Sonnenenergie von der Strasse?

  16.12.2022 Region

ENERGIE Der Kanton hat abgeklärt, an welchen Strassen, Brücken oder Stützmauern Solarpaneele installiert werden könnten. Die Auswahl von rund 1300 Objekten schrumpft in der Detailanalyse stark – im Frutigland gegen Null.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Welche Menge an Solarstrom kann auf kantonalen Brücken und Strassenkreiseln, an Stützmauern, Lärmschutzwänden und Tunnelportalen produziert werden? Der Kanton Bern hat diese Fragen vertieft abgeklärt. Im Auftrag des Grossen Rats hat er über 9500 Infrastrukturobjekte analysiert sowie Kosten und Erträge abgeschätzt. Die Resultate liegen nun vor. Der entsprechende Bericht zeigt, dass an 1355 Standorten Anlagen mit einer Leistung von rund 20 Megawatt und einem Jahresertrag von etwa 19 Gigawattstunden installiert werden könnten – zusätzlich zu den bereits umgesetzten Projekten des Kantons wie etwa der Installation von Photovoltaikanlagen auf Werkhöfen des Tiefbauamts. Genauer angeschaut wurden für den Bericht unter anderem die Raststätten Münsingen und Pieterlen, der Goldswil-Viadukt, Stützmauern auf der Jaunpassstrasse, eine Lehnenbrücke in Schönried und ein Kreisel in Steffisburg. Dabei spielte die technische Realisierbarkeit eine grössere Rolle als die Wirtschaftlichkeit.

Ausrichtung und Lage ungünstig
Im Frutigland kommen kaum Objekte für die Montage von Solarpaneelen infrage. Das liegt daran, dass die Hauptachse Spiez–Kandersteg eine Nationalstrasse ist und somit aus der kantonalen Betrachtung fällt. Ein weiterer Grund ist, dass zum Beispiel grundsätzlich geeignete Stützmauern oder Brücken im ganzen Oberland oft ausserhalb von Siedlungen stehen und dadurch die Erschliessungskosten für den Stromanschluss «höher würden als die Anlage als solche», sagt Arnold Trümpi, Leiter Planung + Verkehr beim Tiefbauamt des Kantons Bern. Weitere Einschränkung sind die allgemeine Ausrichtung oder die Beschattung möglicher Standorte. «Die Analyse der Objekte vor Ort zeigt, dass etliche schlicht nicht wirtschaftlich mit Paneelen versehen werden können.» Trümpi erwähnt zudem, dass beispielsweise Lärmschutzwände je nach Lage nicht mit «Glasplatten» versehen werden können, da diese sonst wie Lautsprecher wirken und den ursprünglichen Nutzen zunichte machen würden.

Nur ein kleiner Anteil
Schweizweit ist per Ende August 2022 eine Photovoltaik-Leistung von 2640 Megawatt installiert – dies fast vollständig in Form von Dachanlagen, wie der Kanton festhält. Auch wenn das Potenzial an Objekten in der Verantwortung des Berner Tiefbauamtes mit knapp einem Prozent der heute vorhandenen Leistung gering erscheinen mag: Der Kanton will diese Flächen ab 2023 dennoch interessierten Kreisen zur Verfügung stellen, beispielsweise Firmen, Gemeinden oder Privatpersonen. Denn selbst wenn nur die Hälfte dieser Projekte installiert würde, liessen sich dadurch etwa 2000 Haushalte mit Solarstrom versorgen. Allerdings handelt es sich laut Trümpi um relativ kleine Flächen. Wenn die installierbare Leistung unter 100 Kilowatt betrage, sei dafür kaum ein Investor zu finden. Er macht damit auch klar, dass der Kanton nicht selbst bauen und kein Geld verdienen will, sondern dass Dritte die Anlagen bauen und betreiben sollen. «Für den Steuerzahler dürfen keine Folgekosten entstehen.»

Für Arnold Trümpi ist unbestritten, dass zuerst möglichst viele Dächer und Fassaden mit Anlagen versehen werden sollen, bevor man entlang von Strassen oder auf Seen vergleichsweise teure Installationen realisiere. Schliesslich hänge für die Investoren aber alles davon ab, wie sich die Strompreise längerfristig entwickeln werden.


Was ist mit den Nationalstrassen?

Entlang der Nationalstrassen besteht ein grosses Photovoltaik-Potenzial. Das Bundesamt für Strassen (Astra) unternimmt deshalb Bemühungen, an seinen Objekten wie Werkhöfen PV-Anlagen zu installieren oder Flächen kostenlos an interessierte Dritte zu vergeben. Im Zentrum stehen dabei gut zugängliche Lärmschutzwände und Rastplätze. Die Nationalstrasse Spiez–Kandersteg ist dafür aber nicht geeignet, wie Lukas Studer, Kommunikationsbeauftrager beim Astra in der Filiale Thun sagt. «Auf dem erwähnten Streckenabschnitt befinden sich viele Stützmauern, aber keine Lärmschutzwände. Deshalb sind dort zurzeit keine Installationen angedacht. Stützmauern weisen – wie dies auch der Bericht des Kantons zeigt – verschiedene Einschränkungen für die Installation von Solarmodulen auf, zum Beispiel die Zugänglichkeit für Inspektionen», begründet Studer.

HSF


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