Yvonne Reichen gibt den Ton an
29.10.2024 Kultur, AdelbodenIhren Unterhaltungsabend letzten Samstag in der Turnhalle hielt die Jodlergruppe Engstligtal erstmals unter weiblicher Leitung ab. Nebst den Gastgebern traten drei weitere Formationen auf, die mit ihren Trachten auch optisch etwas zu bieten hatten.
RUTH STETTLER
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Ihren Unterhaltungsabend letzten Samstag in der Turnhalle hielt die Jodlergruppe Engstligtal erstmals unter weiblicher Leitung ab. Nebst den Gastgebern traten drei weitere Formationen auf, die mit ihren Trachten auch optisch etwas zu bieten hatten.
RUTH STETTLER
Eine Augenweide etwa waren die Sängerinnen und Sänger vom Letzi-Chörli aus dem Toggenburg. Die Männer waren mit roter Weste, Kragen und Hosenträgern ausgestattet, die Frauen trugen Sonntagstracht mit Schmuck aus echtem Silber – einst ein Hinweis auf Wohlstand. Das Letzi-Chörli verband seinen Auftritt gleich mit seiner «Chörli-Reise» und war somit schon vor dem Unterhaltungsabend auf den Ort eingestimmt. «Wir waren unter anderem auf dem Tschenten und wanderten zum Wasserfall», berichteten sie zufrieden.
Der Chor hatte besinnliche Lieder wie «Dr Wäg» von Ueli Zahnd oder den Toggenburger Naturjutz «Zäuerli» im Gepäck, spielte aber auch moderne Stücke. Theatralischen Unterhaltungswert bot Chorleiter Röbi Muheim bei der schweizerischen Interpretation des Beatles-Songs «When I’m 64» («Wenn i mal alt bi»).
Tradition und Abwechslung
Mit grosser Vorfreude war der Jodlerklub Echo vom Rigi der Einladung nach Adelboden gefolgt. Seit zehn Jahren erreichen die Innerschweizer an den Jodlerfesten regelmässig Bestnoten – «und das zu Recht», waren sich die Zuhörer in der Turnhalle Adelboden einig. Leiterin Esther Styger beschrieb ihre Formation wie folgt: «Wir sind eine coole Truppe mit vielen Jungen.» Zum Auftakt gaben sie das «Rigisennelied», einen Gruss aus ihrer Heimat, zum Besten. Mit ihrer markanten Haube verraten die Frauen ihren Zivilstand: weiss = verheiratet, schwarz = ledig. Die rote Tracht ist die Küssnachter Sonntagstracht, die blaue die Schwyzer.
Für die musikalische Unterhaltung rund um die Gesangsbeiträge war das Ländlerquartett Wildstrubel zuständig. Seit rund zehn Jahren musizieren Ursi und Ueli Grossen, Martin Steiner und Käthy Schneider als Formation mit zwei Akkordeons, einem Schwyzerörgeli und einer Bassgeige zusammen. Bis in die frühen Morgenstunden spielten sie Stücke verschiedener Stilrichtungen: Schottisch, Walzer, Polka und Marsch. Kompositionen von Arthur Brügger (Adelboden) und Lorenz Giovanelli (Frutigen) sind ihr Markenzeichen.
Erfolgreicher Einstand in Langnau
Vollzählig traten die Gastgeber, die Jodlergruppe Engstligtal, auf. Neuerdings und erstmals seit der Gründung vor 47 Jahren gibt eine Frau den Ton im Männerchor an: Yvonne Reichen aus dem Emdtal. Die Bäuerin und Wirtin des Berghauses Ramslauenen war in einer Jodlerfamilie aufgewachsen und hatte schon in diversen Klubs im Berner Oberland gejodelt, bevor sie vor zwölf Jahren die anspruchsvolle Dirigentenausbildung abschloss. Zuvor hatte Daniel «Hilti» von Allmen den Chor geleitet – wenn auch nicht ganz freiwillig. «Bei meiner ersten Probe habe ich klar gesagt, dass ich den Klub niemals dirigieren werde.» Mittels «Stöckliziehen» war er zum Chorleiter bestimmt worden, mehr wollte er nicht. Weil er aber bereits bei der ersten Probe die Stimmflöte im Hosensack trug, verging kein Abend, an dem er nicht tonangebend war. Yvonne Reichen lachte über diese Anekdote und wies darauf hin, dass sie sich noch in der Probezeit befinde. Aber es dürfte klar sein, dass die Jodler ihre Dirigentin nicht so schnell wieder ziehen lassen. Den ersten Erfolg erzielte Reichen bereits im Sommer am Jodlerfest in Langnau mit dem Lied «E Hand voll Heimatärde» von Hannes Fuhrer. Die Jodlergruppe wurde dafür mit der Note «sehr gut» bewertet.
Überraschung und Spannung
Kulinarisch durften sich die Besucher wie immer überraschen lassen. Vor Konzertbeginn und den ganzen Abend über konnten sie sich ein Riz Casimir bestellen. Das Kuchen- und Tortenbuffet war reichhaltig und liess erahnen, wie viele helfende Hände im Hintergrund mitgewirkt hatten. Nach dem Konzert fand eine Verlosung statt.
Obwohl die Berner – zumindest laut den Witzen, die man sich in Toggenburger und Innerschweizer Jodlerkreisen erzählt – nie schneller sind als die Schnecken auf der Strasse, ist es der 24-köpfigen Adelbodner Jodlergruppe gelungen, einen rundum stimmigen volkstümlichen Abend auf die Beine zu stellen.