«Wir haben unsere unternehmerische Freiheit zurückgewonnen»
28.12.2018 Region, TourismusNach gut drei Jahren geht die Hotelkooperation Frutigland von der Projektphase in den «Normalbetrieb» über. Sichtbares Zeichen dafür ist eine Homepage, über die der Gast ungewöhnliche Pauschalen buchen kann. Weit wichtiger allerdings ist etwas anderes: Ein neues ...
Nach gut drei Jahren geht die Hotelkooperation Frutigland von der Projektphase in den «Normalbetrieb» über. Sichtbares Zeichen dafür ist eine Homepage, über die der Gast ungewöhnliche Pauschalen buchen kann. Weit wichtiger allerdings ist etwas anderes: Ein neues Selbstverständnis.
MARK POLLMEIER
«Wir sind es leid, immer nur zu jammern.» So brachte es Hotelier Nico Seiler auf den Punkt, als er vor gut drei Jahren zur Hotelkooperation befragt wurde. Damals, im Februar 2015, steckten viele familiengeführte Betriebe in einer schwierigen Phase. Gerade hatte sich die Branche von der Finanzkrise erholt, da sorgte der «Frankenschock» schon für den nächsten Dämpfer. Viele Besucher aus Europa machten fortan einen Bogen um die Schweiz. Die Kosten pro Übernachtung stiegen, für Investitionen blieb kaum etwas übrig, was wiederum die Konkurrenzfähigkeit schwächt. Eine desolate Situation – für die betroffenen Inhaber, aber auch für Tourismusregionen insgesamt.
Peter Zemp als Geschäftsführer
Urs Pfenninger, seit 2013 Tourismusdirektor in Adelboden, hatte deshalb schon früh einen Prozess angestossen, der die Ausgangslage verbessern sollte. Talübergreifend lud er Hoteliers aus Kandersteg, Frutigen und Adelboden ein, um neue Formen der Zusammenarbeit zu diskutieren. Aus diesen Treffen entstand die Hotelkooperation Frutigland (HFL) mit elf Mitgliedern. Gefördert wurde das auf drei Jahre angelegte Projekt mit öffentlichen Geldern, ein Coach begleitete die Entwicklung von Konzepten.
Diese Pilotphase ist nun abgeschlossen. Die finanzielle Förderung ist ausgelaufen, die Strukturen sind aufgebaut, als Geschäftsführer mit einer 50-Prozent-Stelle konnte man den ehemaligen Blausee-Chef Peter Zemp gewinnen. Nun muss sich die HFL-Genossenschaft bewähren.
Woher rührt das Selbstvertrauen?
Erste Erfolge haben sich bereits eingestellt. Alle beteiligten Hotels haben in letzter Zeit überdurchschnittlich viel investiert oder planen in naher Zukunft grössere Investitionen. So wird etwa Chris Rosser das bisherige Hotel Kreuz in Adelboden abreissen und für 10 Millionen Franken ein modernes Aparthotel bauen – eine Investition, die er ohne die HFL wohl nicht in Angriff genommen hätte.
Woher rührt das neue Selbstvertrauen? Sicher spielt dabei die Bündelung von Marktmacht eine Rolle: Mit 500 Betten und 15 Millionen Franken Umsatz im Rücken verhandelt es sich leichter. Durch den Abschluss neuer Lieferanten- und Versicherungsverträge sparen die HFL-Mitglieder künftig also Geld, zudem hilft man sich gegenseitig mit Personal-Transfers.
Aber die Kooperation betrifft nicht nur das Materielle. Unter den Mitgliedern herrscht Transparenz. Nicht nur Geschäftszahlen, auch Ideen und Erfahrungen werden weitergegeben. Gemeinsame Aufgaben können unter 11 Hoteliers aufgeteilt werden. Ein Austausch, von dem letztlich alle profitieren. «Wir sind Gastgeber», betont Seiler, «wir wollen unsere Zeit nicht mit Bürokratie verbringen, sondern uns den Gästen widmen.»
Aus HFL wird Swiss Alpine Hotels
Wie weit die Zusammenarbeit bereits geht, zeigt ein neuer, gemeinsamer Internetauftritt. Unter dem Label Swiss Alpine Hotels präsentieren sich alle 11 HFL-Mitglieder gemeinsam auf einer Homepage. Dort sind Pauschalen buchbar, die zur Nutzung aller beteiligten Hotels berechtigen. Übernachten in Adelboden, ein Tropenhaus-Besuch in Frutigen, essen in Kandersteg – dafür braucht es lediglich eine Buchung. «Das Reiseverhalten hat sich in den letzten Jahren völlig verändert», erläutert Philipp Blaser und spricht den Trend zu kurzfristigen Reservierungen und grosser Mobilität an. «Und wenn die Leute schon nur eine Nacht bleiben, wollen wir sie wenigstens noch etwas länger in der Region halten, indem wir ihnen weitere Angebote machen», ergänzt Nico Seiler.
Damit wird deutlich, dass die viel beschworene Kooperationskultur auch über die HFL hinausreichen soll. «Wir sind vernetzt, wir verkaufen ja nicht nur Hotelübernachtungen, sondern auch andere Dienstleistungen», sagt Philipp Blaser. «Warum etwa soll man bei uns nicht den Skilehrer buchen können?» Auch Seiler stellt die Zusammenarbeit in einen grösseren Zusammenhang. «Wenn es uns Hoteliers gut geht, profitieren davon auch andere: der Metzger, der Bäcker, die Handwerker.»
Die Vorteile des kurzen Dienstwegs
Letztlich sei eine funktionierende Binnenwirtschaft auch für die Zukunft der Bergregionen elementar. «Wenn wir wollen, dass unsere Jungen hierbleiben, dann müssen wir schauen, dass sie eine Perspektive haben, auch beruflich.» Mit dem bisherigen Einzelkämpfertum sei das nicht zu machen.
Seiler kann sich durchaus vorstellen, andere Unternehmer mit ins Boot zu holen, sie sozusagen an der Kooperation zu beteiligen. So fallen in allen Hotels der HFL regelmässig Sanierungsarbeiten an – die man als Gruppe an bestimmte Handwerksbetriebe vergeben könnte. Profitieren würden wiederum beide Seiten: Der Handwerker von regelmässigen Aufträgen, die Hotel-Gruppe von günstigeren Preisen. Doch geht es nicht nur ums Finanzielle. «Es hat doch niemand etwas davon, wenn wir alle ständig Offerten einholen», findet Seiler. Das koste letztlich nur Zeit – eine Ressource, die bei allen knapp sei. «Wenn man sich kennt und einander vertraut, kann man so eine Auftragsvergabe doch auf dem kurzen Dienstweg erledigen», findet der Hotelier. «Ich weiss doch mit der Zeit, wer gute Arbeit macht und was die kostet.»
Vertrauen in die eigenen Stärken, ein neues Selbstbewusstsein, ein Blick für den grösseren Zusammenhang: Bei den Mitgliedern der HFL scheint vor allem mental einiges passiert zu sein in den letzten drei Jahren. Um es mit dem Zitat vom Anfang zu sagen: Die Zeit des Jammerns ist vorbei.
Swiss Alpine Hotels: Erweiterung im Franchise-System
Während der dreijährigen Pilotphase gehörten folgende Mitglieder der Kooperation an:
• Hotel Alpina, Adelboden
• Hotel Des Alpes, Adelboden
• Hotel Kreuz, Adelboden
• Hotel Waldhaus-Huldi, Adelboden
• Hotel National, Frutigen
• Chalet-Hotel Adler, Kandersteg
• Hotel Alfa Soleil, Kandersteg
• Belle-Epoque-Hotel Victoria, Kandersteg
Neu hinzugekommen sind:
• Berghaus Elsigenalp, Frutigen
• Hotel Kreuz, Leissigen
• Strandhotel Seeblick, Faulensee
Aufnahme-Verhandlungen laufen derzeit mit Hotels an der Lenk. Grundsätzlich sind die Swiss Alpine Hotels offen für weitere Mitglieder. Neuzugänge werden als Franchise-Partner aufgenommen, zahlen also eine Beitrittsgebühr und Jahresgebühren. Im Gegenzug sollen sie von den aktuellen und noch zu entwickelnden Vorteilen der Kooperation profitieren.
Weitere Informationen zur Hotelgruppe finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links-html