Was tun bei saurem Aufstossen?
23.05.2023 GesundheitKaum ein anderes Organ verbindet Aussen- und Innenwelt so eng wie der Magen. Nahrung, Flüssigkeit, Medikamente, aber auch Gefühle gehen durch den Magen. Bei zu starker Belastung wird zu viel Säure unangenehm.
Redewendungen wie «Ich muss das erst mal ...
Kaum ein anderes Organ verbindet Aussen- und Innenwelt so eng wie der Magen. Nahrung, Flüssigkeit, Medikamente, aber auch Gefühle gehen durch den Magen. Bei zu starker Belastung wird zu viel Säure unangenehm.
Redewendungen wie «Ich muss das erst mal verdauen», «Das stösst mir sauer auf» oder «Liebe geht durch den Magen» deuten an, dass der Magen auch auf Emotionen und Belastungen reagiert. Im Innern dieses Organs herrscht ein stark saures Milieu (pH 1 bis 1,5). Zu seinem eigenen Schutz ist der Magen vollständig mit einer robusten Schleimhaut ausgekleidet – ohne sie würde er sich selbst verdauen. Beim Eingang der Speiseröhre und beim Ausgang in den Dünndarm sorgt jeweils ein kräftiger Ringmuskel dafür, dass der Mageninhalt da bleibt, wo er hingehört und dass insbesondere die aggressive Magensäure nicht zurück in die empfindliche Speiseröhre gelangt.
Warum ist Magensäure so wichtig?
Der Magen zerkleinert Nahrung und Flüssigkeit und vermengt diese mit dem Magensaft zu einem gut durchmischten Speisebrei. Spezialisierte Zellen in der Magenwand bilden täglich etwa zwei Liter Magensaft – ein ziemlich zähflüssiges Gemisch verschiedener wichtiger Komponenten. Eine davon ist die Magensäure, die von den Belegzellen produziert und über eine Protonenpumpe ins Mageninnere befördert wird. Chemisch handelt es sich dabei bloss um verdünnte Salzsäure (0,5 Prozent). Diese besitzt eine antibiotische Wirkung, tötet Bakterien ab und spaltet Eiweisse. Sie aktiviert auch das von den Hauptzellen gebildete Pepsinogen, eine Vorstufe von Pepsin, das für die Eiweissverdauung nötig ist. Die Belegzellen bilden ausserdem ein Eiweiss, das zur Aufnahme von Vitamin B12 ins Blut benötigt wird.
Damit sich der Magen nicht selbst verdaut, sorgt der Schleim aus den Becherzellen für den Schutz der Magenschleimhaut vor der aggressiven Salzsäure und den Verdauungsenzymen. Die Produktion von Magensaft erfolgt zwischen den Mahlzeiten und in der Nacht. Die Intensität ist gegen Mitternacht am höchsten.
Säure am falschen Ort ist ungesund
Erreicht Magensäure die empfindliche Schleimhaut in der Speiseröhre, die im Gegensatz zur Magenschleimhaut nicht säureresistent ist, entsteht das unangenehme Gefühl von Brennen und aufsteigender Hitze – das Magenbrennen. Früher hiess es Sodbrennen (von mittelhochdeutsch: sod = sieden, wallen), heute spricht man meist von Reflux. Die Mediziner nennen es kurz und bündig GERD (gastro-esophageal reflux disease). Weil die Speiseröhre anatomisch hinter dem Herzen liegt, verspürt man die brennenden Schmerzen in der Herzregion. Im englischen Sprachraum ist daher «heartburn» die geläufige Bezeichnung, obwohl die Beschwerden meist nicht herzbedingt sind.
Was wirkt gegen zu viel Magensäure?
Magensäure am falschen Ort beeinträchtigt die Lebensqualität und kann auch die Speiseröhre dauerhaft schädigen. Darum sollte ein Reflux schnell und wirksam behandelt werden. Medikamente zur Neutralisierung der Magensäure (Antacida, von griechisch anti = gegen und lateinisch acidus = sauer), enthalten Aluminium-, Magnesium- und Calciumsalze oder basische Verbindungen. Sie wirken direkt im Magen und lindern rasch Magenbrennen und saures Aufstossen. Gängig sind Kautabletten, Suspensionen oder Beutel mit einem Gel zur direkten Einnahme. Moderne Antacida wie Sucralfat oder Natrium-Alginat haben zusätzlich eine schleimhautschützende Wirkung.
Die Säureblocker – eine bald 25-jährige Erfolgsgeschichte
Mit Omeprazol betrat 1989 erstmals ein Wirkstoff aus der Gruppe der Säureblocker (Protonenpumpenhemmer oder «neu-medizinisch» PPI) die Bühne im Kampf gegen zu viel Magensäure. Die PPI blockieren selektiv und sehr effizient die Säurepumpen in der Magenschleimhaut. Ihr Vorteil ist, dass in der Regel eine einmalige Einnahme pro Tag ausreicht. Bei Reflux gelten sie heute als Mittel der Wahl, meist werden sie jedoch als Magenschoner bei Therapien mit anderen Medikamenten eingesetzt, insbesondere bei der Langzeiteinnahme von Schmerzmitteln oder Cortisonpräparaten.
Seit einigen Jahren stehen Omeprazol und Pantoprazol auch rezeptfrei zur kurzzeitigen Behandlung (maximal zwei Wochen) von Refluxsymptomen zur Verfügung. Nachteilig sind mögliche Wechselwirkungen sowie die Folgen einer länger anhaltenden Blockade der Magensäure. Die Frage wird seit Jahren unter Befürwortern und Gegnern teils emotional diskutiert (siehe Text: «Welche Nachteile haben PPI?»).
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
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Medikamente als Auslöser
Für unangenehmes Magenbrennen können auch Medikamente verantwortlich sein, die bei längerer Einnahme zu einer Entzündung der Speiseröhre führen. Unbehandelt besteht im schlimmsten Fall die Gefahr eines Speiseröhrenkrebses.
Gewisse Medikamentengruppen zur Behandlung von Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung, Asthma oder Harninkontinenz sowie Östrogenpräparate zur Hormontherapie oder Psychopharmaka können aufgrund ihres Wirkmechanismus' den Schliessmuskel zwischen Magen und Speiseröhre entspannen. Dadurch kann Säure in die Speiseröhre gelangen.
Andere Wirkstoffe wie manche Schmerz- und Rheumamittel, Medikamente zur Behandlung von Osteoporose und Eisenmangel sowie einige Antibiotika üben eine direkte schädigende Wirkgung auf die Schleimhaut aus.
Aber auch frei verkäufliche Kapseln mit reinen ätherischen Ölen wie Lavendelöl zur Behandlung von Ängstlichkeit und Unruhe oder Pfefferminzöl gegen Blähungen dürfen nicht im Liegen eingenommen werden, sonst besteht die Gefahr des Zurücklaufens in die Speiseröhre.
Grundsätzlich gilt es bei Wirkstoffen mit bekannter Reizung auf die Speiseröhre, die Einnahmevorschriften genau einzuhalten: Das Medikament soll im Stehen, unzerkaut, mindestens 30 Minuten vor dem Hinlegen oder Schlafen und zusammen mit einem vollen Glas Wasser (nicht nur einen Schluck!) eingenommen werden.
BI
Eine wichtige Säule in der Therapie
Der Stellenwert von Magensäureblockern zeigt sich anhand einiger Zahlen (Datengrundlage: in der Schweiz im Jahr 2019 abgegebene und in der Grundversicherung verrechnete Packungen):
• Jede vierte Person (24,8 Prozent der Bevölkerung) hat mindestens eine Packung eines Magensäureblockers auf Rezept bezogen (total abgegebene Packungen: 4,4 Millionen).
• Magensäureblocker belegen Rang 6 der am häufigsten bezogenen Medikamente (4,4 Millionen Packungen) und Rang 13 bei den gesamten Medikamentenkosten (Gegenwert: 167 Millionen Franken).
• Pantoprazol ist der am vierthäufigsten verordnete Wirkstoff und der am meisten eingesetzte Magensäureblocker (2,9 Millionen Packungen, Rang 4 aller Medikamente; Kosten: 94,6 Millionen Franken, Rang 6).
• Als Generikum wird am häufigsten Pantoprazol verordnet (2,5 Millionen Packungen; Kosten: 89 Mio. Franken)
• Total (alle Medikamente 2019): 120 Millionen Packungen; Kosten 7,6 Milliarden Franken (entspricht pro Jahr 14 Packungen bzw. 870 Franken pro Einwohner).
BI
QUELLE: HELSANA ARZNEIMITTELREPORT 2020
Welche Nachteile haben sogenannte PPI?
Seit ihrer Einführung feiern Protonenpumpenhemmer (PPI) Therapieerfolge, die ihresgleichen suchen. Natürlich fragen sich die Experten: Haben sie denn auch «dunkle Seiten»? Im Folgenden finden Sie eine Aufzählung:*
• Erhöhtes Risiko für Infektionen: PPI können das Risiko für Infektionen wie Lungenentzündung und Darminfektionen erhöhen, da sie die Magensäureproduktion reduzieren, die normalerweise eine Schutzbarriere gegen Keime bildet.
• Erhöhtes Risiko für Osteoporose: PPI können das Risiko für Osteoporose erhöhen, da sie die Aufnahme von Calcium im Körper beeinträchtigen und die Knochenstruktur beeinträchtigen können.
• Erhöhtes Risiko für Nierenschäden: PPI können das Risiko für Nierenschäden erhöhen, da sie die Durchblutung der Nieren beeinträchtigen können.
• Erhöhtes Risiko für Vitamin-B12-Mangel: PPI können das Risiko für Vitamin-B12-Mangel erhöhen, da sie die Aufnahme von Vitamin B12 beeinträchtigen können, welches wichtig für die Nerven- und Blutbildung ist.
• Magen-Darm-Probleme: PPI können zu Magen-Darm-Problemen wie Verstopfung, Durchfall, Blähungen und Übelkeit führen.
• Rebound-Symptome (Absetzeffekte): Nach dem Absetzen von PPI können Rebound-Symptome wie Sodbrennen, saures Aufstossen und Magenschmerzen auftreten, da die Magensäureproduktion wieder auf das vorherige Niveau zurückkehrt.
Nicht bei jedem steigt die Osteoporosgefahr
Es gibt Hinweise darauf, dass die langfristige Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPI) das Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche erhöhen kann. Eine Übersichtsstudie aus dem Jahr 2017 analysierte Daten von mehr als vier Millionen Patienten und fand heraus, dass PPI-Anwender ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche hatten, insbesondere für Hüft- und Wirbelbrüche.
Ein möglicher Mechanismus ist, dass PPI die Aufnahme von Calcium und anderen Mineralstoffen im Darm hemmen können, was zu Mineralstoffdefiziten führen kann, die wiederum das Risiko für Osteoporose erhöhen können. Darüber hinaus können PPI die Produktion von Magensäure reduzieren, was die Freisetzung von Hormonen hemmen kann (die für den Knochenstoffwechsel wichtig sind).
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder, der PPI einnimmt, ein erhöhtes Osteoporoserisiko hat. Die Risikofaktoren hängen von der Dauer der Einnahme und anderen Faktoren wie Alter, Geschlecht, körperlicher Aktivität und Ernährung ab. Wenn Sie PPI einnehmen und besorgt sind, sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Ihr individuelles Risiko für Osteoporose und darüber, wie Sie dieses reduzieren können.
* «Interviewpartner» für die obigen Fragen war (ausnahmsweise!) der virtuelle «Experte» ChatGPT. Durch maschinelles Lernen wurde diese künstliche Intelligenz darauf trainiert, in vollständigen Sätzen zu antworten – und zwar selbst auf bloss stichwortartige Fragen: «Nachteile der Protonenpumpenhemmer PPI» und «PPI und Osteoporoserisiko». Ein Nachteil dieses Dienstes besteht darin, dass keine Quellenangaben über die Herkunft seiner Informationen geliefert werden.
Der reale / menschliche Experte Prof. Jan Borovicka, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie, hat zu diesen Fragen eine klare persönliche Haltung: «Mit PPI wurde Millionen von Menschen geholfen, und es sieht nicht so aus, als ob wir uns deswegen zur ‹dark side› hinbewegen. Der vernünftige Einsatz der PPI wird auch hier entscheiden über ‹the good and the bad›».
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN