Wie das Frutigland zum Zuge kam
30.08.2022 RegionVERKEHR Seit 175 Jahren fahren in der Schweiz Eisenbahnen. Nicht ganz so früh dran war die Region. Trotzdem wird am 3. und 4. September gross gefeiert und eine MIKA-Komposition auf den Namen «Frutigen» getauft.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Spanische ...
VERKEHR Seit 175 Jahren fahren in der Schweiz Eisenbahnen. Nicht ganz so früh dran war die Region. Trotzdem wird am 3. und 4. September gross gefeiert und eine MIKA-Komposition auf den Namen «Frutigen» getauft.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Spanische Brötchen sind allen Bahnfans ein Begriff. Sie sind ein Synomym für den Beginn des Eisenbahnzeitalters in der Schweiz. Während in anderen Ländern wie Frankreich (1830) oder Deutschland (1835) das Potenzial des neuen Transportmittels früh erkannt worden war, wurde die erste Strecke zwischen Baden und Zürich erst am 9. August 1847 in Betrieb genommen. Dass die Erfolgsgeschichte der Eisenbahn mit einem Blätterteiggebäck verbunden wird (siehe Kasten), ist heute nur eine Randbemerkung.
Das Jubiläum wird in der Schweiz gleich mehrfach begangen. In verschiedenen Landesteilen finden unterschiedliche Veranstaltungen statt. Frutigen ist ebenfalls engagiert, am 3. und 4. September wird hier gefeiert. Diese Region ist zwar recht spät zu ihrer Eisenbahn gekommen, hat aber grossen Einfluss auf die Entwicklung des Netzes gehabt.
Die Spiez-Frutigen-Bahn
Die regionale Eisenbahngeschichte ist mit 121 Jahren vergleichsweise jung. Begonnen hat sie mit der Spiez-Frutigen-Bahn, die von 1901 bis 1913 fuhr. Endstation war beim heute als «historischer Bahnhof» bezeichneten Standort. Für die Strecke wurde mit viel Aufwand die Kander begradigt, was heute teils wieder rückgängig gemacht wird. Dass Frutigen nicht Endstation bleiben sollte, war bald klar. Doch allein dieses erste Teilstück mit Anschluss an den Rest der Schweiz hat in Bezug auf den langsam wachsenden Tourismus und den Handel grosse Fortschritte gebracht. Waren konnten einfacher an- und abtransportiert werden und es gab neue Arbeitsplätze während des Bahnbaus und des Betriebs.
Herausforderung Lötschberg
Wer heute die Bahn über den Berg benutzt, hat spektakuläre Ausblicke ins Kander- und ins Rhonetal. Die Kunstbauten für die Bahnstrecke mit dem Tellenburg-Viadukt, den diversen Brücken und Kehrtunneln sind Meisterwerke der Ingenieurs- und Baukunst. Dass der Lötschberg-Scheiteltunnel heute für weit über 100 Millionen Franken saniert wird, beweist den Weitblick der damaligen Planer für die Bedeutung dieser alpenquerenden Verbindung über viele Generationen. Bemerkenswert ist, dass damals konsequent auf Strom als Antrieb gesetzt wurde. Man kann sich fragen, wie das Kandertal heute wohl aussähe, wenn die Lötschbergbahn nie gebaut worden wäre.
Die Vision Neat
In der Euphorie des Bahnbaus – die Ingenieure hatten natürlich auch Interesse daran, nach Abschluss einer Etappe neue Projekte anzugehen – wurde sogar eine Erschliessung Adelbodens mit der Bahn projektiert. Obwohl eine Lizenz vergeben wurde, kam es jedoch nie zur Realisierung der Strecke.
Was noch nicht abgeschlossen ist, ist die vorerst letzte Etappe des Bahnbaus am Lötschberg: Der Tunnel zwischen Frutigen und Visp soll durchgehend zweispurig werden, sodass die Leistungsfähigkeit der Neuen Alpentransversale (Neat) voll genutzt werden kann. Auch der Neat-Bau war sehr vorausschauend – dass dessen Vollendung lange auf sich warten lässt, ist politisch bedingt. Wie wichtig die Eisenbahn für die Region ist, wird alle paar Jahre wieder offensichtlich, wenn die verloren gegangenen direkten internationalen Anbindungen thematisiert werden. Die Hoffnung auf künftige IC-Halte ist noch nicht gestorben.
Faszination Technik
Ganz abgesehen vom bequemen Transport für Mensch und Material oder der Sehnsucht nach Ferne bietet die Eisenbahntechnik immer wieder faszinierende Einblicke. Die Führerstandsfahrten sowie die Fahrzeugausstellung beim historischen Bahnhof werden am Jubiläumswochenende sicher viele Fans anlocken. Auch dieses Besucherzentrum und dessen unbestrittenes Potenzial sind ein Erbe von 175 Jahren Eisenbahn.
Spanische Brötchen aus Baden
Die Bezeichnung «Spanisch-Brötli-Bahn» hat einen kulinarischen Hintergrund. Dieses viereckige Blätterteiggebäck aus Mailand (das im 16. Jahrhundert unter spanischer Herrschaft stand) war bei den Herrschaften in Zürich sehr beliebt, wurde aber in Baden hergestellt. Damit am Sonntagmorgen frische Ware auf dem Tisch stand, mussten die Bediensteten jeweils mehrere Stunden Fussweg absolvieren. Da war die Lieferung per Bahn ab 1847 ein gewaltiger Fortschritt.
HSF
Festprogramm vom 3. und 4. September
Zum Auftakt der Feierlichkeiten wird ein Zug der BLS auf den Namen «Frutigen» getauft. Die Ansprachen halten am Samstag um 10 Uhr BLS-CEO Daniel Schafer sowie der Frutiger Gemeindepräsident Faustus Furrer an Gleis 1. Für die Besucherinnen und Besucher sind an beiden Tagen folgende Attraktionen vorgesehen: Kurzführungen Lötschberg-Basistunnel (Voranmeldung via Website erforderlich), Fahrzeugausstellung sowie kurze Führerstandsfahrten beim Besucherzentrum Frutigen (ohne Voranmeldung), verschiedene Stände von LOKI-Magazin, AFA Bus, Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg und dem Tropenhaus, diverse Verpflegungsmöglichkeiten sowie Souvenirshop.
PRESSEDIENST BLS
Samstag, 3. September, 10 bis 17 Uhr, und Sonntag, 4. September 2022, 10 bis 16 Uhr. Detailprogramm und Anmeldemöglichkeit gibt es auf der «Frutigländer»-Homepage in der Rubrik «Web-Links».