«Wir haben genau eine Chance»
17.11.2023 AdelbodenAm 24. November stimmt die Gemeindeversammlung darüber ab, ob auf Schwandfäl eine grosse Solaranlage erstellt werden darf. Das Thema interessiert viele – natürlich auch die Frage, wer davon profitiert.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
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Am 24. November stimmt die Gemeindeversammlung darüber ab, ob auf Schwandfäl eine grosse Solaranlage erstellt werden darf. Das Thema interessiert viele – natürlich auch die Frage, wer davon profitiert.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Der «Solar-Express» rast – und damit dieses nationale Förderprogramm für alpine Solaranlagen nicht ohne Adelboden abfährt, muss Dampf gegeben werden. Am 24. November soll die Gemeindeversammlung darüber abstimmen, ob eine solche Anlage oberhalb des Dorfes erstellt werden kann. Die definitive Baubewilligungskompetenz im abgekürzten Verfahren liegt beim Kanton (der «Frutigländer» berichtete). Bis Ende 2025 müssen mindestens zehn Prozent der geplanten Strommenge produziert werden, damit bis zu 60 Prozent der Gesamtinvestitionen vom Staat bezahlt werden.
Wie stark stören die Panels?
Über 100 Personen fanden sich am Mittwochabend im Schulhaus Boden ein, um mehr über das Projekt (siehe Kasten) zu erfahren. Die Vertreter des lokalen Lichtund Wasserwerks (LWA) und des grossen Energieversorgers BKW sahen sich dabei einem sehr interessierten Publikum gegenüber. Die Fragen gingen rasch bis in die (technischen) Details hinein, zeigten aber auch Sorgen auf. Eine grundsätzliche Opposition war nicht vorhanden oder wurde zumindest nicht offen geäussert. Dass das Landschaftsbild beeinträchtigt wird durch eine so grosse Fläche mit Panels, konnte auch LWA-Geschäftsführer Pascal von Allmen nicht schönreden. Durch die Lage am Hang von Schwandfäl sei dieser Nachteil aber mit Blick auf die diversen Vorteile aktzeptabel.
Was hat Adelboden davon?
Zu diesen Vorteilen gehört ein stabilerer und tieferer Stromtarif durch die Eigenproduktion und eine sicherere Energieversorgung auch in den bedarfsintensiven Wintermonaten. Gut ein Drittel des Jahresverbrauchs von Adelboden könnte mit dieser Anlage gedeckt werden. Zudem würden Arbeitsplätze gesichert, Wertschöpfung bliebe im Tal und die Gemeinde würde von Steuereinnahmen profitieren. «Und die Gemeinde trägt dabei kein Risikio», wie von Allmen betonte. Sie ist nicht finanziell in das Projekt involviert, die neue Betriebsgesellschaft wird zu 50 Prozent von der BKW, zu 40 Prozent vom LWA und zu 10 Prozent von der Tschentenbahnen AG gebildet. Die Alpschaft, auf deren Land die 800 Tische mit den Panels stehen sollen, wird direkt entschädigt. Alle Beteiligten haben diesen Abmachungen zugestimmt.
Eine Menge Fragen
Die Vorbereitungen sind weit gediehen. Bei einem Ja der Gemeindeversammlung will man das Baugesuch inklusive Umweltverträglichkeitsbericht noch in diesem Jahr einreichen, um das Tempo des «Solar-Expresses» halten zu können. Die Umwelt war denn auch ein Hauptthema in den Fragen der Anwesenden. Hier eine Auswahl (inklusive Antworten):
• Macht die Anlage Lärm, zum Beispiel durch den Wind? Dies wurde verneint.
• Wie erfolgt der Bau der Anlage und sind die Anwohner unterhalb der Baustelle gefährdet? Die Anlieferung erfolge nicht per Helikopter, sondern mit leichten Transportern. Zur Montage werden Seilbahnen eingesetzt. Die Baustelle werde nicht gross und rücke mit der Montage jeweils weiter. Ein zusätzliches Riskiko gebe es nicht.
• Erhöht sich die Gefahr eines Naturereignisses im Bach unterhalb der Anlage? Die Panels würden mit jeweils sechs bis acht langen Schrauben respektive Ankern im Fels befestigt, dadurch würden keine Flächen versiegelt. Eine massgebliche Veränderung bezüglich Schnee- und Regenmengen sei nicht zu erwarten.
• Ist berücksichtigt, dass der Hang rutscht? Ein Gutachten zeige Bewegungen von einem Zentimeter pro Jahr im untersten Teil der Anlage auf, die nötigenfalls technisch ausgeglichen und beobachtet würden, damit man rechtzeitig reagieren könne.
• Ist die Mineralquelle gefährdet? Ihr Einzugsgebiet liege tiefer als die Solaranlage und werde nicht tangiert.
• Wie stark reflektieren die Panels das Sonnenlicht und stören dadurch? Moderne Panels spiegelten weniger stark, aber ganz vermeiden könne man dies nicht.
• Können die Anlageteile nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Rückbau entsorgt werden? Bis zu 95 Prozent seien wiederverwertbare Stoffe wie Metall, Aluminium, Glas oder Quartz.
• Weshalb werden die Panels nicht einfach auf die bestehenden Lawinenverbauungen an Tschenten montiert? Deren Ausrichtung sei nicht ideal und die Flächen zu klein für Kollektoren.
Neuland in vielen Punkten
Auf (fast) alle Fragen hatten die Verantwortlichen eine Antwort – zumeist eine beruhigende. Die Initianten profitieren dabei von den Erfahrungen der BKW, die auf dem Mont Soleil im Jura seit 30 Jahren eine grossflächige Solaranlage betreiben. Dennoch betritt man mit diesen alpinen Grossanlagen Neuland aufgrund der Höhe, der Dimensionen und des Tempos, was auch die Planer fordert. Für Pascal von Allmen ist klar: «Wir haben genau eine Chance, vom ‹Solar-Express› zu profitieren. Diese gibt es am 24. November. Sonst fährt der Zug ohne Adelboden davon.»
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.frutiglaender.ch (Web-Links).
Was sonst noch an der Gemeindeversammlung behandelt wird, lesen Sie auf Seite 2.
Was machen andere?
Nicht nur in Adelboden wird eine alpine Solaranlage geplant. Vorreiter waren die Saaner, die mit dem Projekt SolSarine bereits im September eine Pilotanlage auf dem Hornberg in Betrieb nehmen konnten. Aktiv ist man auch im Simmental: Am 25. Oktober ist das erste Baugesuch für eine alpine Solaranlage im Kanton Bern bei den Behörden eingegangen. Diese Anlage mit sechs Hektaren Fläche soll in der Nähe der Alp Morgeten gebaut werden. Hinter dem Projekt stehen Christian Haueter, Bergvogt der Alp Morgeten, sowie die Energie Thun AG und die Thun Solar AG. Auch die Jungfraubahn hat kürzlich ein Vorhaben mit einer Fläche von gut 12 Hektaren vorgestellt: Das Unternehmen plant den Bau eines Solarkraftwerks auf der Alp Hintisberg in Lütschental. Die Gemeindeversammlung stimmt am 24. November darüber ab. Opposition gegen den Standort hat die Stiftung Landschaftsschutz angekündigt. Das jüngste Projekt ist eine Anlage von neun Hektaren Fläche am Hahnenmoosbärgli, initiiert durch die Bergbahnen Adelboden-Lenk AG. Die Lenker Gemeindeversammlung stimmt am 5. Dezember darüber ab.
HSF
Das Projekt
Auf einer Fläche von gut zehn Hektaren sollen an Schwandfäl Solarmodule installiert werden. Der Jahresertrag an elektrischer Energie wird mit 16 Gigawattstunden angegeben und durch die Ausrichtung auf Winterstrom optimiert. Die Anlage besteht gemäss Projekt aus 19 Meter langen Modultischen, die sich 2,5 Meter über dem Boden befinden werden. Der Netzanschluss ist bei der Trafostation der Bergstation des Skilifts vorgesehen. Das Projekt wird getragen von den Gesellschaften BKW, Licht- und Wasserwerk Adelboden AG (LWA) und Tschentenbahnen AG. Für das Bewilligungsverfahren ist das Regierungsstatthalteramt zuständig. Der Terminplan sieht nach dem grünen Licht der Gemeindeversammlung einen definitiven Bauentscheid im Frühjahr 2024 vor. Im Sommerhalbjahr 2025 würde die erste Etappe realisiert, was eine Produktion von mindestens zehn Prozent der Anlagenkapazität umfasst. Die Fertigstellung und Verstärkung des Stromnetzes soll bis 2028 erfolgen. Die Investitionskosten belaufen sich auf rund 35 Millionen Franken, wovon der Bund maximal 60 Prozent als Einmalvergütung finanziert.
HSF