Der «Wildcard-Abend» des Swiss Chamber Music Festivals ist stets der Volksmusik gewidmet. Auch am Mittwoch hielt er, was er versprach: Das Appenzeller Quintett Geschwister Küng überzeugte das zahlreiche Publikum mit seiner eigenen Interpretation von Folklore aus ...
Der «Wildcard-Abend» des Swiss Chamber Music Festivals ist stets der Volksmusik gewidmet. Auch am Mittwoch hielt er, was er versprach: Das Appenzeller Quintett Geschwister Küng überzeugte das zahlreiche Publikum mit seiner eigenen Interpretation von Folklore aus seiner Heimat.
RETO KOLLER
Ein farbenprächtiges Bild bot sich am Mittwochabend in der reformierten Kirche Adelboden den Liebhabern von Appenzeller Volksmusik. Das Quintett Geschwister Küng trug die traditionellen Innerrhoder Trachten. Der Hackbrettspieler Roland Küng und der Cellist Matthieu Gutbub erschienen in der braun-rot-weiss gehaltenen «Männertracht», die beiden Violinistinnen Clarigna Küng und Philomena Schumacher sowie die kurzzeitig eingesprungene Bassistin Heike Schäfer trugen die althergebrachte Werktagstracht der Innerrhödlerinnen.
So vielseitig die Kleiderfarben waren, so variantenreich war das Spiel des in traditioneller Besetzung aufgetretenen Ensembles. Dass die InterpretInnen allesamt ausgebildete MusikerInnen mit Master-Abschluss sind, war nicht zu überhören – egal, ob sie tänzerisch-lüpfige Volksmusik oder eigenwillige Interpretationen von Barockweisen zum Besten gaben. «Wir wollen die Folklore etwas entstauben, auf andere Weise neu interpretieren und mit zusätzlichen musikalischen Stilrichtungen und Einflüssen bereichern», erklärte Arrangeur und Komponist Roland Küng in breitem Appenzeller Dialekt. Darin sind die fünf jungen KünstlerInnen wahre Meister.
Von Barock bis «Babeli»
Die Appenzeller Volksmusik ist einzigartig, sie trägt Einflüsse der Kirchenmusik ebenso in sich wie Anlehnungen an die Weisen der Fahrenden aus dem Balkan. Melancholisches Moll wechselt sich ab mit tänzerisch-lebensfrohem Dur. «Der Kanton Appenzell Innerrhoden war immer sehr katholisch, und Fahrende haben mit ihren Molltönen und den sich beschleunigenden Rhythmen unsere Musik mitgeprägt», erklärte Roland Küng beim Apéro nach dem Konzert. Doch genug von musikalischen Theorien: Das Quintett riss mit seiner Spielfreude, der hohen musikalischen Qualität und dem vielseitigen Repertoire das Publikum mit sich. Traditionelle Weisen wie das bekannte Stück «Babeli», bei dem die BesucherInnen den Refrain mitsummten, wechselten sich mit Eigenkompositionen oder arrangieren Werken von Appenzeller Komponisten ab. Dem Schottisch «Passhöchi» stand ein Werk des Barockkomponisten Johann Pachelbel Pate. In der folgenden Polka «Bürgenstock» machte die Formation einen Ausflug in die Innerschweiz. War es eine Sinnestäuschung, als der Schreibende einen Wimpernschlag lang den Auftakt zum weltberühmten «Sirtaki» aus dem Filmklassiker «Zorba Le Grec» zu vernehmen glaubte? Nein. Roland Küng bestätigte die Wahrnehmung nach dem Konzert. Solche überraschenden Einsprengsel und musikalische Erweiterungen sind typisch für das professionelle Ensemble, das aber trotz aller Entdeckerfreude den Boden der Tradition nie ganz verlässt. Erst nach einer zweiten Zugabe entliess das begeisterte Publikum die fünf OstschweizerInnen, bevor man sich zum After-Concert-Apéro ins Restaurant Adler begab, wo das Quintett noch einmal aufspielte.
Der Intendantin Christine Lüthi war es wieder einmal gelungen, eine Formation ans Festival einzuladen, die den Mut hat, traditionelle Volksmusik mit anderen musikalischen Einflüssen zu verbinden und zu erweitern. Es lohnte sich.