Vor zehn Jahren ...
01.11.2022 RegionLOKALHISTORIE Zeitungen verfolgen Geschehnisse über längere Zeiträume, so auch der «Frutigländer». Blättert man in alten Ausgaben, fällt auf, wie lange manche Themen die Region bewegen. Vieles, was vor zehn Jahren seinen Anfang nahm, ist ...
LOKALHISTORIE Zeitungen verfolgen Geschehnisse über längere Zeiträume, so auch der «Frutigländer». Blättert man in alten Ausgaben, fällt auf, wie lange manche Themen die Region bewegen. Vieles, was vor zehn Jahren seinen Anfang nahm, ist bis heute aktuell. In gewisser Weise trifft das auch auf Personen zu: Die Ämter und Funktionen ändern sich, die Köpfe bleiben.
In einer neuen Serie blicken wir ab dieser Ausgabe regelmässig zehn Jahre zurück und zeichnen nach, wie sich bestimmte Themen – oder Karrieren – entwickelt haben. Der erste Teil beginnt im Herbst 2012.
Der neue Tourismusdirektor – im Zeichen der Verdichtung
Unter dem Titel «Ein urbaner Bergler für Adelboden» stellte der «Frutigländer» im Herbst 2012 Urs Pfenninger vor. Der frühere BLS-Kommunikationschef aus Bern sollte ab Anfang 2013 Adelbodens neuer Tourismusdirektor werden. Schon damals war absehbar, dass sein Wirkungsbereich über das Lohnerdorf hinausgehen würde. Seine neue Stelle trat er schliesslich inmitten einer Zeit des touristischen Umbruchs an. Eben erst hatte der Kanton Bern die Tourismusentwicklungsverordnung revidiert mit dem Ziel, das «Gärtlidenken» zu überwinden und die Anzahl der Destinationen zu halbieren. Verdichtung war das Gebot der Stunde, und so schlossen sich Adelboden-Frutigen, Lenk-Simmental und das Kandertal zur neuen Destination «Berner Oberland Mitte» zusammen. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis die einzelnen Akteure auch operativ miteinander verschmolzen: 2018 wurde feierlich die TALK AG gegründet. Direktor dieser neuen Destinationsorganisation war Urs Pfenninger, der den Verdichtungs- und Vernetzungsgedanken auch mit Projekten wie der Hotelkooperation Frutigland oder dem flächendeckenden Gratis-ÖV verfolgte. Im Hintergrund schwelte jedoch ein Richtungsstreit zwischen den Aktionären und der Führungsriege, der 2021 eskalierte: Der gesamte Verwaltungsrat der TALK AG und deren Direktor Urs Pfenninger traten zurück. Inzwischen hat die Organisation nicht nur einen neuen Verwaltungsrat mit dem Adelbodner Hotelier René Müller an der Spitze, sondern auch eine neue Geschäftsführung unter der Leitung des ehemaligen TALK-Marketingchefs Dominique Lüthy.
Und Urs Pfenninger? Der arbeitet heute als Leiter Standortförderung und stellvertretender Geschäftsführer bei der Volkswirtschaft Berner Oberland und sitzt ausserdem im Verwaltungsrat des Hotels Regina in Mürren.
Schweissperlen bei der Sportzentrum AG
Dass man am Sportweg 1 in Frutigen noch heute schwitzen darf, ist keineswegs selbstverständlich. Vor zehn Jahren hat der Verwaltungsrat der Sportzentrum AG eigentlich entschieden, den defizitären und renovationsbedürftigen Fitnessbereich an die Thuner Kette selffitness.ch auszulagern und im Zuge dessen die Wellnessoase zu liquidieren – nicht ahnend, dass er damit eine Welle der Empörung lostreten würde. In Briefen, per Telefon und teils sogar via juristische Abklärungen äusserten KundInnen ihren Unmut über die geplante Angebotsreduktion, mit der auch die Kündigung von mehr als zehn MitarbeiterInnen einhergehen sollte. Offenbar beeindruckt von diesem Protest setzten sich Verwaltungsrat und Gemeinde kurz darauf mit self-fitness.ch zusammen, um wenigstens für die Sauna eine Lösung zu finden. Und die gab es dann tatsächlich: Die Thuner Firma erklärte sich bereit, einen Saunapavillon zu finanzieren, solange dieser von der Sportzentrum AG betrieben wird. Schon im Dezember wurde der neue Pavillon eröffnet – gerade einmal zwei Monate, nachdem die Debatte entfacht war.
Der lange Weg zum Parkplatzreglement
Dass die Einführung von Parkplatzgebühren eine zähe Angelegenheit ist, konnte man jüngst in Frutigen beobachten. Zwischen dem ersten Vorhaben und der tatsächlichen Umsetzung des neuen Reglements sind dort mindestens 14 Jahre verstrichen. Nach diversen fehlgeschlagenen Versuchen und zuletzt eher technischen Problemen gelang es schliesslich: Seit dem 1. September 2022 kostet das Abstellen eines Fahrzeugs auf den meisten gemeindeeigenen Parkplätzen Geld.
Ziemlich genau zehn Jahre früher dran war die Gemeinde Aeschi – zumindest, was den Beschluss angeht. Im Oktober 2012 titelte der «Frutigländer»: «Parkplatzbewirtschaftung ist Tatsache». Mit einem Ja-Anteil von über 60 Prozent erhielt das Geschäft an der Gemeindeversammlung eine solide Mehrheit – doch das war nicht immer so.
Wie in der Gemeinde Frutigen hatte es auch in Aeschi volle 14 Jahre gedauert, ein mehrheitsfähiges Konzept zu präsentieren. Zwei Anläufe waren zuvor an der Stimmbevölkerung respektive schon an der Vernehmlassung gescheitert. Inzwischen haben sich die Aeschiner daran gewöhnt, dass sie fürs Parkieren zahlen müssen. Was hie und da allerdings noch für rote Köpfe sorgt, sind die Bussen.
Der Aufstieg des Hans Ulrich Mürner
Vom Mitgestalter zum Repräsentanten – so sieht der typische Werdegang eines Lokalpolitikers aus. Viele Gemeinderatspräsidenten lassen sich nach Ablauf ihrer Amtsdauer (oder später) noch zum Gemeindepräsidenten wählen.
Hans Ulrich Mürner (FDP) ging den umgekehrten Weg: Nach einer Legislatur als Reichenbachs Gemeindepräsident kandidierte der damals 61-Jährige für die Wahl des Obmanns – und setzte sich am 23. September 2012 gegen Alfred von Känel (SVP) durch. «Für mich ist es ein Aufstieg», liess er sich nach der Wahl im «Frutigländer» zitieren. Seitdem lenkt Mürner die Geschicke des Kandertaler «Verkehrsnadelöhrs». In seine Wirkzeit fallen etwa der Neubau des Bahnhofs und des Kindergartens Dorf, die Entstehung des Kleinwasserkraftswerks Howald sowie eine Strukturreform, welche die Aufgabenteilung zwischen Gemeinde und Bäuerten neu regelt. Auch der Stau auf der Nationalstrasse war immer wieder Thema. Dieses Problem will der Bund mit dem Bau eines Kreisels entschärfen. Ob Mürner am ersten Spatenstich vertreten sein wird, ist allerdings ungewiss. Der Kreisel wird erst 2024 oder 2025 gebaut – also frühestens in dem Jahr, in dem die dritte und letzte Legislaturperiode des Scharnachtalers endet.
Zwei Projekte – eines wird umgesetzt, das andere nicht
Im September 2012 berichtete der «Frutigländer» über ein Neubauprojekt der Stiftung Lohner Adelboden. Wie die Institution an einer Infoveranstaltung erläuterte, sollten 14 neue Wohneinheiten entstehen. Die «Wohnungen mit Dienstleistungen» seien für Menschen mit leichter Pflegebedürftigkeit gedacht, die ihren Alltag noch weitgehend eigenständig bewältigen können. Bereits drei Jahre später wurden die neuen Räumlichkeiten eingeweiht – und auch der Kostenrahmen von unter sechs Millionen Franken wurde eingehalten.
Weniger erfolgreich verlief die Geschichte eines anderen Vorhabens, über das der «Frutigländer» in derselben Ausgabe titelte: «Ein Meilenstein in Adelbodens Schulpolitik». Damals war eine Initiative eingereicht worden, die das 2008 an der Gemeindeversammlung gescheiterte Projekt Oberstufenzentrum wiederbeleben wollte. Weil das nötige Quorum von 290 Unterschriften übertroffen wurde, kam das Projekt im folgenden Jahr an die Urne. Die Stimmbürger verwarfen es jedoch knapp: Mit nur 35 Stimmen Vorsprung setzten sich die Gegner des Oberstufenzentrums durch.
Schon lange nicht mehr «royal»
Wer mit dem Namen «Royal Park» gut gepflegte oder gar königliche Grünanlagen verbindet, wird in Kandersteg eines Besseren belehrt. Das ehemalige Fünf-Sterne-Hotel fällt mittlerweile vor allem durch verwitternde Fassaden und eine mässig gepflegte Vegetation auf. Dabei hätte es eigentlich längst «auferstehen» sollen, wie vor zehn Jahren im «Frutigländer» zu lesen war. Der Spiezer Architekt Daniel Filliger plante im Auftrag einer Immobilienfirma den Umbau des damals schon geschlossenen Hotels sowie drei Neubauten mit insgesamt 24 Suiten. Das entsprechende Baugesuch wurde zunächst bewilligt. Nachdem die Besitzerfamilie das Hotel jedoch vergeblich zu verkaufen versucht hatte, wurde das «Royal Park» 2016 schliesslich zwangsversteigert.
Mittlerweile gehört der grösste Teil der Anlage dem schon 2012 involvierten Architekten Filliger. Doch der hält sich seit Jahren bedeckt, was seine Pläne mit der Liegenschaft sind – so er denn überhaupt welche hat. Das Haupthaus des Hotels ist vermutlich so stark sanierungsbedürftig, dass ein Abriss die günstigere Variante wäre. Hinzu kam zwischenzeitlich ein weiteres Problem: der Spitze Stein. Beim letzten Anruf des «Frutigländers» gab Archtitekt Filliger denn auch zu bedenken, dass ihm durch die Planungszone Oeschibach die Hände gebunden seien.
Die Anlage mitten im Dorf muss also weiter auf bessere Zeiten warten. Und es ist gut möglich, dass der «Frutigländer» auch in zehn Jahren noch nichts Neues darüber zu berichten haben wird.
ZUR NEUEN SERIE
Das Internetzeitalter hat das Nachrichten-Business enorm beschleunigt. Tausende wichtige und weniger wichtige «News» prasseln auf Medienkonsumenten ein – und sind ein paar Tage später meist schon vergessen. Auch der Lokaljournalismus kann sich solchen Trends nicht vollständig entziehen. Und doch ticken die Uhren hier langsamer – vielleicht auch, weil Entwicklungen hier insgesamt weniger hektisch und sprunghaft ablaufen. So wird beim Blick in die nahe Vergangenheit stets beides sichtbar: Beständigkeit auf der einen, Behäbigkeit auf der anderen Seite. «Gut Ding will Weile haben» – diese Redensart liesse sich auf manches anwenden, was das Frutigland bewegt(e).
Künftig werden wir uns immer wieder etwas Zeit nehmen, um im Archiv zu stöbern. Was hat das Tal vor zehn Jahren bewegt, was ist aus einem Thema geworden? Unsere Serie soll dazu Antworten liefern.
REDAKTION