Ostern ohne Auferstehung

  29.03.2018 Region, Gesellschaft

«Wenn es keine Auferstehung gibt, ist jede Predigt sinnlos und ihr könnt euren Glauben gleich vergessen!» So schreibt Paulus sinngemäss im Jahr 54 oder 55 n. Chr. an die frühchristliche Gemeinde in Korinth.

Dass der Apostel diesen scharfen Ton anschlägt, ist verständlich. Der christliche Glaube ist um das Osterwunder herum entstanden. Streicht man dieses Wunder weg, bleibt wenig übrig.

Was danach ist, weiss niemand

Menschen, die mit der Ostergeschichte nichts anfangen konnten, gab es offenbar immer – auch schon in der Antike. Paulus spricht sie im Korintherbrief ganz direkt an. «Wie können einige von euch behaupten, dass die Toten nicht auferstehen werden», fragt er empört. Was würde Paulus wohl heute schreiben? Je nach Umfrage glaubt nur noch die Hälfte der Christinnen und Christen an die Auferstehung von den Toten. Bei den Reformierten sind es etwas weniger, in Freikirchen etwas mehr.

Warum das so ist, liegt auf der Hand. Zum einen widerspricht der Vorgang jeglicher menschlichen Erfahrung. Wer tot ist, ist tot. Und bisher hat noch niemand erzählen können, was danach passiert. Zum anderen ist die Bibel in Sachen Auferstehung selbst nicht einheitlich: Jedes der vier Evangelien erzählt die Geschichte ein wenig anders und erwähnt eigene Aspekte.

Die Auferstehung wird nirgends beschrieben

Vor allem in neuerer Zeit hat man versucht, solche Widersprüche aufzulösen und die Auferstehung zu beweisen – oder eben zu widerlegen. Da werden dann Grabhöhlen in Jerusalem untersucht und angebliche Leichentücher. Man nimmt die biblischen Texte auseinander und interpretiert sie neu.

Das alles mag wissenschaftlich interessant sein, und tatsächlich lässt sich mit den heutigen Möglichkeiten eine Menge herausfinden. Dem Phänomen Auferstehung kommt man damit allerdings nicht näher.

Das Missverständnis beginnt dort, wo man die biblischen Texte als Tatsachenprotokolle liest – denn das sind sie nach aller Wahrscheinlichkeit nicht. Zwar erwähnen sie Details: den weggerollten Stein, die Wachen vor dem Grab, ein Erdbeben. Aber all das ist unwichtig. Die «Berichte» sind vor allem Glaubensdokumente. Sie bezeugen lediglich, dass
da jemand an Jesu Auferstehung glaubte – Frauen, Grabwächter, Jünger. Für die Auferstehung selbst gibt es keine Zeugen, und sie wird auch nirgends beschrieben. Wie das Ganze vonstatten ging, bleibt ein Geheimnis.

Was starrt ihr in die Wolken?

Letztlich gibt es also nur ein paar alte Texte, die von Leuten erzählen, welche an die Auferstehung glaubten. Alle Versuche, dieses Wunder zu erklären oder gar zu beweisen, sind zum Scheitern verurteilt. Der Evangelist Lukas rät sogar regelrecht davon ab, sich der Auferstehung mit dem Verstand zu nähern. «Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten», wird den Frauen am Grab gesagt. Und später, bei Jesu Himmelfahrt, heisst es zu einer Gruppe von Männern: «Was schaut ihr zum Himmel?» Übersetzt heisst das: Ihr könnt in Jesu Grab herumstöbern oder in die Wolken starren, so lange ihr wollt – es wird euch nichts nutzen. Das, worum es hier geht, ist mit der menschlichen Wahrnehmung nicht zu fassen.

«Der Gottesmann ist tot»

Am Sonntag feiert die Christenheit also ein Ereignis, mit dem eine Mehrheit der Gläubigen nichts anzufangen weiss. Die einen aus naturwissenschaftlichen Gründen; die anderen, weil sie sich die Auferstehung einfach nicht vorstellen können; wieder andere, weil ihnen das Thema ziemlich egal ist. Kann man mit solch einer schulterzuckenden Haltung Christ sein?

Beim ehemaligen Christenverfolger Paulus scheint die Sache einfach: Der Glaube steht und fällt mit der Auferstehung. Viel Raum für Zwischentöne bleibt da nicht. Heutige  Theologen, vor allem die landeskirchlichen, tun sich deutlich schwerer, eine klare Antwort zu geben. Nach ein paar Jahren an der Uni wissen sie vielleicht, wann die  Auferstehungstexte verfasst wurden (nach aktueller Lehrmeinung zwischen 70 und etwa 100 n. Chr.) Aber was heisst das schon? Am Ende schlagen sich «Berufs-Christen» mit den gleichen Glaubensproblemen herum wie durchschnittliche Gemeindemitglieder.

Vielleicht auch deswegen ist der Blick auf die Auferstehung offener und vielfältiger geworden. In seiner Osterbotschaft 2016 schrieb ein leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland: «Jesus, der Gottesmann und Meister, ist tot. Sein Leib wird vergehen wie jeder Menschenleib. Aber das, was in ihm göttlich war, seine Sache, seine Haltung, seine Leidenschaft und sein Einsatz für das wahre Leben, das ist mitnichten tot. Es lebt – wenn die Nachfolger es wollen. » Nach dieser Osterbotschaft gab es eine kurze, erregte Debatte unter konservativen Christen; inzwischen ist der Bischof in seinem Amt wiedergewählt worden.

Gott ist das Jenseits – das genügt

Auch der 2017 verstorbene Berner Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti hielt sich nicht gern damit auf, über das «Leben nach dem Tod» zu grübeln. «Wenn es nämlich ein Jenseits gibt», schrieb er, «dann ist es auch jenseits unserer Vorstellungen. Gott ist unser Jenseits. Das zu glauben genügt – und alles Weitere bleibt ihm überlassen.» Bibeltreuen Christen, die sich möglichst genau an den überlieferten Text halten, ist eine solche Haltung zu lasch. Den meisten Gläubigen aber scheint Kurt Marti näher zu sein als der gestrenge Paulus.


Auferstehung

ihr fragt
wie ist die auferstehung der toten?
ich weiss es nicht

ihr fragt
wann ist die auferstehung der toten?
ich weiss es nicht

ihr fragt
gibt’s
eine auferstehung der toten?
ich weiss es nicht


ihr fragt
gibt’s
keine auferstehung der toten?
ich weiss es nicht

ich weiss
nur
wonach ihr nicht fragt:
die auferstehung derer die leben

ich weiss
nur
wozu Er uns ruft:
zur auferstehung heute und jetzt

KURT MARTI


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