Ein 2 Kilometer langer Akzent
31.08.2018 Adelboden, Wirtschaft, TourismusZwischen dem Höchsthorn und dem Sillerenbühl soll eine Hängebrücke entstehen. Die Planer sprechen von einem «touristischen Quantensprung». Aber sie wissen auch: Die Realisierung wird kein Spaziergang.
MARK POLLMEIER
Ein Fussweg über den Abgrund soll dem ...
Zwischen dem Höchsthorn und dem Sillerenbühl soll eine Hängebrücke entstehen. Die Planer sprechen von einem «touristischen Quantensprung». Aber sie wissen auch: Die Realisierung wird kein Spaziergang.
MARK POLLMEIER
Ein Fussweg über den Abgrund soll dem Adelbodner Tourismus neue Impulse geben und vor allem das Sommergeschäft ankurbeln. Hinter dem ungewöhnlichen Projekt steht «eine engagierte Gruppe aus Adelboden» (siehe Kasten Seite 3). Die Idee einer Hängebrücke diskutiert das neunköpfige Projektteam schon länger. Ursprünglich war ein solches Bauwerk vom Dorf auf die Fuhre im Boden angedacht. Nach weiteren Abklärungen und Besuchen verschiedener Standorte in der Schweiz und in Österreich wird nun die Verbindung zwischen Höchsthorn und Sillerenbühl favorisiert.
Gigantische Ausmasse
Die Hängebrücke hätte Dimensionen, die bisher noch nie realisiert wurden. Zur beeindruckenden Länge von 2222 Metern käme eine Höhe von 365 Metern. Die Breite läge bei rund 1 Meter. Zum Vergleich: Die bislang längste Hängebrücke der Welt, die auf dem Europaweg die Orte Zermatt und Grächen verbindet, ist lediglich 494 Meter lang und 85 Meter hoch bei einer Breite von 65 Zentimetern.
Gigantisch wären indes auch die Kosten für das Adelbodner Bauwerk. Die Projektgruppe schätzt sie derzeit auf grob 18,5 Millionen Franken. Zusammenbringen will man diese Summe via Aktienkapital, durch Werbung und über Bankkredite.
«Kein Fremdkörper in der Landschaft»
Trotz des erheblichen Finanzierungsbedarfs betonen die Brücken-Initianten die Vorteile. Eine solche Attraktion sei nur schwer kopierbar. Theoretisch stehe die Brücke ganzjährig zur Verfügung, stärke aber speziell das Sommergeschäft. Insgesamt kalkuliert man derzeit mit 150 000 Besuchern, 80 Prozent davon in der wärmeren Jahreszeit. Im Gegensatz zu vielen anderen Outdoor-Angeboten wäre der Zugang zur Brücke ohne spezielle Ausrüstung, Ausbildung oder Vorkenntnisse möglich.
Nach Meinung der Projektgruppe schneidet das Vorhaben auch unter Umweltgesichtspunkten gut ab. Einmal erstellt, käme die Infrastruktur ohne grosse Betriebs- oder Unterhaltskosten aus. Das Gebiet, in dem die Konstruktion aufgehängt würde, sei überdies schon jetzt intensiv touristisch genutzt. «Die Brücke wäre ja kein kompletter Fremdkörper in der Landschaft», betont der Adelbodner Obmann Markus Gempeler, einer der Initianten. «Die Masten der Bergbahnen, die Seile, Oberleitungen für die Stromversorgung, das alles gibt es ja jetzt schon.» Durch ihre filigrane Bauart würde die Hängebrücke in der Landschaft vergleichsweise wenig auffallen. Insgesamt erhoffen sich die Planer von der Brücke eine bessere Nutzung und Finanzierung der schon vorhandenen Adelbodner Infrastruktur. Namentlich die Parkplätze, die Bergbahnen und Wanderwege, aber auch Restaurants und Hotels könnten davon profitieren, was die Wertschöpfung vor Ort erhöhen soll. Ferner würde die Brücke Möglichkeiten bieten, neue Gäste-Angebote zu kreieren.
So positiv sie die Wirkung «ihrer» Brücke auch einschätzen: Den Initianten ist durchaus bewusst, dass ein Projekt dieses Ausmasses grosse Herausforderungen birgt. «Das wird sicher kein Spaziergang», ahnt auch Markus Gempeler.
Einsprachen sind programmiert
Schon die Bewilligung dürfte eine Knacknuss werden. Ein Blick nach Oberhofen zeigt, was auf die Adelbodner zukommen könnte. Die Frutiger AG will dem Ort eine Hängebrücke über den Riderbach schenken. Doch die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und die Pro Natura Bern kritisieren das Vorhaben scharf. Für die Brücke gebe es keinerlei Notwendigkeit, sie sei mit dem Landschaftsschutz nicht vereinbar. Beide Organisationen haben bereits Einsprache erhoben, eine einheimische Interessengemeinschaft hat gerade eine Online-Petition gegen den Bau gestartet.
Soweit ist man in Adelboden noch nicht. Derzeit klärt die Projektgruppe, was für ein Baugesuch nötig wäre – zum Beispiel, welche Amtsstellen überhaupt an dem Verfahren beteiligt werden müssten. Erst in einem weiteren Schritt wolle man sich dann um die Finanzierung kümmern.
Die grösste Hürde für das Projekt dürfte allerdings die Akzeptanz in der Adelbodner Bevölkerung und bei den Feriengästen sein.
Wie das Projekt in der breiteren Öffentlichkeit ankommt, können die Planer noch nicht abschätzen. Vorgefühlt haben sie allerdings schon bei den lokalen Leistungsträgern, die Mitte Juni zu einem Infoanlass eingeladen waren. Aufgrund der Reaktionen ist Markus Gempeler sehr zuversichtlich. Zwar habe es, wie zu erwarten, auch negative Stimmen gegeben. «Aber wir haben doch mehrheitlich positive Rückmeldungen erhalten.»
Abgesehen von den örtlichen Leistungsträgern wurde inzwischen auch die TALK AG informiert, auch dort seien die Reaktionen «sehr positiv» gewesen, so Gempeler.
Ohne UeO geht es wohl nicht
Bleibt die Frage, wie die übrigen Adelbodner die Idee aufnehmen werden – und ob sie der Realisierung am Ende zustimmen. Klar scheint schon jetzt: Bei einem Projekt dieser Grössenordnung wird man um eine Überbauungsordnung wohl nicht herumkommen. An der Bevölkerung wird also kein Weg vorbeiführen.
Es sei an der Zeit, in Adelboden wieder einmal einen Akzent zu setzen, finden die Initianten. Sie sind überzeugt: Die Hängebrücke Sillerenbühl–Höchsthorn käme einem touristischen Quantensprung gleich. Doch die Diskussion zu diesem Quantensprung ist gerade erst eröffnet.
Die neunköpfige Projektgruppe
• Emanuel Aellig (Geschäftsführer Licht- und Wasserwerk Adelboden AG)
• Martin Andres (VR-Präsident Kissling + Zbinden AG)
• Thomas Burn (Burn Architektur Ingenieur AG)
• Ruedi Buchser (Gemeinderat Ressort Strassen- und Wegwesen)
• Markus Gempeler (Gemeinderatspräsident)
• Theo Lauber (Swissrope AG)
• Kevin Lauber (Swissrope AG)
• Björn Luginbühl (Chef Techniker Bergbahnen Adelboden AG, «Verein für Adelboden»)
• Stefan Oester (Verein «Für Adelboden»)
Bei der Startsitzung war auch noch Jean-Rolf Pieren dabei, der das Projekt jedoch nach dem Startimpuls in jüngere Hände übergeben wollte.