Trennung und Neugründung in nur 62 Minuten
21.04.2023 AdelbodenTrotz einschneidender Beschlüsse ging die Generalversammlung der Automobilverkehr Frutigen-Adelboden (AFA) AG am Mittwoch schnell über die Bühne. Einstimmig wurde die Abspaltung des privaten, gewinnorientierten Geschäftszweigs gutgeheissen. Diesen übernimmt fortan ...
Trotz einschneidender Beschlüsse ging die Generalversammlung der Automobilverkehr Frutigen-Adelboden (AFA) AG am Mittwoch schnell über die Bühne. Einstimmig wurde die Abspaltung des privaten, gewinnorientierten Geschäftszweigs gutgeheissen. Diesen übernimmt fortan die neue Firma AFA Reisen AG.
BIANCA HÜSING
Statutenrevision, Spaltung, Kapitalherabsetzung und die Gründung einer neuen Firma: Für ihre diesjährige Generalversammlung hatte sich die AFA AG allerhand vorgenommen. Entsprechend vorbereitet war die Führungsriege des Unternehmens. Für den Fall, dass die Aktionäre nicht mit dem geplanten Vorgehen einverstanden sind, hatte der Verwaltungsrat die GV knapp zwei Monate früher angesetzt als sonst. So wäre noch genug Zeit geblieben, eine konsensfähige Lösung zu erarbeiten. Überdies hatte Geschäftsführer Paul Graf sich Antworten auf kritische Rückfragen zurechtgelegt – und hat letztlich keine davon gebraucht. Ohne Gegenstimme und fast kommentarlos winkten die 94 Aktionäre (gut 52 Prozent des Kapitals) sämtliche Anträge durch. Nach nur 62 Minuten war der offizielle Teil beendet – so unerwartet schnell, dass das Apéro noch gar nicht parat war.
Mehr unternehmerische Freiheiten
Das klare Ja zu den markanten Veränderungen hat zwei Gründe: Einerseits waren die Pläne bereits bekannt und hatten zwei Monate zur Einsicht aufgelegen (der «Frutigländer» berichtete). Andererseits scheinen sie der AFA nur Vorteile zu bringen. Die Trennung des staatlich subventionierten ÖV-Zweigs und des privaten Reisebetriebs ermöglicht vor allem der neu gegründeten AFA Reisen AG mehr unternehmerische Freiheiten. Im Gegensatz zur AFA AG kann sie ihre Räumlichkeiten regulär vermieten und finanzielle Reserven bilden. Letzteres war denn auch der eigentliche Anlass für die Spaltung. Als Antwort auf die Postauto-Affäre 2018 hatte das Bundesamt für Verkehr (BAV) von den ÖV-Anbietern verlangt, sämtliche Reserven aufzulösen. «Auf diese Reserven sind wir aber angewiesen, um unsere Liegenschaften vernünftig unterhalten und Investitionen tätigen zu können», so AFA-Verwaltungsratspräsident Hanspeter Frautschi. Nach intensiver Beratung habe man deshalb entschieden, den privatwirtschaftlichen Betrieb abzuspalten. Künftig ist die AFA AG einzig für den Linienverkehr zuständig, während sich die gewinnorientierte AFA Reisen AG um Sonderfahrten (etwa den Transport der Young Boys), den Taxi- und Reisebetrieb sowie um die betriebseigenen Immobilien kümmert.
Nachdem die Aktionäre dem Spaltungsplan zugestimmt hatten, mussten sie konsequenterweise auch die Kapitalherabsetzung gutheissen. Von den insgesamt 900 000 Franken verbleiben 360 000 im Besitz der AFA AG. Die übrigen 540 000 Franken gehen an die AFA Reisen AG über, die nun überhaupt erst gegründet werden musste.
So wählte die Versammlung den Verwaltungsrat der neuen Firma, zu dem nebst Paul Graf (Präsident) auch Hanspeter Frautschi, Eric Graf und Ramon Steiner gehören.
Abschied und Einstand für Paul Graf
Für Paul Graf war die Wahl in den Verwaltungsrat der AFA Reisen AG zugleich der Abschied aus der AFA AG. Nach «spannenden 14 Jahren», in denen er als Quereinsteiger «unheimlich viel gelernt» habe, verlasse er die Firma mit einem weinenden Auge. Gleichzeitig freue er sich auf die neuen Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich ihm in der AFA Reisen AG böten. Hier übernimmt er nicht nur das VR-Präsidium, sondern auch die operative Geschäftsführung. Angesichts der bescheidenen Firmengrösse sieht er in dieser Doppelrolle kein Problem. Geschäftsführer der AFA AG ist Grafs bisheriger Stellvertreter Hans Schmid.
Der Applaus und die fehlenden Gegenstimmen liessen keinen Zweifel daran, dass die Aktionäre die Aufspaltung für eine gute Idee halten. Für sie selbst ändert sich kaum etwas – ausser, dass sie nun Anteile an zwei Firmen besitzen und zu zwei GVs eingeladen werden.
Ein letzter gemeinsamer Jahresgewinn
Die letzte Jahresrechnung der AFA AG in bisheriger Form kann sich sehen lassen. Nach dem «Corona-Stillstand» in den ersten Monaten mauserte sich 2022 laut Graf zu einem «Spitzenjahr». Nicht nur im Linienbetrieb machte sich die Aufhebung der Massnahmen bemerkbar, sondern auch im Reisesegment. «Der Buchungsstand übertraf unsere kühnsten Erwartungen», kommentierte der Geschäftsführer. Auf der Linie Frutigen–Kandersteg wurden gar so viele Personen transportiert wie noch nie – ein Trend, der sich mit den rekordstarken Logiernächtezahlen in Kandersteg deckt (der «Frutigländer» berichtete). Insgesamt lagen die Gästezahlen im ÖV nur 2,5 Prozent unter jenen von 2019. In den Monaten April bis Dezember lagen sie sogar um 2,3 Prozent darüber. Im Bereich der Extrafahrten sticht vor allem die neue Zusammenarbeit mit den Young Boys heraus, für die die AFA AG mehrmals pro Woche unterwegs war.
Der Ertrag aus allen Geschäftszweigen beträgt rund 8,4 Millionen Franken (davon gut 7,1 Millionen aus dem Linienbetrieb und den Abgeltungen). Der Jahresgewinn 2022 beläuft sich auf rund 790 000 Franken (Vorjahr: 514 000).
Den vollständigen Geschäftsbericht 2022 finden Sie unter www.frutiglaender.ch (Web-Links).