Lieferservice sorgt für dankbare Kundschaft
31.03.2020 Coronavirus, Wirtschaft, AdelbodenWoche zwei nach dem Schliessungsgebot für fast alle Geschäfte und dem bundesrätlichen Rat, zu Hause zu bleiben, ist vorbei. Wie hat sich der Hauslieferungsdienst der noch offenen Adelbodner Läden bewährt? Ein Blick hinter die Kulissen.
RETO KOLLER
Remo Hersche ...
Woche zwei nach dem Schliessungsgebot für fast alle Geschäfte und dem bundesrätlichen Rat, zu Hause zu bleiben, ist vorbei. Wie hat sich der Hauslieferungsdienst der noch offenen Adelbodner Läden bewährt? Ein Blick hinter die Kulissen.
RETO KOLLER
Remo Hersche hatte die Idee, die Tatkraft und die Unterstützung. Er rief mit zwei KollegInnen einen Hauslieferdienst ins Leben, um die einheimischen Geschäfte zu entlasten (der «Frutigländer berichtete»).
Bis zu 30 Aufträge pro Tag
Hersches Tag beginnt um sieben Uhr morgens. Es gilt, die Informationen für die Fahrer noch einmal zu überprüfen, die am Vortag zusammengekommen sind. Wenn die Kirchturmuhr achtmal schlägt, steht der Besuch in den Partnergeschäften an. Sie haben die Taschen für ihre meist älteren KundInnen gepackt. Hersche belädt das Fahrzeug zusammen mit einem seiner inzwischen fünf freiwilligen Chauffeuren. Sie wechseln sich tageweise ab.
Heute, Samstagmorgen, scheint ein Rekordtag zu sein. 30 meist gut gefüllte Behältnisse stapeln sich im Lieferwagen. Darunter sind auch Medikamente und ab und zu einige Blumen. Der Tourenplan vom Vorabend ist bereit. Gegen zehn Uhr kehren die beiden zurück. Man bespricht sich anschliessend mit dem restlichen Team und tauscht die Erfahrungen aus.
Der frühe Nachmittag gehört Hersches Arbeit für die Gemeinde Jegenstorf, wo er ein ähnliches Projekt ins Leben gerufen hat und betreut. Am frühen Abend überprüft der 21-jährige gelernte Logistiker die Excel-Tabelle, in der die Partnerbetriebe ihre laufenden Bestellungen eingetragen haben. Mit Hilfe von Google Maps klügelt er die bestmögliche Lieferroute aus. Gegen zehn Uhr abends steht der Plan. Hersche übermittelt ihn seinen Fahrern und klappt eine halbe Stunde später den Laptop zu. Das Tagewerk ist verrichtet. Auf die Frage, wie lange er diese Kadenz noch durchstehe, hält Hersche es mit dem «Mister Coronavirus» Daniel Koch: «So lange wie es mich braucht.»
Viel Arbeit in der Bäckerei Michel
Der Lieferservice stösst auf reges Interesse, die Bestellungen wachsen von Tag zu Tag. Das bestätigt auch Markus Michel. Er ist Geschäftsführer der Bäckerei Michel GmbH. Sie hat neben frischen Backwaren ein grosses Sortiment an Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Gebrauchs im Geschäft an der Dorfstrasse. Michels gehören deshalb zu den grössten Auftraggebern des Lieferservices. «Wir sind sehr dankbar für das Angebot der jungen Leute. Für uns wäre die Nachfrage kaum zu bewältigen», meint er. Auch ohne eigene Hauslieferungen ist der Alltag anspruchsvoll genug. «Wer bei uns anruft und Waren bestellt, möchte sich auch gleich ein wenig unterhalten. Wir sind auch eine Verbindung zur Aussenwelt für Menschen, die nicht mehr selbst einkaufen wollen oder können. Nur die Wenigsten melden sich per E-Mail», umschreibt Michel den Alltag des Telefondienstes. Er legt deshalb Wert darauf, dass möglichst er selbst oder seine Frau Marianne am Hörer sind.
Alle Lieferungen werden gegen Monatsrechnung ins Haus gebracht. «Ich konnte allein in der vergangenen Woche 60 neue Kundendaten erfassen – einerseits die Liefer- andererseits die Rechnungsadresse, wenn sie nicht gleich sind.» Das sei insbesondere bei den recht zahlreichen Zweitwohnungsbesitzern der Fall. Sie haben es vorgezogen, die Krisenzeit in freiwilliger Ferien-Quarantäne in Adelboden statt an ihrem Erstwohnsitz zu verbringen. Die meisten Kunden sind Michels allerdings bereits bekannt. Trotzdem rechnet die Firma mit einigen Zahlungsausfällen. «Das müssen wir wohl in Kauf nehmen», bemerkt der Geschäftsführer achselzuckend.
Laut Michel ist der Ladenumsatz tiefer als in einem normalen März, aber er hilft, die Kosten zu tragen. Die Nachfrage nach frischen Backwaren und insbesondere nach Spezialitäten sei um rund 50 Prozent gesunken. Zurzeit kann die Michel GmbH ihre 16 LohnempfängerInnen noch weitgehend weiterbeschäftigen. Das Zusammenstellen der vielen Kundenbestellungen ist recht aufwendig. «Es ist uns sehr wichtig, unsere langjährigen und treuen Mitarbeitenden bei der Stange halten zu können», hält Michel fest. Immerhin gäbe es irgendwann einmal wieder ein Leben ohne geschlossene Läden, Hotels, Bergbahnen und zu Hause bleibende Konsumenten.
Turbulente Zeiten in der Apotheke
In unmittelbarer Nähe von Michels Laden ist ein weiteres Geschäft geöffnet: die Apotheke von Beat Inniger. Auch dort sind der Chef und seine Mitarbeiterinnen gefordert. Die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln ist kaum zu bewältigen. «Es ist ein wahres Pingpong-Spiel. Das eine Mal fehlt der Alkohol für unser selbst zubereitetes Handdesinfektionsmittel, das andere Mal fehlen die Fläschchen», meint Apotheker Inniger. Auch Einweghandschuhe und Fiebermesser sind zurzeit ausverkauft und kaum mehr zu beschaffen. Die Suche nach Lieferanten sei ein wahrer Spiessrutenlauf und oft von wenig Erfolg gekrönt. Auch sein Kollege von der Wildstrubel-Drogerie Koller macht die gleichen Erfahrungen.
Inniger versorgt zurzeit viele Zweitwohnungsbesitzer mit rezeptpflichtigen Medikamenten. «Das ist ab und zu recht aufwendig, wenn uns die nötigen Dokumente fehlen und Kunde sowie Arzt neu erfasst werden müssen», erzählt er, bevor die Arbeit wieder ruft. Auch der Dorfapotheker greift gerne auf die Dienste von Remo Hersche und seinem Team zurück.
Allen Schwierigkeiten zum Trotz: Zurzeit funktioniert die Grundversorgung im ausgestorbenen Touristenort auch für Menschen, die nicht mehr einkaufen können oder wollen – sei es freiwillig oder verordnet. Alle Betroffenen leisten einen grossen Einsatz und sind des Lobes voll über ihren Hauslieferdienst-Partner.
Hauslieferung: so gehts
Wer vom Hauslieferdienst in Adelboden Gebrauch machen will, ruft einfach in die Geschäfte seiner Wahl an. Die Betriebe leiten die jeweiligen Wünsche an den Lieferdienst weiter, der die bestellten Artikel am folgenden Tag in der ersten Morgenhälfte vor der Haustür abliefert. Kunden bezahlen mittels Monatsrechnung.
RETO KOLLER