Das «Rustica» wird verschwinden
22.05.2020 Frutigen, Wirtschaft, TourismusSeit 1999 gehört das Hotel Restaurant Rustica René Meyer. Diese Woche hat es den Besitzer gewechselt. Was macht Meyer nun – und was hat der benachbarte Garagist mit dem Dreisternehotel vor?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Das Autohaus von Känel steigt nicht in die Gastro- ...
Seit 1999 gehört das Hotel Restaurant Rustica René Meyer. Diese Woche hat es den Besitzer gewechselt. Was macht Meyer nun – und was hat der benachbarte Garagist mit dem Dreisternehotel vor?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Das Autohaus von Känel steigt nicht in die Gastro- und Tourismusbranche ein, auch wenn Erich von Känel und seiner Familie das «Rustica» seit Montag gehört. Sie haben andere Pläne mit der Liegenschaft. Klar ist, dass das Hotelgebäude abgerissen werden soll. Das Autohaus benötigt Platz – für Autos. Eine Rolle spielt auch die vorgesehene Umnutzung der ehemaligen militärischen Tankanlage, die von Känel derzeit als Abstellplatz nutzen kann. Dieses Areal ist ab 2022 oder 2024 (je nach Entscheid ob Teil- oder Vollausbau) als Installationsplatz für den Neat-Tunnel reserviert, und die Fahrzeuge müssen dort weg. In der benachbarten ehemaligen Dependance sind und bleiben Wohnungen. Über die Hintergründe, was genau in Zukunft entstehen wird, will Erich von Känel nächste Woche informieren.
Das Knie ist entscheidend
Für René Meyer, der seit 1996 das «Rustica» betreibt und seit 1999 auch dessen Besitzer ist, endet damit ein langer und erfolgreicher Lebensabschnitt. Überraschend ist das Ende nicht, er hat seit Längerem eine Lösung für das 1978 erstellte Hotel gesucht. Vor allem wegen gesundheitlicher Probleme – nach einem Motorradunfall wurde das linke Bein ganze 27-mal operiert und ein weiterer Eingriff steht an – hat er den Hotelbetrieb verkauft. «Arbeiten mit Schmerzen ist nicht ideal, vor allem nicht am Herd stehend in der Küche», erklärt er. «Aber der Zeitpunkt für einen mehrmonatigen Ausfall im Betrieb war einfach nie da.» Hingegen passen jetzt der Zeitpunkt und die Bedingungen zum Ausstieg, das müsse er nutzen.
Ende Oktober ist fertig
Im Restaurant wird derzeit wegen der Coronavirus-Massnahmen nur das Mittagsmenü jeweils von Montag bis Freitag angeboten. Das Hotel war auch während des Corona-Lockdowns immer in Betrieb. Wann das Restaurant wieder wie vorher geöffnet sein wird, ist im Moment noch unklar. Das hängt vor allem davon ab, wie sich die Fallzahlen entwickeln und wann Meyer einen Käufer für das Mobiliar findet. Aber spätestens am 31. Oktober verlässt er den Betrieb, nach knapp einem Vierteljahrhundert. Es sei nicht einfacher geworden in der Branche, schaut er zurück. «Immer mehr Auflagen sind zu erfüllen – das fordert einen Alleinbetreiber auch immer mehr.» Zwischen 3000 und 5000 Logiernächte hatte der Betrieb mit seinen 15 Zimmern jährlich zu verzeichnen. Im Laufe der Zeit ist er vom Zwei- zum Dreisternehotel aufgestiegen. Das Restaurant ist für seine Fischküche ausgezeichnet worden. «Nur während weniger Wochen pro Jahr hat Frutigen ausgelastete Hotelbetten. Ich denke nicht, dass sich jetzt jemand findet, der ein neues Hotel bauen wird», schätzt Meyer die Lage ein. «Dafür wäre vor allem ein finanzkräftiger Investor nötig.»
Interessent auch aus China
Meyer hat sich in den letzten Jahren immer aktiver um Lösungen bemüht. Anfragen bei regionalen Hotelierskollegen und Tourismusanbietern haben zu keinem Ergebnis geführt. Nach der Ausschreibung auf der GastroSuisse-Plattform hätten sich dann erstaunliche Interessenten gemeldet. «Einer reiste aus Kanada an, wollte den Betrieb für einen Kollegen kaufen. Auch ein chinesischer Investor war hier und zeigte durchaus Interesse.»
Der vorgesehene Abbruch seines Hotels tut René Meyer weh – «ich hatte viele gute und schöne Jahre hier» –, aber man müsse auch realistisch sein. Im Endeffekt ist für ihn die Lösung mit seinem Nachbar Erich von Känel eindeutig die beste Variante. Er selber wird sich als erstes der fälligen Knieoperation unterziehen. Danach sei er offen für alles, auch ausserhalb der bisherigen Branche. «Ich habe schon Angebote erhalten, das ist beruhigend und erfreulich», sagt der 56-Jährige, der sich aber noch nicht festlegen will. Jetzt steht erst mal der langsame Abschied von seinem «Rustica» an.