Wenn der Wolf zur Sorge wird
10.10.2025 LandwirtschaftDie Bilanz der Alpsaison 2025 fällt insgesamt positiv aus: In den meisten Regionen verlief der Sommer für die Älplerinnen und Älpler erfreulich. Doch Tierkrankheiten und Wolfsangriffe trübten das Bild.
Die Alpsaison ist weit mehr als ein landwirtschaftlicher Zyklus. Sie prägt die Kulturlandschaft, sichert die Pflege der Alpen und gehört zur schweizerischen Identität. Das Jahr 2025 zeigt aber auch: Trotz stabiler Erträge bleibt die Zukunft der Alpwirtschaft fragil. Krankheiten, Klimawandel und der Wolf setzen die Betriebe zunehmend unter Druck.
Früher Alpaufzug dank wenig Schnee
Der Winter 2024/25 brachte wenig Schnee, wodurch die Weiden früh schneefrei waren und der Alpaufzug planmässig oder gar etwas früher stattfinden konnte. «Die Hochalpen konnten tendenziell eher etwas früher bestossen werden, da es im Winter sehr wenig Schnee und entsprechend früh genügend Futter hatte», erklärt Selina Droz, Geschäftsführerin des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands
(SAV).
Auch der Alpabzug verlief weitgehend nach dem gewohnten Rhythmus. Insgesamt rechnet der SAV mit durchschnittlichen Produktionsmengen an Milch und Käse – eine stabile Grundlage für die Vermarktung der beliebten Alpprodukte.
Krankheiten als Herausforderung
Schattenseiten zeigte die Saison vor allem bei der Tiergesundheit. Krankheiten wie die Blauzungenkrankheit, Moderhinke, Bovine Virusdiarrhoe (BVD) oder zuletzt die Lumpy-Skin-Disease stellten viele Alpbetriebe vor grosse Herausforderungen. «Gerade für die Sömmerung mit den Betriebswechseln und dem Zusammenführen von verschiedenen Tierbeständen sind solche Situationen anspruchsvoll», sagt Droz. Trotzdem sei die Zusammenarbeit mit den Tierbesitzerinnen und Tierbesitzern sowie den Behörden sehr gut verlaufen. Vorschriften und Empfehlungen seien grossmehrheitlich gewissenhaft umgesetzt worden.
Wolfsdruck nimmt weiter zu
Neben den Tierkrankheiten prägte auch das Wetter die Saison. Während die Bilanz gesamtschweizerisch ähnlich ausfällt, litten einzelne Regionen stärker. Im Oberwallis war die Sommertrockenheit ausgeprägter, regional kam es zu Starkniederschlägen mit Hagel, die zu Schäden und Erdrutschen führten. Ein zentrales Thema bleibt der Wolf. Die neue Jagdverordnung habe zwar zu einer gewissen Stabilisierung der Bestände beigetragen, doch die Zahl der Risse bleibe hoch, so Droz. «Im Kanton Waadt wurden beispielsweise bis Ende August 44 Rinder gerissen», berichtet sie. Betroffen waren neben Waadt auch das Tessin, das Wallis, Graubünden, St. Gallen sowie die Kantone Bern und Schwyz.
Besonders besorgniserregend sei die zunehmende Resignation bei den Betroffenen: «Es werden längst nicht mehr alle Risse gemeldet», so Droz. Auch die Bereitschaft, aufwändige Herdenschutzmassnahmen weiterzuführen, lasse nach. Diese seien zwar etabliert, würden aber immer häufiger hinterfragt. Vermehrt werde die Bewirtschaftung angepasst – etwa durch den Verzicht auf Schafe und Ziegen oder das Aufgeben schwieriger Standorte. «Wenn dieser Trend so weitergeht, wird dies die Alpwirtschaft nachhaltig verändern», warnt Droz.
Wertschätzung für die Sömmerung stärken
Trotz aller Sorgen gibt es auch positive Nachrichten. Die Unesco-Anerkennung der Alpsaison als immaterielles Kulturerbe gewinnt an Fahrt. Am 4. Dezember 2025 wird in Bern der Verein «Lebendige Alpsaison» gegründet. «Der SAV wird die Geschäftsstelle führen», erklärt Droz. Dem Verein werden Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Kultur, Tourismus, Schweizer Pärken, kantonalen Ämtern sowie aus Beratung und Forschung angehören. Auch das Bundesamt für Kultur und zahlreiche Kantone haben ihre Unterstützung zugesagt. Die Ziele sind ehrgeizig: Die Bevölkerung soll stärker für die Bedeutung der Sömmerung sensibilisiert werden, die Wertschätzung für die Arbeit der Älplerinnen und Älpler steigen. Gleichzeitig sollen Lösungen für aktuelle Herausforderungen erarbeitet und die Vermarktung von Alpprodukten gestärkt werden.
RED