen Gebäuden will man aber grundsätzlich mit gutem Beispiel vorangehen – jedoch meist unter gewissen Vorbehalten.
* Zu berücksichtigen ist, dass Solarstrom nicht durchgehend produziert werden kann und mangels Speichermöglichkeiten bislang nicht jederzeit verfügbar ist.
Adelboden
Das Lohnerdorf ist ein Spätzünder: Erst 2010 wurde hier die erste Solaranlage registriert. Die Gemeinde sprang danach lange Zeit nicht auf den Zug auf. Seit den letzten paar Jahren tut sich aber einiges, die Produktion von Solarstrom nimmt überdurchschnittlich stark zu. 2021 wurden noch 3,6 Prozent der geeigneten Dachflächen genutzt, ein Jahr später waren es bereits 5,2 Prozent. Am meisten Solarstrom erzeugt die Mineralquelle.
Liegenschaftsverwalter Beat Gehret spürt den Trend ebenfalls. Sowohl Private als auch das Gewerbe würden zunehmend auf Solarpanels setzen. Die Gemeinde selbst hat auf dem Werkhof sowie auf dem Schulhaus Boden Panels installiert. «Weitere Projekte sind derzeit in Diskussion, die Rentabilität ist dabei ein zentrales Kriterium», so Gehret.
Aeschi
Jahrelang wurde in dieser Gemeinde überdurchschnittlich viel Solarstrom generiert. Im letzten Jahr büsste Aeschi seinen Vorsprung aber ein: 2022 waren 6,6 Prozent der geeigneten Dächer umgerüstet, was ziemlich genau dem landesweiten Durchschnitt entspricht. Im Frutigländer Vergleich ist Aeschi aber nach wie vor führend.
Gemeindeschreiber Lukas Berger geht davon aus, dass die Abstimmung vom 18. Juni 2023 auch Auswirkungen auf Aeschi haben wird und durch die künftigen Fördermittel des Klima- und Innovationsgesetzes noch mehr Flächen mit Panels ausgestattet werden. Auch die Gemischte Gemeinde Aeschi habe in den letzten Jahren auf ihren Liegenschaften einige Anstrengungen unternommen, und beim Gemeindesaal werde bald ebenfalls eine PV-Anlage montiert.
Reichenbach
Was den Ausbau von Solarenergie betrifft, war die Gemeinde eine Frühstarterin: Die erste Anlage datiert wie in Frutigen auf das Jahr 2004, danach lagen die Zahlen jahrelang über dem landesweiten Durchschnitt. 2019 änderte sich das aber. Mittlerweile werden 6,2 Prozent der geeigneten Dachfläche genutzt – ein leicht unterdurchschnittlicher Wert. Über die leistungsstärkste Anlage verfügt das Sägewerk Bettschen. Sie wurde 2009 realisiert und trug damals massgeblich zu den überdurchschnittlichen Werten bei.
Betreffend die gemeindeeigenen Gebäude werde bei zukünftigen Dachsanierungen eine Indach- oder Aufdachanlage geprüft und, wenn der Standort sinnvoll sei, auch montiert, sagt Gemeinderatspräsident Hans Ulrich Mürner. Als Beispiele aus vergangenen Jahren nennt er die Turnhalle Kien mit der Steuerung von Buchs und Grossen oder den neuen Kindergarten mit aufgestellten Panels. «Sicher könnten noch rascher weitere gemeindeeigene Gebäude umgedeckt werden», so Mürner. Jedoch seien die derzeitigen Preise aufgrund der Nachfrage sehr hoch.
Frutigen
Bereits im Jahr 2004 und damit früher als in den meisten übrigen Gemeinden im Tal wurden hier die ersten Solarpanels installiert. Mittlerweile sind 205 Anlagen registriert, die grösste davon befindet sich auf dem Dach des Frutighus. Die Zahl der Anlagen nimmt ständig zu, die Kurve verläuft jedoch etwas flacher als im landesweiten Durchschnitt. 2022 wurden in Frutigen 4,8 Prozent der geeigneten Dachflächen für Solaranlagen genutzt.
Gemäss Christian Etz, dem Bereichsleiter Liegenschaften, prüft die Gemeinde bei ihren Um- und Neubauten jeweils die Installation von Photovoltaikanlagen, wobei vor allem der wirtschaftliche Faktor entscheidend sei. «Besonders bei Grossverbrauchern wie dem Widiareal oder der ARA, die ihren Strom auf dem freien Markt beziehen und derzeit daher besonders tief in die Tasche greifen, kann die eigene Stromproduktion grundsätzlich rentabel sein.» Gerade im Widi verzichtete der Gemeinderat jedoch kürzlich auf eine Installation auf dem Turnhallendach – unter anderem deshalb, weil die Tarife für die Einspeisevergütung enorm schwanken und aktuell sehr tief sind (der «Frutigländer» berichtete).
Kandersteg
In der Gemeinde sind 4,6 Prozent der geeigneten Dachflächen mit Panels bestückt. 2022 verzeichnete Kandersteg 30 Solaranlagen, die weitaus grösste davon befindet sich auf dem Dach der Kunsteisbahn. Hier wird mehr als die Hälfte des gesamthaft in der Gemeinde produzierten Stroms erzeugt.
Gemeinderätin Franziska Ryter stellt in Kandersteg zwar eine Zunahme von Solarpanels fest. Ein Hype sei jedoch bislang nicht ausgebrochen. Die Gemeinde werde bei ihren eigenen Liegenschaften (Schulhaus, Gemeindehaus, Haus der Museen usw.) die nötigen Abklärungen für eine allfällige Installation von Solaranlagen vornehmen. Ausschlaggebend für die Umsetzung sei die Frage der Finanzierung, der Wirtschaftlichkeit sowie die Vermeidung einer Schuldenzunahme.
Als Privatperson würde sie mehr Unterstützung durch Stromanbieter erwarten, indem ein besserer Preis für die Einspeisung in das lokale Netz erzielt werden könnte, sagt Ryter weiter. Aber genau da sei man wieder in einem Teufelskreis: «Man hat überflüssigen Strom, wenn alle anderen ihn auch haben, nämlich im Sommer, wenn die Sonne scheint.»
Krattigen
Hier produzierten im letzten Jahr 6,1 Prozent der geeigneten Dächer Solarstrom. Der Anteil steigt stetig, die Zunahme bewegte sich in den letzten Jahren ziemlich parallel zum nationalen Trend. Auch die Gemeinde steuert ihren Anteil bei: «Bei der anstehenden Dachsanierung beim Mehrzweckgebäude (Planjahr 2025) möchten wir ebenfalls eine Anlage montieren», sagt Gemeindeverwalter Philipp Schopfer.
Kandergrund
Was die Erzeugung von Solarstrom betrifft, befindet sich Kandergrund noch im unteren Bereich. 2012 wurde die erste Anlage registriert, zehn Jahre später waren erst 1,4 Prozent der geeigneten Dachflächen mit Panels bestückt. Doch die Entwicklung nimmt auch hier allmählich Fahrt auf, im Jahr 2022 nahm die Produktion gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent zu – deutlich mehr als in der Vergangenheit. «Die Gemeinde selbst wird bei der laufenden Sanierung des Gemeindehauses im Innerkandergrund das Dach des Gebäudes mit einer PV-Anlage versehen. Sie will hier mit gutem Beispiel vorangehen», sagt Gemeindeschreiber Martin Trachsel. Er geht davon aus, dass der Solarstromanteil auch in den nächsten ein, zwei Jahren (insbesondere mit den vorgesehenen Neubauten als Ersatz für Mitholz) eher überdurchschnittlich ansteigen wird. «Danach wird es aufgrund der wenigen Neubauten, die in unserer Gemeinde normalerweise realisiert werden können, eher wieder zu einer Abflachung kommen.»