Spiez im Wandel: Ein Standort zwischen See, Schloss und Schienen
02.09.2025 Region13 km Seeufer am Thunersee, dazu zwei Anlegestellen für die Schifffahrt und eine malerische Bucht; das und noch viel mehr hat Spiez seinen Bewohnern und Gästen zu bieten.
Einen Bogen spannen, von dem was war, über das was ist, hin zudem was vielleicht die ...
13 km Seeufer am Thunersee, dazu zwei Anlegestellen für die Schifffahrt und eine malerische Bucht; das und noch viel mehr hat Spiez seinen Bewohnern und Gästen zu bieten.
Einen Bogen spannen, von dem was war, über das was ist, hin zudem was vielleicht die Zukunft bringen könnte: Das ist das Ziel dieses kleinen Standort-Porträts von Spiez. Und was den Ort besonders auszeichnet, was es unter Umständen von anderen unterscheidet, ist eine kaum irgendwo sonst anzutreffende Kombination von Besonderheiten:
• Der seit mindestens dem späten Mittelalter betriebene Rebbau, samt malerischer Bucht und uraltem Schloss mit noch älterer Kirche.
• Der attraktive, weil an vielen Stellen idyllische und auch praktische Wohnund Arbeitsstandort.
• Die verkehrsgünstige Lage, die für viele Verkehrsmittel einen Knotenpunkt darstellt: Bahn (BLS), Autobahn und sogar Schiff.
• Zudem ein gut 13 Kilometer langes Seeufer, das zum Spiezer Lebensgefühl dazugehört.
Diese vier Kern-Elemente hat die Spiez Marketing AG jedenfalls an den Anfang ihrer bereits 2023 verabschiedeten Entwicklungsstrategie gestellt. Man hatte dabei die Stärken von Spiez den zumindest wahrgenommenen Schwächen gegenübergestellt, und dabei auch Risiken und Chancen bedacht. Die Strategie läuft bis 2026, und so war es Zeit für ein Tour-d’Horizon-Gespräch mit Stefan Seger, dem Leiter der Marketing-Organisation.
Weiterentwicklung als Daueraufgabe
«Spiez … das lebt», so beginnt Stefan Seger das Gespräch, das kurz vor dem «Seaside Festival» Ende August stattfindet. Und er macht klar, dass eben diese Stärken-Schwächen-Betrachtung schon Anfang 2026 wieder neu überdacht werden wird. Man habe damit gute Erfahrungen gemacht, aber man müsse das weiterentwickeln. Dann wird der Bogen von der Geschichte über die Gegenwart in die Zukunft von Spiez gespannt, vor allem anhand der Verkehrsentwicklung in den vergangenen drei Jahrhunderten: Spiez war noch bis um das Jahr 1710 nur mit dem Schiff sinnvoll zu erreichen.
Die Kander war die längste Zeit Grenzfluss von Spiez gegen Südwesten. Vor ihren Hochwassern schützten sich die Bäuerten durch Wehrbauten und Auwälder. Erst seit dem Kanderdurchstich nach 1714 konnte man auch eine für Lasten und Fuhrwerke dauerhaft geeignete, «echte» Strasse bauen, die von Bern und Thun aus zuerst über Spiezwiler und von dort aus einerseits ins obere Kandertal führte und andererseits von Einigen aus nach Spiez. Der «Frutigländer» hat über die noch aufzufindenden Berner «Stundensteine» und damit über den alten Strassenverlauf berichtet
«Freie Bahn» für Verkehrsentwicklung
1893 wurde dann die Thunerseebahn von Scherzligen aus bis nach Därligen geführt. Dabei entschied man sich, nicht Wimmis, sondern Spiez als dreh- und Angelpunkt der Bahnlinienführung ins Oberland zu wählen. Schon 1897 folgte dann der Bahnanschluss der Erlenbachbahn, diesmal dann über Wimmis.
Dies brachte nicht nur den Anschluss der Simmentaler Viehzucht an ein potentiell internationales Transportmittel, sondern diese Phase war auch prägend für das spätere Spiezer Ortsbild. Es ging dann Schlag auf Schlag: 1902 wurde die Erlenbachbahn bis nach Zweisimmen weitergeführt, und von Montreux her erreichte die meterspurige Montreux-Berner-Oberland-Bahn (MOB) am 6. Juli 1905 ebenfalls Zweisimmen. Als dann am Lötschberg auch die Zufahrtsrampen auf beiden Seiten der Bergkette fertig gebaut waren, konnte am 15. Juli 1913 der durchgehende Betrieb von Spiez nach Brig aufgenommen und der Lötschbergtunnel eröffnet werden.
Weiterer Autobahnanschluss in Planung
Spiez ist noch heute in einem ausserordentlichen Mass von Verkehr verschiedenster Art geprägt. Die grossräumige Anbindung des Autoverkehrs stellt die Autobahn A6 sicher, deren Anschluss nach Spiezwiler 2007 erfolgte.
Neu wird die Gemeinde Spiez den Vollanschluss dieser Autobahn an der Ortsteil Faulensee prüfen: Der Gemeinderat Spiez hat der seinen Verkehrsrichtplan am 12. Mai 2025 für die kantonalen Vorprüfung verabschiedet. Damit verpflichtet sich die Gemeinde zu Abklärungen in Bezug auf dieses langfristige Vorhaben. Später müsste dann der Kanton den Ausbau der Strasseninfrastruktur in seine Planungen aufnehmen und vor Eingabe beim Bund eine Zweckmässigkeitsuntersuchung durchführen. All das wird die Zukunft zeigen, aber Spiez ist sich hier der Notwendigkeiten bewusst.
Dies Ganze geschieht auch vor dem Hintergrund ständig steigender Verkehrszahlen. 58 Prozent des Spiezer Verkehrs ist hausgemacht, hat die Gemeinde auf Ihrer Webseite veröffentlicht. 1500 öffentliche Parkplätze zählt die Gemeinde, dazu kommen öffentlich zugängliche private Parkplätze wie das P+R am Bahnhof. 54 Prozent der Spiezerinnen und Spiezer pendeln mit dem Auto zur Arbeit. Und 15 000 Fahrzeuge rollen im Schnitt täglich auf der Strecke zwischen Lötschbergplatz, Spiezmooskreisel und Autobahnkreiseln Spiezwiler. Hinzu kommen die Bahn-, Bus- und Schiffsverkehre, und so ist es kein Wunder, dass das heutige Spiez besonders in den touristisch attraktiven Monaten einen äusserst belebten Eindruck macht.
Intensiver Tourismus
Auf einer anderen Ebene liegt heute, dass Spiez zunehmend mehr von einem globalen Tourismus geprägt wird. Die Spiez Marketing AG berichtet, dass Das Geschäftsjahr 2024 einen historischen Logiernächterekord brachte. Mit über 183 000 wurde der bisherige Rekord aus dem Jahr 1971 (174352 Nächte) deutlich übertroffen.
Die Steigerung ist im Kern auf ein starkes Wachstum bei der Parahotellerie zurückzuführen. Während die Übernachtungen in den Hotels (138 690) gegenüber dem Vorjahr gleichgeblieben sind, sind jene der Ferienwohnungen von 32 408 auf 43 226 um 33 Prozent gestiegen. Entscheidend auch für die Binnen-Wahrnehmung der Spiezer Bevölkerung ist aber die sichtbare Verschiebung der touristischen Besuchergruppen in Richtung Asien: Sie nehmen bei den Hotelübernachtungen die chinesischen Gäste heute nach den Schweizern und noch vor den Deutschen den zweiten Rang ein. In der Parahotellerie liegen sie knapp hinter den Deutschen auf dem zweiten Platz.
Dies ist auch in den Aktivitäten der Gäste zu spüren, wenn sie hier sind. Sprichwörtlich sind dabei die Selfies und das gruppenweise Auftreten. Der globale Megatrend zur Selbstinszenierung macht freilich auch vor den Einheimischen nicht halt, und auch bei den Hiesigen betrifft es nicht nur die Jungen. Vielleicht hilft es auch, wenn man eine kulturelle Wissenslücke füllt: Chinesen und viele andere asiatische Gäste haben ein kulturelles Erbe, in dem innige, lyrische und betrachtende Momente und Zeiten eine grosse Tradition haben. Das sieht man an den traditionellen Aquarellen dieser Kulturen, auch dann, wenn man ihre Sprachen nicht versteht. Und gerade Chinesen haben zum Beispiel bei Porzellan und Möbeln eine Designgeschichte, die unsere bei weitem übertrifft.
Bei genauem Hinsehen sind so manches «Oh» und «Ah» der ausländischen Gäste also eine tief empfundene Anerkennung unserer Landschaft und Kultur. Ein Weiteres kommt hinzu: Die Sprachbarriere zwischen asiatischen und europäischen Sprachen macht es ja nicht nur uns schwer, uns zu verständigen. Das geht den asiatischen Gästen ja ähnlich. Hier hilft, da sind sich die Touristiker durchaus einig, es mit der Kommunikation einfach proaktiv zu versuchen.
Intensives Vereins- und Gemeinschaftsleben
Rund 130 Vereine hat Spiez vorzuweisen. Bei zuletzt deutlich über 13 000 Einwohnern (Stand Ende 2024) in den fünf Bäuerten macht das im Durchschnitt rund 100 Einwohner auf einen Verein. Die Realität ist weit vernetzter und verzweigter und prägt das Spiezer Lebensgefühl.
Doch auch dies ist nicht ganz die Spiezer Realität: Denn in Wirklichkeit spricht auch das Spiez Marketing von einer spürbaren Individualisierung in Spiez. «Das eine» Lebensgefühl für Spiez gibt es, wie es scheint, gar nicht – ein grosser Unterschied zu manchen Nachbargemeinden.
Eines aber prägt fast alle Spiezerinnen und Spiezer: Sie feiern gerne, sie treffen sich gerne und sie tun das oft: Bei «Spiez Märit», beim zuletzt sehr erfolgreichen Gewerbeanlass «Usestuehle» (mit der gleichnamigen Webseite), beim «Läset Sundig» (heuer am 14. September 2025) oder beim «Seaside Festival» am vergangenen Wochenende. Das sind nur einige Beispiele derjenigen Events, die auf der Webseite der Gemeinde ständig neu veröffentlicht werden. Die Gemeinde unterstützt überdies das Wohnen in Spiez durch Ausweisung von zwei neuen Planungszonen, eine im Westen («Gwatt-Stutz») und eine weitere im Osten, in Faulensee.
Spiez hat Chancen
Spiez hat also viele Chancen und Gelegenheiten für fast alles und jedes. «Spiez … das lebt», so hat das Stefan Seger von der Spiez Marketing AG wohl zurecht ausgedrückt.
Spiez ist mehr als nur die bemerkenswert günstige Verkehrsanbindung, mehr als nur die vermutlich «schönste Bucht Europas», mehr als das Feiern und Zusammen-Sein. Spiez ist eine mit Geschichte randvoll gefüllt Gegenwart, Spiez vermittelt zu fast jeder Jahreszeit ein beeindruckendes Natur- und Freizeiterlebnis und ein – eben auch die globalen Touristen intensiv ansprechendes - unmittelbares Gegenwartsgefühl. Und Spiez bringt aus allen politischen Richtungen immer wieder proaktive Zukunftsentwürfe. Kurz: Spiez bietet Chancen, besonders für all diejenigen, die Chancen auch nutzen wollen.
MARTIN NATTERER