«Wir glauben an den alpinen Tourismus»
19.06.2020 Adelboden, Wirtschaft, TourismusNun herrscht Leben im neuen Revier-Hotel an der Dorfstrasse: 86 funktionale Zimmer, unkomplizierte Gastfreundschaft und ein dem urbanen Geschmack angepasstes Angebot sind die Markenzeichen des neuen Betriebes.
RETO KOLLER
Im Revier-Hotel hat der traditionelle Direktor ...
Nun herrscht Leben im neuen Revier-Hotel an der Dorfstrasse: 86 funktionale Zimmer, unkomplizierte Gastfreundschaft und ein dem urbanen Geschmack angepasstes Angebot sind die Markenzeichen des neuen Betriebes.
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Im Revier-Hotel hat der traditionelle Direktor mit Krawatte und Veston ausgedient. «Chiefs» nennen sich die beiden Gastgeber Till Dossenbach und Nico Flühmann. Beide haben sich nach der Ausbildung zum Koch an der Hotelfachschule Luzern weitergebildet. «Wir sind unkomplizierte und flexible Gastgeber und tun alles, damit sich unsere Gäste wohlfühlen», beschreibt Dossenbach den Job der beiden. Sollte mal Not am Mann oder der Frau sein, packen die «Chiefs» auch beim Reinigen der Zimmer an oder braten Burger in der Küche.
Nebst den beiden kümmern sich noch acht weitere «Gangmembers», wie das Personal hier genannt wird, um das Wohl der Gäste auf der Etage, in der Küche, im Service und an der Bar. «Jede(r) muss bei uns alles können», beschreibt Dossenbach die Anforderungen. «Arbeiten bei uns soll auch Spass machen», bringt er es auf den Punkt.
Die klassische Rezeption fehlt
Der Personalbestand ist knapp bemessen, weil das Grundangebot gewisse Dienstleistungen nicht enthält. «Die tägliche Zimmerreinigung gehört nicht zum Standard, kann aber dazugebucht werden.» Das erklärt auch die günstigen Zimmerpreise– sie bewegen sich ab 89 Franken pro Nacht aufwärts. Eine klassische Rezeption gibt es nicht. Wer im «Revier» buchen will, tut dies online und erhält nach der Bezahlung des Arrangements eine E-Mail mit den nötigen Informationen und dem Zutrittscode für das reservierte Zimmer, im «Revier»-Jargon «Cabin» genannt. Der Begriff kommt nicht von ungefähr. Die funktionalen, von Adelbodner Unternehmungen ganz in Fichtenholz gefertigten Schlafgemächer sind aufs Notwendige reduziert und erinnern an einen grossen Van mit geöffneter Rückklappe. «Die Zimmer sind nicht als Aufenthaltsräume gedacht. Unsere Gäste verbringen den Tag draussen und den Abend in Gesellschaft an der Bar oder im Restaurant», erklärt Flühmann das Konzept des Hauses.
Für das sichere Unterbringen der Sportgeräte sind ein Ski- und ein Bike-Raum mit Reinigungsstation da. In der offenen Restaurantküche nimmt ein mächtiger, mit Kirschbaumholz befeuerter Holzkohlengrill viel Raum ein.
«Die Lage ist ein Glücksfall»
Philipp Bienz ist Mitbegründer, Mitbesitzer und Verwaltungsratspräsident der St. Galler Fortimo AG. Sie hat das Hotel geplant, entwickelt und finanziert. Die Familiengesellschaft investiert jährlich rund 250 Millionen Franken in Immobilienprojekte. Er erklärt, warum seine Unternehmung Berghotels finanziert: «Wir glauben an die Chancen des alpinen Tourismus. Natur, Bewegung und aktive Erholung an schnell erreichbaren Zielen haben Zukunft», lässt er wissen. Adelboden sei ein ausgezeichneter Standort. Dieser habe einen hohen Bekanntheitsgrad, und die Lage des Hauses direkt an der Dorfstrasse sei ein Glücksfall.
«Wie kann man heute Hotels noch rentabel betreiben?» Diese Schlüsselfrage beschäftigt Daniel Renggli, den CEO der Revier Hospitality Group AG. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Fortimo AG und betreibt die beiden Hotels in Lenzerheide und Adelboden. Seine Antwort: Mindestgrösse 85 Zimmer, Verzicht auf eine Rezeption, spartanische, aber bequeme Zimmer, wenig Personal. «Unser Gast kommt nicht wegen des Hotels, sondern wegen der Aktivität. Er bleibt nur wenige Tage und will Ski fahren, snowboarden, wandern, biken und abends etwas erleben. Wir bieten ihm dafür die notwendige Unterkunft und die Infrastruktur.»
Ergänzung statt Konkurrenz
Renggli sieht die neue Herberge nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung der bestehenden Adelbodner Hotellerie. «Wir sprechen ein eher jüngeres, urbanes Publikum an, das sich ab und zu ein verlängertes Wochenende mit viel Bewegung und Spass gönnt», beschreibt er das Zielpublikum. Der Präsident von Adelboden Tourismus, Ralph-Marc Diebold, ist selbst Hotelier. Er freut sich sehr über das neue Hotel und ist überzeugt vom Konzept des Hauses. «Das ‹Revier› spricht eine neue Gästeschicht an. Adelboden wird für jüngere, aktive Erholungssuchende attraktiver», glaubt er. Zum Angebot gehört die Unterhaltung am Abend, insbesondere im Winter. Nebst der Bar mit grosser Bierauswahl bietet das Restaurant auch die Möglichkeit für DJs und Liveauftritte in Clubatmosphäre. Die Gäste sollen sich tagsüber bewegen und sich abends amüsieren – ganz nach dem Haus-Motto: «Für deine Streifzüge durch den Tag und durch die Nacht.»
Fakten zum Revier-Hotel
• Planungszeit 18 Monate, Bauzeit 24 Monate
• 86 Zimmer in vier Kategorien für 1 bis 4 Gäste (188 Betten)
• 10 Mitarbeitende (Sommer 2020)
• 67 Parkplätze auf zwei Geschossen, zugänglich über Parking-Lift
• Restaurant mit 110 Plätzen und zusätzlich 30 Terrassenplätzen
• Baukosten: 19 Millionen Franken
• 70 Prozent der Arbeiten führten einheimische Betriebe aus
• Durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Revier Lenzerheide: 1,7 Tage
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