Von New Glarus ins Frutigland
20.03.2020 Region, GesellschaftHoher Besuch im Berner Oberland: Die Präsidentin des «Swiss Centers of North America» (New Glarus), die Auslandschweizerin Beth Zurbuchen, besucht dieser Tage die Region. Der «Frutigländer» sprach Anfang der Woche mit der 59-Jährigen über die Gründe ihrer Geschäftsreise – und ...
Hoher Besuch im Berner Oberland: Die Präsidentin des «Swiss Centers of North America» (New Glarus), die Auslandschweizerin Beth Zurbuchen, besucht dieser Tage die Region. Der «Frutigländer» sprach Anfang der Woche mit der 59-Jährigen über die Gründe ihrer Geschäftsreise – und ihre Aussensicht auf die Corona-Krise.
PETER SCHIBLI
So hatte sie sich ihre Geschäftsreise in die Schweiz nicht vorgestellt: Als die «Doppelbürgerin» Beth Zurbuchen Mitte letzter Woche in Kloten landete, galten weder Notstand noch drastische Corona-Massnahmen. Im Bundesstaat Wisconsin ist sie ein bekanntes Fernsehgesicht, während vieler Jahre hat sie bei Channel 3 (WISC-TV) als Anchorwoman die Abendnachrichten präsentiert.
Als langjährige US-Journalistin ist sie so einiges gewöhnt. Aber was seit der Pressekonferenz des Bundesrats am letzten Freitag über die Schweiz hinwegrollte, das liess auch sie wanken. Nach Verkündung der Corona-Massnahmen plante sie zu Beginn der Woche einen Abbruch ihrer Reise und die sofortige Rückkehr in die Staaten. Da aber der Flughafen in Chicago völlig überlastet und Rückflugtickets Mangelware waren, entschloss sie sich zum Bleiben. So konnte sie doch noch einen Teil der geplanten Geschäftstermine wahrnehmen.
In Glarus traf sie Regierungs- sowie Wirtschaftsvertreter und besprach mit ihnen das 175-Jahr-Jubiläum der US-Schwesterstadt New Glarus (Wisconsin), wo das «Swiss Center of North America» seinen Sitz hat. Am 1. August dieses Jahres wird, sofern sich die Corona-Situation bis dann normalisiert hat, eine rund 50-köpfige Delegation aus Alt- nach Neu-Glarus reisen und das Jubiläum der Auslandschweizergemeinde mitgestalten.
Stereofotos fürs Zürcher Museum
Zweiter Anlaufpunkt von Beth Zurbuchens Schweizreise war das Landesmuseum in Zürich. Der Bundesinstitution verkaufte sie 1200 sogenannte Stereofotos aus dem Jahr 1870 mit Schweizer Sujets, die von amerikanischen Firmen produziert worden waren und sich seit vielen Jahren im Besitz des «Swiss Centers» befanden. Im Landesmuseum, so ist Beth Zurbuchen überzeugt, «sind die Raritä- ten besser aufgehoben als in ihrem Archiv im ländlichen New Glarus».
Mit einer Vertreterin der Gesellschaft für Familienforschung besprach sie zu Beginn der Woche aktuelle Anfragen von Auslandschweizern, die sie in ihrem Center bearbeitet. AmerikanerInnen, deren Vorfahren in die USA auswanderten, möchten Details über ihre Herkunft wissen und fragen unter anderem beim «Swiss Center» nach.
Unterstützung bei genealogischen Nachforschungen ist eine der Hauptaufgaben von Beth Zurbuchen, wie auch das Bewahren von helvetischem Kulturgut in den USA. Finanziert wird das Center durch grosszügige Spenden von Auslandschweizern. Der Institution gehört das grösste Schweiz-Archiv in den USA und Canada überhaupt, mit vielen sehr wertvollen Objekten.
Zurück zu den Wurzeln
Diese Woche plant Beth Zurbuchen Reisen nach Habkern, Frutigen und Adelboden, in jene Orte also, wo im vorletzten Jahrhundert ihre Vorfahren lebten. Ihr Grossvater wanderte aus Habkern in die USA aus, eine ihrer beiden Grossmütter kam aus Andeer (GR) in die USA. Beth Zurbuchen ist stolz auf ihre reiche Familiengeschichte und betrachtet die Schweiz – obwohl sie und ihre Eltern in den USA geboren wurden – als ihre Heimat.
Die Medienkonferenzen des Bundesrats am letzten Freitag und am Montag schaute sie sich live am Fernsehen an. Wohltuend überrascht haben sie Verhältnismässigkeit und Ruhe, mit der die Landesregierung die ersten drastischen Massnahmen verkündet hat. «Verglichen mit der Schweiz läuft zu Hause in den USA alles viel chaotischer ab. Die Botschaften des Präsidenten sind widersprüchlich», findet sie.
Besonnene Schweizer Politik
Zuerst habe Donald Trump die vom Coronavirus ausgehenden Gefahren verharmlost, dann über Nacht mit Einreiseverboten und Quarantänevorschriften die Situation dramatisiert. So wie sie es mit ihrer Aussensicht erkennen könne, würden die Massnahmen in der Schweiz professionell geplant und ohne Dramatik verkündet sowie grossmehrheitlich von der Bevölkerung auch akzeptiert. Davon konnte sich die Schweiz-Amerikanerin in Bern und im Oberland überzeugen. Mehrmals fuhr sie in den letzten Tagen Tram, Zug, besuchte das Schloss Thun und die Berner Altstadt.
Einer der Höhepunkt ihres Besuchs war ein privater Empfang beim früheren Schweizer Botschafter in den USA, Martin Dahinden. Der pensionierte Diplomat hiess Beth Zurbuchen in Bern herzlich willkommen und überbrachte ihr auch die Grüsse von Karin Keller-Sutter. Die Bundesrätin kennt das «Swiss Center» von einem Besuch persönlich und hat sich für dessen Aufgaben in früheren Jahren auch eingesetzt.
Am Mittwoch ist Beth Zurbuchen vorzeitig nach Chicago zurückgeflogen. Die Zahl der Flüge war zuvor massiv reduziert worden. Mehr als sich in der Schweiz mit dem Coronavirus anzustecken, hatte Zurbuchen die Ankunft auf einem US-Flughafen gefürchtet. «Ich weiss ja nicht, ob ich direkt in einer Militärgarnison in Quarantäne gesteckt werde, wie harzig die medizinischen Checks ablaufen werden – und wann ich an meinen Wohnort nach Madison zurückkehren kann», meint Zurbuchen mit einem mulmigen Gefühl im Magen.
Die Befürchtungen sollten sich nicht bewahrheiten.
Weitere Informationen zum Swiss Center of North America in New Glarus (Wisconsin) finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html