2222 Stunden Einsatz
08.01.2019 Frutigen, Gesellschaft, PolitikViele Asylsuchende leben auch nach Jahren noch von Sozialhilfe. Mit frühen Integrationsmassnahmen wie gemeinnütziger Arbeit will der Kanton gegensteuern. In der Region trägt das laut den Verantwortlichen erste Früchte.
BIANCA HÜSING
Wenn ein Bach verstopft oder ...
Viele Asylsuchende leben auch nach Jahren noch von Sozialhilfe. Mit frühen Integrationsmassnahmen wie gemeinnütziger Arbeit will der Kanton gegensteuern. In der Region trägt das laut den Verantwortlichen erste Früchte.
BIANCA HÜSING
Wenn ein Bach verstopft oder ein Wanderweg mit Geröll blockiert ist, kommt normalerweise die Gemeinde zum Einsatz – die Wegmeister sind für das Beheben solcher Schäden zuständig. In den letzten zwei Jahren wurden sie dabei auch von Geflüchteten unterstützt. Seit Frutigen das Pilotprojekt KAFOL (Koordination Asylsuchende und Flüchtlinge Berner Oberland) mitlanciert hat, gehören gemeinnützige Arbeitseinsätze nämlich zum Alltag jener Asylbewerber, die längerfristig in der Schweiz bleiben. Morgens Sprachunterricht, nachmittags Beschäftigung – die Massnahmen sind auf frühestmögliche Integration ausgelegt. Aus Sicht des Frutiger Sozialdienstleiters Markus Bieri haben beide Seiten etwas davon: die Öffentlichkeit ebenso wie die Asylsuchenden selbst. An den Zahlen aus dem Jahr 2018 lasse sich das gut ablesen.
Die alte Strategie ist wenig erfolgreich
Demnach sind allein in Frutigen 2222 Arbeitsstunden geleistet worden. 7 Asylbewerber aus dem Irak, aus Eritrea, Äthiopien, Sri Lanka, Syrien und dem Kongo haben hier unter Anleitung eines Zivildienstleistenden Neophyten bekämpft, störende Sträucher zurückgeschnitten oder Hausnummern an unbewohnten Gebäuden ausgetauscht. Entschädigt wurden sie dabei mit einem Sackgeld von 1,25 Franken pro Stunde, was insgesamt 2777 Franken ausmacht. Bei einem gemeindeüblichen Stundensatz von 42 Franken käme man auf über 90 000 Franken. «Für die Gemeinde sind diese Arbeitseinsätze also zweifellos wertvoll», meint Bieri. Doch auch die Asylsuchenden profitierten davon, indem sie beschäftigt seien, die Sprache im Alltag anwenden könnten und auf ein Arbeitsleben vorbereitet würden.
Und dies sei letztlich auch das übergeordnete Ziel der Integrationsmassnahmen: ein eigenständiges, selbstbestimmtes Erwerbsleben in der Schweiz. Die vorherige Asylstrategie scheitere jedenfalls in dieser Hinsicht, wie die im Dezember veröffentlichten Sozialhilfezahlen zeigten: «Offensichtlich führt die bisherige Praxis dazu, dass die Sozialhilfequote der Personen aus dem Asylbereich bei hohen 90,4 Prozent liegt», so der Sozialdienstleiter. Im Klartext bedeute das: «Neun von zehn Asylsuchenden sind auch nach sieben Jahren noch in der Sozialhilfe.» Dass an diesem Zustand etwas geändert werden müsse, liege auf der Hand.
Mehr Erwerbstätige im Oberland
Umso erfreuter zeigt sich Bieri ob der jüngsten Entwicklungen in der Region. Laut dem Verein Asyl Berner Oberland (ABO) ist die Zahl erwerbstätiger Asylsuchender 2018 von 121 auf 205 Personen gestiegen. Von der Sozialhilfe wurden im letzten Jahr 66 Personen abgelöst, 2017 waren es 26 Personen. «Statistisch sind das signifikante Verbesserungen», so Bieri. Der Eindruck verstärkt sich vor dem Hintergrund, dass die Zahl der hier lebenden Asylbewerber (2. Phase) sogar gesunken ist: von 926 auf 907 Personen. «Wir arbeiten sehr eng und institutionalisiert mit ABO zusammen», meint der Sozialdienstleiter. Diese Zusammenarbeit sowie die frühen Integrationsmassnahmen tragen nach seiner Einschätzung zu den Verbesserungen bei. Doch im ökonomischen Nutzen, den eine höhere Erwerbsquote mit sich bringt, sieht Bieri vor allem einen Nebeneffekt. «Im Vordergrund steht der Mensch», betont er. Und dass die Beschäftigungsmassnahmen den Asylsuchenden gut täten, erkenne man an deren Motivation: «Manche wollten sogar auch am Wochenende arbeiten.»