Die SVP findet ihre Standesstimme wieder
19.11.2019 Landwirtschaft, AnalyseWerner Salzmann (SVP) sticht im zweiten Durchgang der Berner Ständeratswahlen die Grüne Regula Rytz aus und zieht zusammen mit dem Bisherigen Hans Stöckli (SP) in die kleine Kammer ein. Was angesichts der politischen Kräfteverhältnisse im Kanton logisch erscheint, mussten sich die ...
Werner Salzmann (SVP) sticht im zweiten Durchgang der Berner Ständeratswahlen die Grüne Regula Rytz aus und zieht zusammen mit dem Bisherigen Hans Stöckli (SP) in die kleine Kammer ein. Was angesichts der politischen Kräfteverhältnisse im Kanton logisch erscheint, mussten sich die Bürgerlichen hart erkämpfen.
JULIAN ZAHND Dass der Kanton Bern einen Ständerat aus den Reihen der SVP oder FDP stellen würde, schien vor den Wahlen am 17. November alles andere als selbstverständlich. Die ungemütliche Lage hatte sich das bürgerliche Lager dabei vor allem selbst zuzuschreiben: Die wenig aussichtsreiche Christa Markwalder war nach dem ersten Wahlgang am 20. Oktober vorgeprescht und hatte damit die wohl mehrheitsfähigste Kandidatin Beatrice Simon (BDP) zum Rückzug genötigt. Werner Salzmann (SVP) musste daher mit Markwalder ein bürgerliches Ticket bilden – dies, obwohl sich die beiden Parteien bei wichtigen Themen wie dem Klimawandel oder der EU-Integration unterschiedlich positionieren. Das Wahlresultat sollte denn auch zeigen: Längst nicht jeder Salzmann-Wähler entschied sich auch für Markwalder.
Auf der anderen Seite präsentierte sich das rot-grüne Duo mit Hans Stöckli (SP) und Regula Rytz (Grüne) homogener. Während Stöckli den Bisherigen-Bonus ausspielen konnte, stieg mit Rytz die Präsidentin jener Partei ins Rennen, welche kurz zuvor zu den grossen Wahlsiegerinnen ausgerufen worden war. Eine rot-grüne Berner Vertretung schien damit so greifbar wie nie zuvor.
Dass die SVP im Kanton Bern mit rund 30 Prozent Wähleranteil die mit Abstand stärkste Partei ist, reicht für Ständeratswahlen nicht aus. Das wusste auch die Partei selbst, weshalb sie sich aufmachte, einen Drahtseilakt zu vollführen: Einerseits musste man die Wählerschaft davon überzeugen, dass der Kanton Bern eine bürgerliche Stimme im Ständerat braucht und dass es sich lohnt, an die Urne zu gehen. Andererseits musste erreicht werden, dass sich die Stimmen möglichst konzentrierten – und zwar auf den aussichtsreichsten Kandidaten Salzmann. Dies ist auch der Grund, weshalb namhafte SVP-Vertreter im Vorfeld der Wahlen gefordert hatten, nur ihren Kandidaten auf die Liste zu setzen und die andere Linie leer zu lassen. Die Resultate vom zweiten Wahlgang deuten nun zumindest darauf hin, dass etliche SVP-Wähler diesem Ruf gefolgt sind: Rund ein Viertel aller Stimmenden schrieb nur einen Namen auf den Wahlzettel. Der Anteil war in jenen Wahlkreisen am höchsten, in denen Salzmann die meisten Stimmen erhielt.
Vor allem aber vermochte die SVP über die Parteigrenze weg zu mobilisieren. Offenbar bewegte die Aussicht auf einen rein linken Berner Ständerat auch diverse Parteianhänger von FDP und BDP dazu, für Salzmann zu stimmen. Der SVP-Mann kam letztlich auf 154 586 Stimmen (47 Prozent) und lag damit nur knapp hinter Stöckli, der mit 157 750 Stimmen auf dem ersten Platz landete. Rytz folgte mit 141 337 Stimmen, Markwalder schliesslich wurde 115 163 Mal auf die Liste gesetzt.
Die SVP erhält damit nach einer längeren Durststrecke wieder einen Platz im Berner Ständerat. Seit der Abwahl von Adrian Amstutz im Jahr 2011 wurde der Kanton im Bundeshaus von Hans Stöckli sowie Werner Luginbühl von der BDP (seit 2007 im Amt) vertreten. Eine rein linke Ständeratsvertretung wäre den politischen Kräfteverhältnissen des Kantons nicht gerecht geworden, das ohnehin bereits lädierte Zusammengehörigkeitsgefühl hätte durch einen einseitigen Wahlsieg womöglich zusätzlich gelitten.
Zumindest auf dem Papier spricht der Kanton nun mit einer ausgewogenen Stimme. Damit das Gleichgewicht auch in der Realität spielt, dürfen sich die beiden künftigen Ständeräte nun nicht als Anwälte ihrer Klientel verstehen und primär deren Interessen vertreten. Für den Kanton nützlicher wäre eine gewisse Kompromissbereitschaft. Dass Vertreter von SP und SVP an einem Strang ziehen, ist zwar unüblich. Falsch ist es deswegen aber noch lange nicht.
Hätte das Frutigland alleine abgestimmt, sässen ab nächstem Jahr zwei bürgerliche Berner Ständeräte im Bundeshaus. Bei sämtlichen sieben Gemeinden schnitt Werner Salzmann mit Abstand am besten ab. Bei den meisten Gemeinden folgt auf den SVP-Vertreter Christa Markwalder von der FDP. Nur Aeschi und Krattigen hätten den Bisherigen Hans Stöckli (SP) wiedergewählt.
Die Resultate der beiden bürgerlichen Kandidaten unterscheiden sich viel deutlicher als jene des rotgrünen Duos. Dies ist ein Hinweis dafür, dass das linke Doppelticket besser funktionierte als das bürgerliche.
Die Anzahl Wahlzettel, auf die nur ein Name geschrieben wurde, steigt mit der Unterstützung Werner Salzmanns. Daraus lässt sich schliessen, dass viele SVP-Wähler bloss ihren Kandidaten unterstützten. Wären alle Linien ausgefüllt und daher 83 398 Stimmen mehr verteilt worden, hätte neben Hans Stöckli womöglich eine Frau das Rennen gemacht.
Die Wahlbeteiligung war im Oberland leicht überdurchschnittlich, was dem SVP-Vertreter Salzmann zugute kam. Die meisten StimmbürgerInnen liessen sich jedoch im Verwaltungskreis Bern-Mittelland an die Urne bewegen – den Stammlanden der Linken. Allerdings konnte hier das Duo Stöckli-Rytz seine Konkurrenz weniger stark distanzieren als erwartet.
JUZ